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53. Urteil vom 31. Mai 1972 i.S. INVERTAX, Interessenverband der Taxihalter, Zürich, und Mitbeteiligte, gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Verfahren; Meinungsaustausch zwischen Bundesrat und Bundesgericht, Art. 96 Abs. 2 OG. |
Grundsatz der Kompetenzattraktion (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Gegen diesen Rekursentscheid erhoben der INVERTAX und die vier am kantonalen Verfahren beteiligten privaten Taxihalter Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat. Gleichzeitig reichten sie beim Bundesgericht eine "staatsrechtliche bzw. bundesrechtliche Verwaltungsrechtsbeschwerde" ein. Darin beanstandeten sie die Erfordernisse einer gemeindeeigenen Chauffeurbewilligung, des Nachweises genügender Stadtkenntnis und der Angabe des Namens auf der Arbeitszeit-Kontrollkarte, ferner die Arbeitszeit-Kontrollkarte als gewerbepolizeiliches Kontrollmittel. Zur Begründung ihrer Rügen beriefen sich die Beschwerdeführer auf Art. 4 und 31 BV sowie auf Art. 2 Ueb. Best. BV.
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C.- Mit Schreiben vom 15. Juni 1970 eröffnete das Bundesgericht gestützt auf Art. 96 Abs. 2 OG den Meinungsaustausch mit dem Bundesrat. Dabei vertrat es mit einlässlicher Begründung die Auffassung, die Beschwerde sei gemäss Art. 3 Abs. 4 SVG in ihrer Gesamtheit vom Bundesrat zu entscheiden. Die Eidg. Polizeiabteilung teilte dem Bundesgericht hierauf am 24. Juni 1970 als Instruktionsbehörde des Bundesrats mit, dieser werde die Beschwerde auf jeden Fall zuerst behandeln. Sie fügte bei: "Sollte sich bei der Vorbereitung des Entscheides ergeben, dass gewisse Fragen doch vom Bundesgericht zu beurteilen wären, würden wir den Meinungsaustausch mit Ihnen in jenem Zeitpunkt wieder aufnehmen". Mit Schreiben vom 9. Juli 1970 gab der Präsident der staatsrechtlichen Kammer den ![]() | 3 |
Mit Entscheid vom 16. Februar 1972 wies der Bundesrat die Beschwerde ab, soweit er darauf eintrat. Hinsichtlich seiner Zuständigkeit wies der Bundesrat zunächst darauf hin, diese bestimme sich nach Art. 125 Abs. 1 lit. b OG (Fassung vom 16. Dezember 1943). Sodann führte er in diesem Zusammenhang aus:
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"Ebenso sind die materiellen Voraussetzungen gegeben. Denn die von den Beschwerdeführern angefochtenen, vom Regierungsrat als zulässig erachteten Vorschriften, welche die Einholung einer kommunalen Bewilligung verlangen, deren Erteilung von genügender Stadtkenntnis der Fahrzeugführer abhängig machen und die Namensangabe des Betriebsinhabers auf der Arbeitszeit-Kontrollkarte vorschreiben, dienen dem Schutz der Taxibenützer und der Taxichauffeure, aber auch demjenigen der übrigen Verkehrsteilnehmer.
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Die einzelnen Beschwerdeanträge stehen untereinander in einem engen Zusammenhang. Es erscheint deshalb als sachlich gerechtfertigt, dass ein und dieselbe Behörde sämtliche aufgeworfenen Fragen beurteilt. Wohl berufen sich die Beschwerdeführer wiederholt auf die Handels- und Gewerbefreiheit und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, und sie erheben damit Rügen, die für den Regelfall durch das Bundesgericht zu entscheiden wären. Die Fragen der Verfassungsmässigkeit sind jedoch im Grunde im Vergleich zu den sich stellenden verwaltungsrechtlichen Fragen von untergeordneter Bedeutung. Es ist anzunehmen, dass diese Rügen nur für den Fall angebracht worden sind, dass die ganze Beschwerde als staatsrechtliche Beschwerde durch das Bundesgericht zu beurteilen und dass durch den Bundesrat auf eine entsprechende Verwaltungsbeschwerde nicht einzutreten wäre. Daher ist es sachlich gerechtfertigt, dass der Bundesrat sowohl die Fragen verwaltungsrechtlichen Charakters als auch die damit im Zusammenhang stehenden Fragen der Verfassungsmässigkeit entscheidet (Grundsatz der Kompetenzattraktion).
