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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 25. März 1981 |
i.S. Progressive Organisationen Basel gegen Regierungsrat und Appellationsgericht als Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit; Verwendung von Lautsprechern bei politischen Kundgebungen auf öffentlichem Grund. |
Es bedeutet eine Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit, wenn eine kantonale Behörde anordnet, dass jeweils während vier Wochen vor Wahlen und Abstimmungen die Benützung von Lautsprechern bei politischen Veranstaltungen im Freien generell untersagt sei. | |
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A.- Die Progressiven Organisationen Basel (POB), rechtlich ein Verein, veranstalteten am Samstag, dem 12. Mai 1979 auf dem Marktplatz in Basel eine Kundgebung im Zusammenhang mit der eidgenössischen Volksabstimmung vom 20. Mai 1979 über den Bundesbeschluss betreffend die Neuordnung der Umsatzsteuer und der direkten Bundessteuer. Sie ersuchten am 7. April 1979 um die Bewilligung, an diesem Anlass eine Lautsprecheranlage einsetzen zu dürfen. Die Verwaltungsabteilung des Polizeidepartementes des Kantons Basel-Stadt lehnte das Gesuch am 10. April 1979 ab mit der Begründung, gemäss einem Beschluss des Regierungsrates vom 20. Januar 1976 dürften vier Wochen vor Wahlen und Abstimmungen auf öffentlichem Grund keine Lautsprecher zu Propagandazwecken verwendet werden. Die POB rekurrierten ohne Erfolg zunächst an das Polizeidepartement und hernach an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. Den regierungsrätlichen Entscheid zogen sie an das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht weiter. Dieses wies den Rekurs mit Urteil vom 12. September 1980 ab.
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Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde der POB gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts gut.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
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Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit geltend. Ausserdem beruft er sich auf das Willkürverbot gemäss Art. 4 BV. Da dem Bundesgericht bei Beschwerden wegen Verletzung von Freiheitsrechten grundsätzlich freie Prüfungsbefugnis zusteht, und da hier keine Verfahrensfragen streitig sind, kommt der Willkürrüge des Beschwerdeführers neben dem Vorwurf der Missachtung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit keine selbständige Bedeutung zu.
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a) Die Meinungsäusserungsfreiheit gewährleistet das Recht des Bürgers, seine Meinung zu äussern, d.h. sie anderen bekanntzugeben (BGE 104 Ia 94 E. 4, 378 E. 2 mit Hinweisen). Dieses Freiheitsrecht wird vom Bundesgericht als ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes anerkannt. Das gleiche gilt für das Recht auf freie ![]() ![]() | 6 |
b) Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer nicht untersagt, am 12. Mai 1979 eine politische Kundgebung auf dem Marktplatz in Basel durchzuführen. Die Behörde verweigerte ihm jedoch die Bewilligung, an dieser Veranstaltung einen Lautsprecher zu benützen. Der Beschwerdeführer wurde dadurch sowohl in der Meinungsäusserungs- als auch in der Versammlungsfreiheit beeinträchtigt. Es ist bekannt, dass Ansprachen auf öffentlichen Plätzen praktisch nur von den sich in unmittelbarer Nähe des Redners aufhaltenden Personen richtig verstanden werden können, wenn zur Verstärkung des gesprochenen Wortes keine Lautsprecheranlage verwendet wird. Die Möglichkeit des Beschwerdeführers, eine politische Versammlung im Freien abzuhalten und dort seine Ansichten zur Volksabstimmung vom 20. Mai 1979 ![]() ![]() | 7 |
Ob diese Beschränkung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit des Beschwerdeführers zulässig war, ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie sie (unter E. 2a) mit Bezug auf Versammlungsbewilligungen auf öffentlichem Grund dargestellt worden sind. Dabei kommt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellte, dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entscheidende Bedeutung zu. Ein staatlicher Eingriff hat demnach dann zu unterbleiben, wenn der angestrebte Zweck auch mit weniger einschneidenden Massnahmen als mit dem gerügten Eingriff erreicht werden könnte. Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob der angefochtene Entscheid mit den erwähnten Prinzipien vereinbar ist. Es setzt indessen nicht sein Ermessen anstelle desjenigen der kantonalen Behörden, und es übt Zurückhaltung, soweit es um die Würdigung der besonderen örtlichen Verhältnisse geht (BGE 105 Ia 94 E. 3 mit Hinweisen).
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Erwägung 3 | |
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a) Der Regierungsratsbeschluss vom 20. Januar 1976 stützt sich auf einen Bericht des Polizeidepartements, von dem ohne Kommentar zustimmend Kenntnis genommen wurde und der deshalb als Begründung des Beschlusses gelten kann. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass das Verbot der Verwendung von Lautsprechern für politische Anlässe auf öffentlichem Grund in der Zeit vor Wahlen und Abstimmungen zum Zwecke der Erhaltung einer wohnlichen Stadt angeordnet wurde. Das Departement legte dar, dass 1975 insgesamt 149 Lautsprecherbewilligungen erteilt worden ![]() ![]() | 10 |
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Wie dargelegt wurde, ist die Durchführung grösserer öffentlicher Veranstaltungen im Freien zu Propagandazwecken ohne den Einsatz von Lautsprecheranlagen praktisch nicht möglich. Regierungsrat und Polizeidepartement haben dies denn auch anerkannt, indem sie im Beschluss vom 20. Januar 1976 ausführten, es sei klar, dass nicht jede politische Propaganda mittels Lautsprechern verboten werden solle. Indessen vermag der Hinweis darauf, dass Bewilligungen für entsprechende Veranstaltungen zu anderen Zeiten ![]() ![]() | 12 |
Politische Kundgebungen im Freien vermögen ohne den Einsatz von Lautsprecheranlagen ihren Zweck nur zum kleinen Teil zu erreichen. Wird der Gebrauch solcher Anlagen, wie das nach der baselstädtischen Regelung der Fall ist, für Perioden erhöhten politischen Interesses vollständig untersagt, bedeutet das eine erhebliche Beeinträchtigung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit der politischen Gruppen. Ein solcher Eingriff müsste freilich dann in Kauf genommen werden, wenn die entgegenstehenden Interessen der Quartieranwohner wirklich nicht anders geschützt werden könnten. Indessen beschränken sich die diesbezüglichen Ausführungen der kantonalen Instanzen auf Allgemeines. Es wird nicht dargelegt, welche Wohnquartiere mit wievielen Anwohnern durch einzelne Veranstaltungen mit Lautsprecheranlagen etwa auf dem Marktplatz, dem Barfüsserplatz und dem Claraplatz besonders betroffen würden und weshalb es für die Bewohner dieser Stadtteile nicht zumutbar sei, die unbestreitbaren Lärmimmissionen durch Lautsprecher vielleicht ein- oder zweimal pro Wahl- oder Abstimmungstermin zu Zeiten zu dulden, in denen im allgemeinen kein erhöhtes Ruhebedürfnis besteht, also etwa an ![]() ![]() | 13 |
Wie dem auch immer sei: Die Behörden dürfen dem Ruhebedürfnis der Bewohner durchaus Rechnung tragen und übermässige Lärmimmissionen auch im Zusammenhang mit politischen Veranstaltungen im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips durch entsprechende Verbote verhindern, doch ist es sinnwidrig und vor ![]() ![]() ![]() | 14 |
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