![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
43. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 8. Mai 1985 |
i.S. M. gegen Gemeinde Gontenschwil, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Verweigerung einer nachträglichen Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG für ausserhalb der Bauzone errichtete Bauten; Anordnung des Abbruchs der Gebäulichkeiten. |
Verneinung der Standortgebundenheit im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG für Bauten (Einfamilienhaus mit Pferdestall und Pferdevolte), deren Hauptzweck das Wohnen und die hobbymässige Tierhaltung bildet (E. 3). |
Nichtigkeit einer vom Gemeinderat erteilten Ausnahmebewilligung, wenn die nach Art. 25 Abs. 2 RPG erforderliche Zustimmung einer kantonalen Behörde fehlt (E. 5). |
Zulässigkeit der Anordnung, die ohne rechtsgültige Bewilligung ausgeführten und materiell gesetzwidrigen Bauten abzubrechen, da der Bauherr nicht gutgläubig war und die öffentlichen Interessen an der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes die Vermögensinteressen des Bauherrn überwiegen (E. 6). | |
![]() | |
A.- M. ist Eigentümer der beiden Parzellen Nrn. 1327 und 1328 im Gebiet Wannental in der Gemeinde Gontenschwil. Auf diesen Grundstücken, die ausserhalb der Bauzone liegen, standen im April 1980 ein altes, baufälliges Wohnhaus mit Scheune (Nr. 211) und ein altes Waschhaus. Gestützt auf einen positiven Vorentscheid des Gemeinderates Gontenschwil vom 16. April 1980 stellte M. am 7. Juni 1980 ein Baugesuch für einen "Um- und Anbau am Gebäude Nr. 211", wobei als "gewerbliche Benützung" angegeben wurde: "Pferdestallungen und Räume für Kleintierhaltung". Das Bauvorhaben umfasste zwei neue Gebäude, nämlich ein zweistöckiges Einfamilienhaus und einen Pferdestall mit vier Boxen und einer Tenne, sowie einen Umbau der Scheune. Der Gemeinderat Gontenschwil erteilte am 16. Juli 1980 die Baubewilligung für den "Umbau von Gebäude Nr. 211 und Neubau eines Einfamilienhauses im Wannental". Mit den Bauarbeiten wurde im Herbst 1980 begonnen und das Wohnhaus im Dezember 1981 bezogen; die gesamten Arbeiten waren im Frühjahr 1982 vollendet. Im September 1981 hatte sich ein Mitglied des Grossen Rates des Kantons Aargau beim Baudepartement erkundigt, ob das Bewilligungsverfahren ordnungsgemäss abgewickelt worden sei und das Departement die Bewilligung für die Bauten im Wannental gegeben habe. Nachdem derselbe Grossrat deswegen im November 1981 eine Interpellation an den Aargauer Regierungsrat gerichtet hatte, liess dieser die erforderlichen Abklärungen vornehmen. Mit Beschluss vom 28. Februar 1983 stellte die Regierung fest, die vom Gemeinderat Gontenschwil am 16. Juli 1980 erteilte Baubewilligung widerspreche Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG); sie verweigerte die Zustimmung ![]() ![]() | 1 |
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts hat M. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht.
| 2 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
| 3 |
Erwägung 2 | |
4 | |
Gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG setzt eine gewöhnliche oder ordentliche Baubewilligung voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Trifft dies für Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht zu, so ist eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG notwendig. Zonenkonforme Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen können dagegen mit einer ordentlichen Bewilligung ausgeführt werden. Das Verwaltungsgericht war der Ansicht, die Frage, ob die Gebäulichkeiten des Beschwerdeführers zonenkonform seien, stelle sich nicht, denn das Land- und Forstwirtschaftsgebiet im Sinne von § 129 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 (BauG), in welchem Gebiet die Parzellen des Beschwerdeführers liegen, sei keiner Landwirtschaftszone nach Art. 16 RPG gleichzusetzen; eine ordentliche Baubewilligung falle deshalb von vornherein ausser Betracht. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Auffassung als überspitzt formalistisch. Wie es sich damit verhält, kann indes offenbleiben, da es für die Bauten so oder so einer ![]() ![]() | 5 |
Erwägung 3 | |
6 | |
a) Der Beschwerdeführer wendet in formeller Hinsicht ein, das Verwaltungsgericht hätte nur unter dem Gesichtswinkel der ![]() ![]() | 7 |
8 | |
Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG übernimmt mit dem Erfordernis der Standortgebundenheit die Ordnung des früheren Art. 20 des Gewässerschutzgesetzes (GSchG). Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum sachlich begründeten Bedürfnis, welches nach diesem Gesetz die Standortgebundenheit eines Vorhabens zu begründen vermochte, ist daher nach wie vor wegleitend (BGE 108 Ib 133, 362, je mit Hinweisen). Danach darf die Standortgebundenheit nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen bestimmten Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist (BGE 108 Ib 134, 362, 367, je mit Hinweisen). Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit ankommen (BGE 108 Ib 135, 362; 102 Ib 79).
