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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 1. Oktober 1986 |
i.S. W. gegen Politische Gemeinde St. Gallen, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung; Unterschutzstellung eines Gebäudes. |
Massgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Schutzmassnahme einer Enteignung gleichkommt (E. 2). |
Verneinung einer enteignungsähnlichen Wirkung, da die angeordnete Massnahme für den Betroffenen weder den Entzug einer wesentlichen Eigentümerbefugnis (E. 4) noch ein unzumutbares Sonderopfer zur Folge hat (E. 5). | |
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A.- W. hatte im April 1953 zusammen mit F. als Miteigentümer je zur Hälfte den an der Rorschacherstrasse St. Gallen gelegenen und heute aus den Parzellen Nrn. 2394, 3425 und 3426 bestehenden Teil der Liegenschaft "Reburg", Rorschacherstrasse Nr. 155, erworben. Die Parzellen Nrn. 3425 und 3426 wurden am 2. Oktober 1953 an die I. AG, für welche W. als Verwaltungsrat handelte, verkauft und sodann mit den Mehrfamilienhäusern Rorschacherstrasse 149 bis 151 und 159 bis 161 überbaut. Am 13. September 1954 wurden beide Liegenschaften zusammen mit der Restparzelle Nr. 2394, auf welcher sich das um 1830 von Fürsprech Johann Baptist Gruber in klassizistischem Stil erbaute ehemalige Sommerhaus mit der Bezeichnung "Reburg" befindet, an die G. AG veräussert. W. kaufte am 1. September 1965 die Restparzelle Nr. 2394 mit dem Haus "Reburg" von der G. AG zurück und baute es in der Folge im Innern um.
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Bereits in einem Beschluss des St. Galler Stadtrates vom 24. Juni 1952 über einen Überbauungs- und Zonenplan für das Grossackerareal war ausgeführt worden, das klassizistische Sommerhaus "Reburg" solle als besonders typisches St. Galler Bürgerhaus mit vorzüglichen Proportionen erhalten bleiben. Im Kaufvertrag zwischen der durch W. vertretenen I. AG und der G. AG vom 13. September 1954 war vorgesehen, dass die "Reburg" gemäss den Plänen von W. umgebaut werden solle. In einem in diesem ![]() ![]() | 2 |
W. hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 22ter BV eingereicht. Das Bundesgericht behandelt die Eingabe als Verwaltungsgerichtsbeschwerde und weist sie ab.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
2.- Das Verwaltungsgericht erachtete das Datum der Verfügung des Stadtrates (26. Mai 1981), mit der das Haus "Reburg" unter Schutz gestellt wurde, als massgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer enteignungsähnlich betroffen worden sei. Der Stadtrat hatte in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, massgebend sei der 1. August 1972, d.h. das Datum des Inkrafttretens des kantonalen Baugesetzes vom 6. Juni 1972 (BauG), denn seit jenem Zeitpunkt stehe fest, dass die "Reburg" als künstlerisch und geschichtlich wertvolle Baute aufgrund von Art. 98 Abs. 1 BauG zu erhalten sei. In seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht hält ![]() ![]() | 5 |
Hiezu ist folgendes zu bemerken: Auch wenn davon ausgegangen wird, das in Art. 98 BauG angeordnete Gebot der Erhaltung künstlerisch oder geschichtlich wertvoller Bauten sei als gesetzliche Eigentumsbeschränkung für jedermann verbindlich, so geht doch der Umfang des Schutzes und damit das für die Beurteilung der enteignungsgleichen Wirkung wesentliche Mass der Belastung erst aus der konkreten Schutzanordnung hervor. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht das Datum der Verfügung des Stadtrates, mit der dieser das Haus unter Schutz gestellt hatte, als Stichtag für die Abklärung der Frage der enteignungsähnlichen Wirkung bezeichnet. Allgemein gilt, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine materielle Enteignung vorliege, nicht auf das Datum des Inkrafttretens der Gesetzesbestimmung abzustellen ist, welche den Begriff der Schutzobjekte in allgemeiner Weise umschreibt; massgebend ist vielmehr das Datum der konkreten Verfügung, mit der ein bestimmtes Gebäude unter Schutz gestellt wird, denn erst dadurch wird mit der erforderlichen Präzision bestimmt, dass und in welchem Umfang die gesetzliche Schutznorm auf das betreffende Objekt anwendbar ist.
