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8. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1972 i.S. Neth und Felber gegen Baukonsortium Kreuzbühl, Gemeinderat Meggen und Regierungsrat des Kantons Luzern | |
Regeste |
Bau privater Quartierstrassen, Eigentumsgarantie, derogatorische Kraft des Bundesrechts |
- Diese Ordnung verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 2 c). |
- Die zweckmässige Erschliessung von Bauland kann auch dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn sie den privaten Interessenten überlassen wird (Erw. 3). |
- Zulässigkeit der Erteilung des Enteignungsrechts an Private (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Das Strassengesetz des Kantons Luzern vom 15. September 1964 (StrG) regelt die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse an den öffentlichen und privaten Strassen. Gemäss seinem § 2 gibt es ![]() | 2 |
"Neubau und Korrektion privater Quartierstrassen erfolgen auf Grund genehmigter Bebauungs- und Strassenpläne, und zwar:
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1. durch die beteiligten Grundeigentümer nach den Normalien und unter Aufsicht des Gemeinderates,
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2. durch die Gemeinde, wenn sich die beteiligten Grundeigentümer nicht verständigen können und ein begründetes Begehren eines oder mehrerer Beteiligter vorliegt. "
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Träger der Strassenbaulast für die privaten Quartierstrassen sind die Grundeigentümer, denen durch die Anlage der Strasse Vorteile erwachsen (§ 49).
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Strassenbauprojekte sind öffentlich bekannt zu machen und es kann gegen sie beim Gemeinderat Einsprache erhoben werden. Einsprachen sind vom Regierungsrat zu behandeln, der allenfalls den Plan auch zu genehmigen hat (§ 76 in Verbindung mit §§ 68 und 69). Ferner bestimmt § 77 unter dem Marginale "Enteignung" in der Fassung des Enteignungsgesetzes vom 29. Juni 1970:
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"Mit der Genehmigung des Strassenprojektes wird dem Träger der Strassenbaulast das Enteignungsrecht erteilt, soweit eine Enteignung zur Erfüllung der Aufgaben aus der Strassenbaulast erforderlich und eine Verständigung nicht möglich ist.
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Die für den Erwerb der erforderlichen Rechte zu leistende Entschädigung wird, sofern keine gütliche Einigung zustande kommt, im Schätzungsverfahren gemäss Enteignungsgesetz festgesetzt."
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B. - Franz Felber und Hans Neth sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in Meggen. Über die beiden Grundstücke führt als Abzweigung der Schlösslistrasse, einer öffentlichen Strasse, ein Privatsträsschen, der Kreuzbühlweg, der die beiden genannten Grundstücke erschliesst. Ein aus sieben Mitgliedern bestehendes "Baukonsortium Kreuzbühl", hat in einiger Entfernung eine grössere Liegenschaft erworben und sie zum Teil bereits gemäss einem von der Gemeinde Meggen genehmigten privaten Bebauungsplan überbaut. Mit dieser ![]() | 10 |
Einen von Neth und Felder gegen diesen Gemeinderatsbeschluss eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 8. Oktober 1971 ab. Er stellte fest, der geplante Weg erschliesse ein Baugebiet mit etwa 30 Einfamilienhäusern, verbinde diese mit der Schlösslistrasse, einer Gemeindestrasse, und sei somit eine Quartierstrasse. Das Vorgehen nach § 48 Ziff. 2 StrG setze nicht voraus, dass alle Eigentümer mit der geplanten Strasse einverstanden seien. Der Zweck der Bestimmung bestehe darin, die Erschliessung von Bauland zu fördern und zu verhindern, dass Eigentümer, deren Land für den Strassenbau beansprucht werden müsse, dies verunmöglichten oder zur Durchsetzung übersetzter Landpreise und Entschädigungsforderungen ausnützten. Es liege im öffentlichen Interesse, dass das in Frage stehende Land strassenmässig vernünftig erschlossen werden könne. Werde das Strassenprojekt vom Regierungsrat genehmigt, sei damit dem Träger der Strassenbaulast das Enteignungsrecht eingeräumt, das von der Gemeinde stellvertretend ausgeübt werden könne.