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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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58. Urteil |
vom 7. März 1973 |
i.S. Allmend-Korporation Horgen gegen Gemeinde Horgen und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 22ter BV; Enteignung, Verhältnismässigkeit des Eingriffs. |
Zulässig ist derjenige Eingriff ins Eigentum, der zur zweckmässigen Realisierung des öffentlichen Werkes erforderlich ist. |
Für die Erstellung eines Schulhauses muss sich das Gemeinwesen nicht mit einer Baurechtsdienstbarkeit begnügen. Es ist das volle Eigentum abzutreten. | |
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A.- Die politische Gemeinde Horgen will im Gebiet der Allmend eine Schulhausanlage mit 40 Klassenzimmern und Nebeneinrichtungen erstellen. Sie beansprucht dafür einen Teil des Grundstücks Kat. Nr. 7349, welches der Allmend-Korporation Horgen, einer dem kantonalen öffentlichen Recht unterstehenden privatrechtlichen Körperschaft, gehört. Die Allmend-Korporation ist bereit, der Gemeinde ein Baurecht einzuräumen, weigert sich jedoch, das volle Eigentum am Land abzutreten.
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Am 30. Dezember 1971 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich in zweiter Instanz die von der Allmend-Korporation Horgen gegen das Enteignungsgesuch erhobene Einsprache ab und erteilte der Gemeinde Horgen das Enteignungsrecht für den Erwerb von ca. 34'000 m2 Land im südlichen Teil des ![]() ![]() | 2 |
B.- Die Allmend-Korporation Horgen (im folgenden kurz "Allmend-Korporation" genannt) führt gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni 1972 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) und Art. 4 BV. Es wird beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Enteignungsrecht auf die Einräumung eines Baurechts zu beschränken. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen.
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C.- Die politische Gemeinde Horgen, vertreten durch die Schulpflege, und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
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b) Dem Verwaltungsgericht wird auch eine Verletzung von Art. 4 BV vorgeworfen. Soweit dabei eine willkürliche Anwendung der für öffentliche Eigentumsbeschränkungen geltenden Grundsätze behauptet wird, deckt sich die Rüge mit derjenigen der Verletzung der Eigentumsgarantie und hat neben dieser keine selbständige Bedeutung. Auf den weiteren Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert, ist nicht einzutreten, sofern damit eine formelle ![]() ![]() | 8 |
Erwägung 3 | |
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Erwägung 4 | |
4.- Eine Enteignung darf nur so weit gehen, als dies zur Erreichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zweckes notwendig ist. Dieses Prinzip der Verhältnismässigkeit des staatlichen Eingriffes ergibt sich unmittelbar aus Art. 22ter BV und ist in § 7 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 (AbtrG) ausdrücklich festgehalten, wonach grundsätzlich niemand verpflichtet ist, von seinem Eigentum mehr abzutreten, als zur Ausführung und zweckmässigen Benutzung des zu erstellenden Werkes erforderlich ist. Das bedeutet, dass nicht das volle Eigentum entzogen werden darf, wenn sich der öffentliche Zweck auch mit einer privatrechtlichen Dienstbarkeit oder einer ![]() ![]() | 10 |
a) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind bei der Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips im konkreten Fall die Interessen des Grundeigentümers an der Erhaltung des Resteigentums dem Interesse des Enteigners am vollen Eigentumserwerb gegenüberzustellen. Das öffentliche Interesse verlange klare Verhältnisse. Wenn der Wert des Hauses offenbar den des Bodens übersteige, so solle keine Spaltung des Eigentums an Bau und Boden eintreten; entsprechend dem in Art. 673 ZGB niedergelegten allgemeinen Rechtsgedanken solle vielmehr der Boden als der weniger wertvolle Teil ins Eigentum des Bauherrn überführt werden. Das Baurecht nach Art. 675 und 779 - 779 1 ZGB habe trotz der weitgehenden Befugnisse des Bauberechtigten gegenüber dem vollen Eigentum den Nachteil, dass es zeitlich befristet sei. Das Gemeinwesen müsste sich demzufolge nach Ablauf der Baurechtsdauer ein neues Baurecht einräumen lassen (Art. 779 1 Abs. 2 ZGB) und hiefür nötigenfalls wiederum den Enteignungsweg beschreiten. Auf der andern Seite verbleibe dem Grundeigentümer, auf dessen Boden ein Schulhaus im Baurecht erstellt werde, nur die "nuda proprietas", wobei er nicht damit rechnen könne, dass die Dienstbarkeit