| 9 |
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Standortgebundenheit von Bauten, die der Landwirtschaft dienen und betrieblich notwendig sind, grundsätzlich anerkannt. Doch sind an die Erfordernisse der Standortgebundenheit strenge Anforderungen zu stellen. Der landwirtschaftliche Zweck darf nicht bloss Vorwand sein, um eine im Vordergrund stehende Wohnnutzung zu realisieren, welche für die Bewirtschaftung des Bodens nicht erforderlich ist (BGE 108 Ib 133 E. 3; Urteil des Bundesgerichts vom 4. Oktober 1983, veröffentlicht in ZBl 85/1984 S. 80). Wie oben (Erwägung 2) ausgeführt wurde, praktiziert der Beschwerdeführer auf seinen Parzellen in Gontenschwil keine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG. Die darauf erstellten Gebäude sind deshalb entgegen seiner Auffassung nicht durch eine solche Nutzung positiv standortgebunden (vgl. den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts in ZBl 85/1984 S. 368 ff., 369 E. 3a mit Hinweisen). Es sind auch keine anderen Gründe für eine ![]() ![]() | 10 |
Eine andere Frage ist es dagegen, ob sich diese Nutzung in einer Bauzone sinnvoll verwirklichen lässt. Dies wird vom Beschwerdeführer entschieden bestritten. Er macht damit geltend, die Gebäude auf seinen Parzellen seien negativ standortgebunden (vgl. ZBl 85/1984 S. 368 ff., 369 E. 3a mit Hinweisen). Eine derart begründete Standortgebundenheit darf jedoch nur sehr zurückhaltend angenommen werden. Im erwähnten Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts wurde diesbezüglich im Falle eines Reitsportzentrums dargelegt, dass auch nicht landwirtschaftliche Tierhaltung wegen ihrer Auswirkungen in Bauzonen ausgeschlossen sein kann. Das Gericht führte aus, das Halten von Reitpferden sei zwar in Bauzonen nicht ausgeschlossen. Dennoch seien Standorte ausserhalb des Baugebietes, wo freies Umgelände als Weide- und Auslauffläche vorhanden und die Gefahr von Konflikten mit anderen Nutzungen geringer sei, grundsätzlich vorzuziehen. Die für die Pferdehaltung erforderlichen Bauten seien deshalb als standortgebunden ausserhalb der Bauzonen zuzulassen. Raumplanerisch unerwünschten Auswirkungen könne bei der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG genügend Rechnung getragen werden. Insbesondere könne Tierhaltung zu Hobby- und Sportzwecken von Gebieten ferngehalten werden, die für die landwirtschaftliche Produktion besonders geeignet seien. Das Zürcher Gericht bezeichnete aber nur die für die Unterkunft und Wartung der Pferde sowie die für die Ausübung des Reitsports an diesem Standort aus sachlichen Gründen erforderlichen Gebäude als standortgebunden und lehnte die Standortgebundenheit einer geplanten Wohnung mit 192 m2 Nutzfläche jedenfalls in dieser Grösse ab.
| 11 |
Das Bundesgericht hat sich mit diesen Ausführungen des Zürcher Gerichts nicht näher zu befassen. Auf alle Fälle besteht zwischen einem Reitsportzentrum und dem hier in Frage stehenden villenartigen Landgut mit bloss vier Pferden ein grosser Unterschied, der für die Beurteilung der Frage der negativen Standortgebundenheit erheblich ist. Mit der Vorinstanz ist festzustellen, dass die hier zu beurteilende Tierhaltung und insbesondere die grosszügig konzipierte Wohnnutzung - das Einfamilienhaus weist eine Grundfläche von 16,5 x 10,6 m und etwa zehn Zimmer, verteilt auf zwei Stockwerke auf - ohne weiteres in einer Bauzone sinnvoll ![]() ![]() | 12 |
Erwägung 4 | |
13 | |
Erwägung 5 | |
5.- Der Gemeinderat Gontenschwil hat am 16. Juli 1980 für das Bauvorhaben des Beschwerdeführers die Bewilligung erteilt. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien damit die Bauten in formeller Hinsicht ![]() ![]() | 14 |
15 | |
b) Es ist unbestritten, dass für die Gebäulichkeiten des Beschwerdeführers bloss eine Baubewilligung des Gemeinderates Gontenschwil vom 16. Juli 1980 und keine kantonale Zustimmung vorliegt. Ohne Zustimmung einer kantonalen Behörde kann eine kommunale Bewilligung im Sinne von Art. 24 RPG aber von Bundesrechts wegen keine Wirkungen entfalten. Sie wird nicht rechtsgültig. Die Zustimmung stellt mithin ein unentbehrliches, konstitutiv wirkendes Element der Ausnahmebewilligung von Art. 24 RPG dar. Besteht Klarheit darüber, dass die kantonale ![]() ![]() | 16 |
Erwägung 6 | |
17 | |
Die Gebäulichkeiten des Beschwerdeführers wurden, wie ausgeführt, ohne rechtsgültige Baubewilligung erstellt, und sie können, da sie materiell gesetzwidrig sind, auch nachträglich nicht bewilligt werden. Das hat aber noch nicht zur Folge, dass die Bauten abgebrochen werden müssen. Vielmehr sind die in diesem Zusammenhang massgebenden allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien des Bundesrechts zu berücksichtigen. Zu ihnen gehören die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens. So kann der Abbruch unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt, ebenso wenn der Bauherr in gutem Glauben angenommen hat, er sei zur Bauausführung ermächtigt, und der Beibehaltung des ungesetzlichen Zustandes nicht schwerwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BGE 108 Ia 217 E. 4; 104 Ib 303 E. 5b; 102 Ib 66/67 E. 2a).