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Aus diesen Gründen ist die Zuständigkeit des Bundesrates zu bejahen und auf die fristgemäss eingereichte Beschwerde einzutreten."
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Mit Schreiben vom 8. März 1972 teilte der Präsident der staatsrechtlichen Kammer den Beschwerdeführern mit, die beim Bundesgericht hängige Beschwerde erscheine unter diesen Umständen als gegenstandslos, da der Bundesrat anscheinend sämtliche Rügen geprüft und beurteilt habe.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Kommt dem Bundesrat - wie im vorliegenden Fall - gestützt auf Art. 125 Abs. 1 lit. b OG in der Fassung vom 16. Dezember 1943 (vgl. nunmehr auch Art. 73 Abs. 1 lit. c VwG) die Stellung eines obersten Organs der Rechtspflege zu, so können seine Entscheidungen vom Bundesgericht nicht überprüft werden, denn Bundesrat und Bundesgericht sind diesfalls funktionell und hierarchisch gleichgestellte Behörden (vgl. dazu A. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 495). Das heisst indessen nicht, dass Kompetenzüberschreitungen der einen oder andern Behörde in jedem Fall hinzunehmen wären, denn dem Bundesrat bzw. dem mit einer Streitsache befassten Bundesgericht steht grundsätzlich das Recht zu, sich gegen eine Missachtung der Kompetenzaufteilung durch die andere Behörde zur Wehr zu setzen und gemäss Art. 85 Ziff. 13 BV die ![]() | 11 |
Da im vorliegenden Fall der Bundesrat mit Zustimmung des Bundesgerichts sämtliche Beschwerdevorbringen zur Prüfung übernommen hat, ist das beim Bundesgericht angehobene ![]() | 12 |
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a) Urteilt der Bundesrat gestützt auf Art. 125 Abs. 1 lit. b OG in der Fassung vom 16. Dezember 1943 (vgl. nunmehr auch Art. 73 Abs. 1 lit. c VwG) als oberstes Organ der Rechtspflege, so kann er in diesem Zusammenhang auch darüber entscheiden, ob eine gegebenenfalls unrichtige Anwendung des in Frage stehenden Bundesverwaltungsrechts darüber hinaus mittelbar eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte des Bürgers bewirkt (Grundsatz der Kompetenzattraktion; BGE 95 I 163 Erw. 2, BGE 88 I 90 Erw. 3,BGE 76 I 312Erw. 2; VEBB Heft 31, 1962/3, Nr. 9, Heft 24, 1954, Nr. 155; BIRCHMEIER, a.a.O., S. 485; FLEINER/GIACOMETTI, a.a.O., S. 890, 926 N. 27 und dort zitierte Entscheidungen des Bundesrats; GIACOMETTI, Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweizerischen Bundesgerichts, S. 147 ff.; VON SALIS/BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Band III, Nr. 939 ff., S. 44 ff.). Eine Ausnahme gilt nach neuem Recht freilich für Art. 2 Ueb. Best. BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts), dessen Beachtung durch die kantonalen Behörden nunmehr in jedem Fall das Bundesgericht zu prüfen hat (Art. 73 Abs. 2 lit. a VwG, BBl 1965 II S. 1374). Da die vorliegende Beschwerde vom 25. August 1969 jedoch nach altem Recht zu beurteilen war, konnte der Bundesrat im Entscheid vom 16. Februar 1972 ohne weiteres auch über den Vorwurf der Missachtung von Art. 2 Ueb. Best. BV befinden, zumal diese ![]() | 14 |
b) Zu Unrecht machen die Beschwerdeführer ferner geltend, der Bundesrat habe nicht über sämtliche Rügen geurteilt. Im Entscheid vom 16. Februar 1972 wird ausgeführt, es erscheine weder als bundesrechtswidrig noch als sachlich unbegründet, die Tätigkeit der stadtzürcherischen Taxiführer vom Nachweis genügender Stadtkenntnisse und von der Einholung einer besonderen Chauffeurbewilligung abhängig zu machen. Damit und mit den weiteren Erwägungen, die er in diesem Zusammenhang anstellte, entschied der Bundesrat sinngemäss, die angefochtenen Sondervorschriften verstiessen weder gegen die ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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