je wieder wegfalle. Sein Interesse an der Erhaltung des Grundeigentums beschränke sich somit im wesentlichen auf die Sicherung der Grundrente. Gegenüber diesem Privatinteresse überwiege das öffentliche Interesse, ein dem öffentlichen Wohle dienendes Werk ohne die mit dem Baurecht verbundenen Hemmnisse und administrativen Mehraufwendungen erstellen zu können. Die Beschwerdeführerin bestreitet die vom Verwaltungsgericht angeführten Nachteile für das Gemeinwesen und ist der Ansicht, dass sich der Zweck zumindest ebensogut erreichen lasse, wenn das Schulhaus im Baurecht erstellt werde. Die von der Gemeinde verlangte volle Enteignung des für das Werk benötigten Bodens gehe daher über das unbedingt Notwendige hinaus und stelle angesichts ![]() ![]() | 11 |
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fordert das öffentliche Interesse an einem Werk unter anderem auch, dass dieses auf möglichst zweckmässige Weise erstellt wird. Das gilt nicht nur in technischer Hinsicht, sondern es müssen auch die rechtlichen Belange so ausgestaltet sein, dass das Gemeinwesen nicht mit unverhältnismässigen Lasten und Kosten beschwert wird (BGE 90 I 331; Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 1971 i.S. G., Erw. 3 c, in ZBl 73/1972 S. 20). Der Grundsatz der Notwendigkeit des Eingriffs bedeutet somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass nur gerade der Eingriff ins Eigentum zulässig sei, der zur Verwirklichung des öffentlichen Werkes unbedingt notwendig ist, sondern es ist der zur zweckmässigen Realisierung des Werkes erforderliche ![]() ![]() | 13 |
c) Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführt, enthält die Baurechtsdienstbarkeit alle zivilrechtlichen Befugnisse, deren das Gemeinwesen bedarf, um eine Verwaltungsbaute, wie z.B. ein Schulhaus, zu erstellen und zu betreiben; Inhalt und Umfang des Baurechts können so umschrieben werden, dass der Bau im Laufe der Jahre wenn nötig erneuert und erweitert werden kann. Das Baurecht gewährleistet auch den Fortbestand dieser Befugnisse, sofern ihm keine Grundpfandrechte im Range vorgehen und damit die Gefahr einer vorzeitigen Löschung des Baurechts ausgeschaltet ist (vgl. die Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Änderung der Vorschriften betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr vom 9. April 1963, BBl 1963 I 993; Komm. HAAB zum ZGB Art. 675 N 3; MEIER-HAYOZ, Komm. zum ZGB, Art. 675 N 14). Das Baurecht kann jedoch als selbständiges Recht auf höchstens hundert Jahre begründet werden (Art. 779 1 Abs. 1 ZGB), und mit seinem Ablauf fallen die Bauwerke dem Grundeigentümer heim (Art. 779 c ZGB). Die öffentlichen Bedürfnisse, denen das Gemeinwesen auf dem Gebiet der Schule zu genügen hat, sind dagegen zeitlich nicht begrenzt. Gerade eine Schulhausanlage wie die hier in Frage stehende wird auf Dauer angelegt, ![]() ![]() ![]() ![]() | 14 |
Diese Gründe des öffentlichen Interesses, die der Erstellung einer Schulhausanlage im Baurecht entgegenstehen, sind allerdings zu einem wesentlichen Teil finanzieller Natur. Dem Gebot einer zweckmässigen und rationellen Verwaltung kommt aber doch eine solche Bedeutung zu, dass nur ein ganz besonderes privates Interesse an der Beibehaltung eines Restes der Verfügungsgewalt am Eigentum es überwiegen und den Eingriff der vollen Enteignung als unverhältnismässig und damit verfassungswidrig erscheinen lassen könnte. Der Enteignete müsste dartun können, dass die ihm neben der Baurechtsdienstbarkeit verbleibende Verfügungsbefugnis noch eine erhebliche Restnutzung des Grundstücks ermögliche, an der ein schützenswertes Interesse anzuerkennen wäre. So wäre z.B. denkbar, dass sich der Enteignete eine unter- oder oberirdische Nutzungsmöglichkeit vorbehalten möchte, die sich neben dem öffentlichen Werk ohne weiteres vertragen würde und angesichts deren Bedeutung dem Gemeinwesen die Beschränkung auf die Enteignung bloss einer Baurechtsdienstbarkeit zuzumuten wäre (vgl. das Urteil des Bundesgerichts i.S. Gauger vom 12. Juli 1971 Erw. 3 c in ZBl 73/1972 S. 20). Auch in solchen Fällen, wie z.B. dann, wenn der Enteignete eine unterirdische Parkgarage erstellen will, wird diesem privaten Interesse in der Regel aber wohl damit hinreichend Rechnung getragen werden, dass der Staat als Enteigner ihm die Einräumung eines Baurechts zusichert. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Verzicht der Gemeinde auf das volle Eigentum offensichtlich nicht erfüllt sind. Die Beschwerdeführerin macht überhaupt nicht geltend, ![]() ![]() ![]() | 15 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. ![]() | 16 |
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