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Erwägung 4 | |
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Das Bundesgericht zählt die dem Altstadt- und Heimatschutz dienenden Bauvorschriften, die dem Schutz der nach aussen sichtbaren Bausubstanz dienen, seit jeher zu den herkömmlichen Eigentumsbeschränkungen (BGE 91 I 341 E. 3 mit Verweisungen). Auch die Unterschutzstellung der Fassaden und Dächer einzelner Häuser stellt - wie im angeführten Entscheid festgestellt wurde - keinen ausserordentlich tiefgreifenden Eingriff in das Eigentumsrecht am Hause dar. Freilich bleiben stets die besonderen Umstände ![]() ![]() | 8 |
Abgesehen hievon ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die historische und künstlerische Bedeutung der "Reburg" seit jeher bewusst war, wurde doch beim Verkauf der Liegenschaft von der durch den Beschwerdeführer vertretenen I. AG an die G. AG damit gerechnet, dass das Haus zufolge seines baukünstlerischen und kulturellen Wertes in seiner äusseren Gestaltung als prägendes Element innerhalb der Neubauten, die gemäss den Plänen des Beschwerdeführers an der Rorschacherstrasse erstellt wurden, erhalten bleibe. Unter diesen Umständen kann nicht davon die Rede sein, dass dem Beschwerdeführer mit der Schutzanordnung, mit deren Erlass er rechnen musste, wesentliche Eigentümerbefugnisse entzogen worden wären. Durch die Schutzmassnahme, die sich auf die nach aussen sichtbare historisch oder künstlerisch wertvolle Substanz beschränkt, wird der Beschwerdeführer den im kantonalen Baurecht seit langem bekannten und weit verbreiteten üblichen Eigentumsbeschränkungen unterworfen, welche im Interesse des Altstadt- und Heimatschutzes in Kauf genommen werden ![]() ![]() | 9 |
Erwägung 5 | |
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b) Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, der Beschwerdeführer habe mit einer Neuüberbauung rechnen dürfen, weil er den künstlerischen oder geschichtlich wertvollen Charakter der "Reburg" habe in Frage stellen dürfen, so könnte dennoch von einem entschädigungspflichtigen Sonderopfer unter den gegebenen Umständen nicht gesprochen werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichts keineswegs verkannt. Es hat vielmehr in zutreffender Weise sowie in Übereinstimmung mit der Lehre (YVO HANGARTNER, Grundsätzliche Probleme der Eigentumsgarantie und der Entschädigungspflicht in der Denkmalpflege, in: Rechtsfragen der Denkmalpflege, St. Gallen 1981, S. 66 f.) auf den Kreis der Betroffenen abgestellt, die sich in gleichen oder ähnlichen Verhältnissen befinden, um zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer als einzelner zugunsten der Allgemeinheit in unzumutbarer ![]() ![]() | 12 |
Von einem entschädigungspflichtigen Sonderopfer könnte sodann - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - allenfalls dann gesprochen werden, wenn dem Beschwerdeführer weitergehende Schutzmassnahmen auferlegt worden wären, die über die Erhaltung der äusseren Bausubstanz hinausgingen, sofern solche Massnahmen zur Folge hätten, dass ihm als einem einzelnen Eigentümer ein wirtschaftlich unzumutbares Opfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegt würde. Würden in einem solchen Falle keine staatlichen Beiträge ausgerichtet, so wäre eine stossende Rechtsungleichheit nicht auszuschliessen. Im vorliegenden Falle unterliegt jedoch der Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt wurde - bloss den im Interesse des Altstadt- und Heimatschutzes allgemein üblichen Beschränkungen, wobei ihm diese keineswegs eine wirtschaftlich unzumutbare Last auferlegen, konnte er doch die von ihm abparzellierten Teile der Liegenschaft "Reburg" in wirtschaftlich guter Weise nutzen und bleibt ihm auch eine ![]() ![]() | 13 |
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