BGE 98 Ia 255 | |||
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39. Urteil vom 15. März 1972 i.S. X. gegen Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich. | |
Regeste |
Art. 4 BV; Anwaltsrecht, Disziplinarstrafe wegen Gebührenüberforderung. | |
Sachverhalt | |
A.- Rechtsanwalt Dr. X. vertrat Y. im Scheidungsverfahren. Er war für den Abschluss einer Scheidungskonvention besorgt, reichte beim Bezirksgericht Zürich das Scheidungsbegehren ein und vertrat seinen Klienten in der Hauptverhandlung vom 7. November 1969. Das Bezirksgericht Zürich sprach gemäss dem Antrag beider Parteien die Scheidung aus, stellte die drei Kinder unter die elterliche Gewalt der Mutter und genehmigte die Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung.
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Am 27. Februar 1970 forderte Dr. X. für seine Bemühungen ein Honorar von Fr. 4'828.40. Auf Moderationsgesuch seines Klienten hin setzte das Bezirksgericht das Honorar auf Fr. 1'200.-- und die Spesen auf Fr. 48.- (gegenüber Fr. 68.40 gemäss Rechnung) herab. Dr. X. zog diesen Entscheid an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte weiter. Diese bestätigte die Honorarberechnung des Bezirksgerichts, sprach indessen aus rechtlichen Gründen den ursprünglichen Spesenbetrag von Fr. 68.40 zu. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde des Dr. X. hat das Bundesgericht heute abgewiesen.
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B.- Das Bezirksgericht Zürich überwies die Akten des erwähnten Moderationsverfahrens an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte zur Prüfung, ob sich Dr. X. eines Verstosses gegen die Anwaltspflichten schuldig gemacht habe. Nachdem die Aufsichtskommission den Beschuldigten angehört hatte, entschied sie am 3. Februar 1971, Dr. X. habe nahezu das Vierfache des zulässigen Honorars gefordert und dadurch § 7 des Anwaltsgesetzes verletzt. Mit Rücksicht darauf auferlegte sie Dr. X. eine Ordnungsbusse von Fr. 100.--.
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C.- Dr. X. führt gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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D.- Die Aufsichtskommission beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, die angefochtene Disziplinarstrafe sei ihm willkürlich auferlegt worden, da die Aufsichtskommission lediglich auf den grossen Unterschied zwischen dem geforderten Honorar und der im Moderationsverfahren gestützt auf eine abweichende Auslegung des massgebenden Gebührentarifs zugesprochenen Entschädigung abgestellt und das Vorliegen einer Überforderungsabsicht ausdrücklich verneint habe.
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Gemäss § 7 Abs. 1 des zürcherischen Anwaltsgesetzes vom 3. Juli 1938 (AG) ist der Rechtsanwalt verpflichtet, "seine Berufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und sich durch sein Verhalten in der Ausübung des Berufes und sein sonstiges Geschäftsgebaren der Achtung würdig zu zeigen, die sein Beruf erfordert". Mit Grund wird in Rechtsprechung (ZR 42/1943 Nr. 144 S. 365 ff., 45/1946 Nr. 5 S. 9 ff.) und Lehre (W. DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, ZSR 70/1951 S. 58 a; E. MARTIN-ACHARD, La discipline des professions libérales, ZSR 70/1951, S. 275 a; P. WEGMANN, Die Berufspflichten des Rechtsanwalts..., Diss. Zürich 1969, S. 207 ff.; J. BÜHLER, Die modernen Anwaltstarife, ihre rechtliche Bedeutung und Tragweite, Diss. Zürich 1947, S. 115 ff.) angenommen, in der offensichtlichen Überforderung des Klienten könne unter Umständen ein Verstoss gegen die Berufspflichten des Anwalts erblickt werden. Das Vorliegen solcher Disziplinarfehler darf indessen nicht leichthin bejaht werden, denn Disziplinarstrafen wegen Gebührenüberforderung treffen den Anwalt in seiner Berufsehre und sollen ihrem Wesen nach auf die Ahndung unehrenhaften Verhaltens beschränkt bleiben (vgl. ZR 45/1946 Nr. 5 S. 9/10, J. BÜHLER, a.a.O., 117/8 sowie P. VELEFF, Die Disziplinaraufsicht über die zürcherischen Rechtsanwälte, Diss. Zürich 1951, S. 20 ff.). Beruht die Differenz zwischen dem geforderten und dem im Moderationsverfahren festgesetzten Honorar auf einer unterschiedlichen Auslegung des massgebenden Tarifs, so führt mithin auch eine erhebliche Überforderung nicht notwendigerweise zu einer Disziplinarstrafe. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat (unveröffentlichte Urteile vom 29. November 1942 i.S. Gisiger und vom 28. Januar 1946 i.S. Grieb u.a.), liegt eine disziplinarisch zu ahndende Überforderung vielmehr nur dann vor, wenn der Anwalt bösgläubig gehandelt hat.
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Aus dem Moderationsentscheid der Aufsichtskommission geht hervor, dass die beanstandete Honorarforderung des Beschwerdeführers auf einer Auslegung des obergerichtlichen Gebührentarifs vom 19. Dezember 1960 beruht, die - wie das Bundesgericht heute erkannt hat - ohne jede Willkür als unrichtig bezeichnet werden kann. Die geforderte Entschädigung beträgt ungefähr das Vierfache der im Moderationsverfahren festgesetzten Gebühr. Die Aufsichtskommission begründete die angefochtene Ordnungsbusse einzig mit dem Hinweis auf den Umfang der Überforderung, die von der irrigen Rechtsauffassung des Beschwerdeführers über Tragweite und Auslegung des massgebenden Tarifs herrühre; von einer Überforderungsabsicht seitens des Beschwerdeführers Ist im angefochtenen Entscheid nicht die Rede. In ihren Gegenbemerkungen zur staatsrechtlichen Beschwerde anerkennt die Aufsichtskommission vielmehr ausdrücklich, dass sie dem Beschwerdeführer keinen "Überforderungsgedanken" zur Last lege. Da die Aufsichtskommission offenbar die Bösgläubigkeit des Beschwerdeführers verneint, bleibt für dessen disziplinarische Bestrafung nach den soeben dargelegten Grundsätzen zum vorneherein kein Raum. Der angefochtene Entscheid ist daher als willkürlich aufzuheben.
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Bei diesem Ergebnis braucht auf die übrigen Rügen des Beschwerdeführers nicht weiter eingegangen zu werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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