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Ob eine gesetzliche Grundlage für einen staatlichen Eingriff in das Eigentum vorhanden ist, prüft das Bundesgericht frei, wenn der Eingriff besonders schwer ist, im übrigen aber nur auf Willkür hin (BGE 96 I 133 E. 3). Der zwangsweise Einbezug in ein Unternehmen, das die Anlage einer privaten Strasse bezweckt, die auch dem Betroffenen selbst dient, wie § 48 Ziff. 2 StrG ihn vorsieht, stellt im allgemeinen keinen schweren Eingriff in die Rechte des Eigentümers dar. Das ist umsoweniger der Fall, als eine damit allenfalls verknüpfte Enteignung nur gegen Entschädigung erfolgen darf, wie das im vorliegenden Fall unbestritten ist (vgl. auch den Einbezug in eine Baulandumlegung, BGE 96 I 133, E. 3). Ob eine gesetzliche Grundlage für den Einbezug in ein Unternehmen nach § 48 Ziff. 2 StrG besteht, ist daher an sich nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür zu überprüfen. Dagegen stellt der zwangsweise Entzug von Grundeigentum in der Regel einen schweren Eingriff in die Rechtsstellung des betroffenen Eigentümers dar. Da das Verfahren nach § 48 Ziff. 2 StrG eine Voraussetzung für eine allenfalls notwendige Enteignung und mit dem Verfahren nach § 76 f. ein funktionelles Ganzes bildet, ![]() | 15 |
c) Art. 702 ZGB stellt es in der Form eines unechten Vorbehaltes den Kantonen anheim, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl, d.h. im öffentlichen Interesse, aufzustellen und zwar unter anderem auch über das Strassenwesen. Art. 703 ZGB verhält die Kantone sodann, für Bodenverbesserungen, zu denen auch die Anlage von Wegen gehört, gegebenenfalls widerstrebende Einzelne in Zwangsgemeinschaften einzubeziehen, sofern die in Abs. 1 dieses Artikels angeführten Voraussetzungen gegeben sind. Nach Abs. 3 kann die kantonale Gesetzgebung die Durchführung solcher Bodenverbesserungen darüber hinaus erleichtern und die entsprechenden Vorschriften auf Baugebiet anwendbar erklären. Der Kan.. ton Luzern hat von dieser Möglichkeit in § 48 Ziff. 2 StrG Gebrauch gemacht, indem er in den Fällen, in denen Weganlagen im Baugebiet wegen des Widerstandes einzelner Eigentümer scheitern würden, den Gemeinden die Befugnis erteilt, den Bau zu Lasten der Eigentümer selber an die Hand zu nehmen. Schon auf Grund dieser bundesrechtlichen Ordnung erledigt sich die von den Beschwerdeführern vor allem mit Berufung auf Art. 64 BV vorgebrachte Behauptung, der angefochtene Entscheid verletze Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur BV. § 48 Ziff. 2 StrG bezweckt nichts anderes als eine bundesrechtlich erwünschte erleichterte Anlage von Wegen im Baugebiet im Interesse einer angemessenen Erschliessung desselben. Dem Bundesgesetzgeber ist es jedenfalls dabei nicht entgangen, dass auch mit dem nachbarrechtlichen Anspruch auf einen Notweg eine minimale Erschliessung erzwungen werden könnte; er ist aber bewusst darüber hinaus gegangen. Die in § 48 Ziff. 2 StrG enthaltene kantonale Regelung als solche ist daher nicht verfassungswidrig und stellt eine genügende gesetzliche Grundlage für die den Beschwerdeführern auferlegte Verpflichtung dar, die Strassenbaulast für das von der Gemeinde zu erstellende Teilstück des Kreuzbühlweges zu übernehmen oder wenigstens Land dafür abzutreten.
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d) (Abweisung des Einwands, dass die Einleitung des Verfahrens nach § 48 Ziff. 2 StrG nur aufgrund von genehmigten Strassenplänen erfolgen könne).
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3. Das Bundesgericht prüft im weitern frei, ob öffentlichrechtliche ![]() | 18 |
Im weitern besteht aber auch ein öffentliches Interesse der Gemeinde an einer genügenden und zweckmässigen Zufahrt zu dem im Bau begriffenen Quartier mit Rücksicht auf die öffentlichen Dienste, wie z.B. Brandschutz, Kehrichtabfuhr, Schneeräumung usw., die die Gemeinde den Bewohnern des Quartiers zu erbringen hat. Die Gemeinde hat deshalb auch die Erschliessung durch eine ordnungsgemässe Strassenanlage zur Bedingung für die Überbauung gemacht und damit das öffentliche Interesse, das sie an der privaten Quartierstrasse nimmt, bekundet.
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Die Beschwerdeführer wenden ein, wenn es tatsächlich mit dem Strassenbau ein öffentliches Interesse zu befriedigen gelte, wäre es Sache der Gemeinde, die Quartierstrasse als öffentliche ![]() | 20 |
4. Die Beschwerdeführer beanstanden schliesslich, dass Private Träger der Strassenbaulast und damit auch des Enteignungsrechtes werden können. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Enteignung durch die Gemeinde, allerdings in einer Art Vertretung der Baulastträger, durchgeführt wird, verstösst es nicht gegen die Eigentumsgarantie oder gegen Art. 4 BV, wenn das Enteignungsrecht Privaten übertragen wird. Erforderlich ist bloss, dass das von den Privaten zu erstellende Werk im öffentlichen Interesse liegt (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 365, LAFONT, Die Subjekte der Enteignung, Diss. 1931, S. 12 ff.). Die aus § 77 StrG in Verbindung mit § 48 Ziff. 2 StrG fliessende Ordnung steht im übrigen auch in Einklang mit § 4 Abs. 2 des luzernischen Enteignungsgesetzes vom 29. Juni 1970.
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