| 18 |
19 | |
![]() | 20 |
Das Verwaltungsgericht geht nicht nur davon aus, der Beschwerdeführer hätte wissen müssen, dass für sein Bauvorhaben eine kantonale Zustimmung nötig sei, dass diese gefehlt habe und dass das Vorhaben materiell rechtswidrig sei. Es ist sogar davon überzeugt, dass er dies alles positiv wusste. Dabei weist es insbesondere auf die Vorgeschichte der Baubewilligung vom 16. Juli 1980 hin: Die Eheleute M. wohnten früher in Leimbach und wollten zunächst dort auf einer ebenfalls ausserhalb der Bauzone gelegenen, ihnen gehörenden Parzelle bauliche Massnahmen treffen. Dabei erfuhren sie von den rechtlichen Schwierigkeiten des Bauens zonenwidriger Bauten ausserhalb der Bauzone. Weil sie ihre Pläne in Leimbach nicht innert nützlicher Frist verwirklichen konnten, schloss der Beschwerdeführer am 21. März 1980 mit dem damaligen Eigentümer der Parzellen Nrn. 1327 und 1328 in ![]() ![]() ![]() ![]() | 21 |
Die Vorinstanz musste sich ferner nicht mit der Frage befassen, ob die Gefahr eines Abbruchs für den Beschwerdeführer offensichtlich gewesen sei. Sind die Voraussetzungen für einen Wiederherstellungsbefehl wie im vorliegenden Fall erfüllt, so kann der Abbruch auch angeordnet werden, wenn der Betroffene nicht mit dieser Rechtsfolge gerechnet hat. Im übrigen ist allgemein bekannt, dass das Bauen ohne rechtsgültige Baubewilligung einen Beseitigungsbefehl zur Folge haben kann. Weder widersprüchlich noch willkürlich ist es, dass das Verwaltungsgericht erklärt, der Beschwerdeführer könne aus dem Vorentscheid des Gemeinderates vom 16. April 1980 keinen Vertrauensschutz ableiten. Dieser Vorentscheid leidet, wie erwähnt, an den gleichen schwerwiegenden Mängeln wie die Baubewilligung vom 16. Juli 1980. Auch für ihn bestand das Zustimmungserfordernis von Art. 25 Abs. 2 RPG, welches ebenfalls nicht erfüllt war. Das war dem Beschwerdeführer bekannt. Der Vorentscheid kam überdies auch nicht im ordentlichen Baubewilligungsverfahren mit öffentlicher Auflage und Ansetzung einer Einsprachefrist zustande. Dass in der Baubewilligung vom 16. Juli 1980 keine Ausführungen enthalten sind über die Standortgebundenheit, ändert ebenfalls nichts an der fehlenden Gutgläubigkeit des Beschwerdeführers.
| 22 |
23 | |
Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der Abbruch- und Wiederherstellungsbefehl nicht zu beanstanden. Ein Abbruchbefehl erweist sich dann als unverhältnismässig, wenn die Abweichung vom Gesetz gering ist und die berührten allgemeinen Interessen den Schaden, der dem Eigentümer durch den Abbruch entstünde, nicht zu rechtfertigen vermögen. Die vom Beschwerdeführer ausgeführten Bauten stellen nach der Raumplanungsgesetzgebung des ![]() ![]() | 24 |
c) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beseitigungsbefehl verletze Art. 22ter BV. Die durch diese Verfassungsvorschrift gewährleistete Eigentumsgarantie schützt nur die rechtmässige Ausübung des Privateigentums (BGE 106 Ia 264 E. 2a; 105 Ia 336). Die Gebäulichkeiten des Beschwerdeführers wurden indessen ohne rechtsgültige Baubewilligung ausgeführt, stellen deshalb eine widerrechtliche Nutzung des Grundeigentums dar und stehen ![]() ![]() | 25 |
Ob die Beseitigungsverfügung allenfalls eine Entschädigungspflicht des Staates begründet, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde, bei der es einzig um die Rechtmässigkeit der vom Kanton Aargau gegen den Beschwerdeführer ergriffenen Massnahmen geht.
| 26 |
27 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |