![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
60. Urteil vom 12. Juli 1972 i.S. Studentenschaft der Universität Zürich gegen Erziehungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Verordnung über die Benützung der Räume der Universität. |
2. Die Gestaltung der Beziehungen zwischen der öffentlichen Anstalt und ihren Benützern unterliegt den für alle Verwaltungstätigkeit geltenden Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit. |
3. Bewilligungspflicht für Veranstaltungen ausserhalb des eigentlichen Lehrbetriebs. |
- Verbot von Versammlungen agitatorisch-provokativen Charakters (Erw. 5). |
- Haftung des Bewilligungsinhabers für Schäden an Universitätsgut. Verstoss gegen Bundesrecht? (Erw. 8). |
- Kautionspflicht des Bewilligungsinhabers (Erw. 9). |
Verbot von Geldsammeln und Beschränkung des Drucksachenverkaufs (Erw. 6 u. 7). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
"2. Bewilligungen werden in der Regel erteilt für akademische und kulturelle Veranstaltungen, auch solche politischen Charakters, sofern eine Beziehung der Veranstalter zur Universität besteht. (...) Bewilligungen werden nicht erteilt, wenn die Veranstaltung agitatorisch-provokativen Charakter hat oder wenn eine Störung des Unterrichts oder des allgemeinen Betriebs zu befürchten ist.
| 2 |
4. Abs. 5; Für die anlässlich einer Veranstaltung allfällig verursachten Schäden an Gebäuden und Mobiliar kann der Inhaber der Bewilligung haftbar gemacht werden.
| 3 |
Abs. 6; Die Erteilung der Bewilligung kann von der Leistung einer Kaution abhängig gemacht werden.
| 4 |
10. Satz 1; Das Sammeln von Geld ist in den Universitätsräumen untersagt.
| 5 |
11. Das Verkaufen von Drucksachen aller Art ist nur am Kiosk erlaubt und bleibt im übrigen der Zentralstelle der Studentenschaft vorbehalten, soweit die vertraglichen Abmachungen mit dem Buchhändler- und Verlegerverein den Verkauf nicht weiter beschränken."
| 6 |
Die Studentenschaft der Universität Zürich, vertreten durch den Kleinen Studentenrat, bzw. die in dessen Namen unterzeichnenden Studierenden Anton M. Fischer und Martin Farner fechten diese Bestimmungen mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Es werden Verletzungen der Art. 4, 55, 56 und 64 BV sowie von Art. 2 und 3 KV/ZH geltend gemacht.
| 7 |
Der Erziehungsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde.
| 8 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
9 | |
2. Nach Ansicht der Beschwerdeführer verstösst das in Ziff. 2 Abs. 2 des Regulativs ausgesprochene Verbot von Veranstaltungen agitatorisch-provokativen Charakters gegen ![]() | 10 |
(Keine selbständige Bedeutung der angerufenen kantonalen verfassungsmässigen Rechte neben der in der Bundesverfassung enthaltenen Gewährleistung).
| 11 |
12 | |
Die Benützer einer öffentlichen Anstalt haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, die Einrichtungen der Anstalt so zu benützen, wie ihr Zweck es vorsieht. Aus dem Verhältnis zwischen der öffentlichen Anstalt und ihren Benützern ergeben sich für diese aber auch gewisse Einschränkungen in ihren Rechten. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung muss sich dieses besondere Rechtsverhältnis, welches die Beziehungen zwischen der Anstalt und ihren Benützern regelt und diese gewissen Beschränkungen unterstellt, im Rahmen der verfassungsmässigen Rechte der Bürger und der daraus sich ergebenden ![]() | 13 |
14 | |
Werden die Universitätsräume in einem weitern Umfang zur Verfügung gestellt, als aufgrund des gesetzlichen Zweckes der Universität beansprucht werden kann, so heisst dies allerdings nicht, dass die zuständigen Organe dabei nach Belieben vorgehen ![]() | 15 |
16 | |
a) Diese Rüge beruht auf einer unrichtigen Vorstellung von der Bedeutung und Tragweite der angerufenen Freiheitsrechte. Der Sinn der Freiheitsrechte ist die Begrenzung der staatlichen Macht gegenüber dem einzelnen Bürger. Sie gewährleisten ihm Schutz vor staatlichen Eingriffen, geben ihm aber keinen Anspruch auf positive Leistungen des Staates (AUBERT, Traité de droit constitutionel suisse, Neuchâtel 1967, II S. 626 ff. insbes. Nr. 1750 und dort zitierte Literatur; FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 240 ff.; DIETRICH SCHINDLER, Verfassungsrecht und soziale Struktur, Zürich 1932, S. 128). So lässt sich aus den Rechten der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit kein Anspruch des Bürgers darauf ableiten, dass der Staat zu ihrer Ausübung besondere Einrichtungen schafft oder zur Verfügung stellt. Das aber meinen die Beschwerdeführer, wenn sie gestützt auf die genannten Freiheitsrechte einen grundsätzlichen Anspruch auf die Räume der Universität zu Versammlungszwecken geltend machen. Was allgemein gegenüber dem Staat gilt, gilt umso mehr gegenüber der öffentlichen Anstalt, welche den Bürgern wesensgemäss nur zu dem Zweck offenzustehen hat, zu dem sie bestimmt ist. Somit werden die Studierenden dadurch, dass ihnen die Räume ![]() | 17 |
b) Der Vorwurf, es sei verfassungswidrig, den agitatorischprovokativen Charakter einer Veranstaltung als Grund für die Nichterteilung einer Bewilligung vorzusehen, weil dieser schwer bestimmbare Begriff die Möglichkeit zu willkürlichen und die Rechtsgleichheit verletzenden Entscheiden biete, geht offensichtlich fehl. Denn ein Rechtssatz, der unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die den rechtsanwendenden Behörden bei deren Auslegung und Anwendung einen weiten Beurteilungsspielraum offen lassen, verstösst deswegen noch nicht gegen Art. 4 BV. Die Frage einer Verletzung von Art. 4 BV kann sich erst im Anwendungsfall stellen. Dass mit dem Verbot agitatorischprovokativer Veranstaltungen gegen die Rechtsgleichheit verstossen werde, indem damit ohne sachliche Gründe bestimmte Studierende oder Studentenverbände gegenüber andern benachteiligt würden, wird nicht behauptet. Dagegen bringen die Beschwerdeführer vor, das Verbot sei unverhältnismässig, weil Veranstaltungen agitatorisch-provokativen Charakters den Universitätsbetrieb nicht störten und somit kein hinreichender Grund bestehe, sie nicht zu bewilligen. Die Rüge erweist sich schon deshalb als unbegründet, weil der Erziehungsrat, wie in der Beschwerdeantwort dargetan wird, unter Veranstaltungen agitatorisch-provokativen Charakters nur solche versteht, von denen regelmässig auch eine Störung des Unterrichts oder des allgemeinen Betriebs an der Universität zu befürchten ist.
| 18 |
Versteht der Schöpfer des Regulativs den Begriff "agitatorisch-provokativ" in diesem Sinne, so kann man sich allerdings fragen, worin dessen Wert im Text einer Vorschrift liegen soll, die ja bereits Veranstaltungen, von denen eine Störung des Betriebs zu befürchten ist, ausschliesst. Ob dieser Begriff wirklich zum besseren Verständnis von Ziff. 2 des Regulativs beiträgt, wie der Erziehungsrat meint, wird sich wohl bei der Anwendung zeigen. Wenn übrigens in der Vernehmlassung der Vorschrift eine Bedeutung beigemessen wird, wonach im Gegensatz zu agitatorisch-provokativen Veranstaltungen solche von ![]() | 19 |
20 | |
Auch dieser Rüge liegt die unrichtige Vorstellung zugrunde, die Studierenden hätten einen Anspruch auf jede Art der Benutzung der Räume der Universität, sofern damit keine Störungen des Hochschulbetriebs verbunden sind. Wie dargetan, besteht der aus dem besonderen Rechtsverhältnis zwischen der öffentlichen Anstalt und ihren Benützern sich ergebende Anspruch, die Einrichtungen der Universität zu benützen, nur im Rahmen der Zweckbestimmung der Universität. Nach den Ausführungen des Erziehungsrats in der Vernehmlassung fällt das Einziehen normaler Mitgliederbeiträge anerkannter studentischer Vereinigungen sowie das Einziehen der ordentlichen Semesterbeiträge nicht unter dieses Verbot. Der Wortlaut von Ziff. 10 Satz 1 Regulativ lässt eine solche Auslegung zu. Somit kann entgegen der Behauptung in der Beschwerde nicht gesagt werden, die Vorschrift schränke die Ausübung gesetzlich anerkannter studentischer Tätigkeiten ein. Dass und inwiefern im ![]() | 21 |
22 | |
8. Mit Ziff. 4 Abs. 5 des Regulativs, wonach für die anlässlich einer Veranstaltung allfällig verursachten Schäden an Gebäuden und Mobiliar der Inhaber der Bewilligung haftbar gemacht werden kann, wird nach Ansicht der Beschwerdeführer eine Kausalhaftung eingeführt, was mit Art. 64 BV nicht vereinbar sei. Die Berufung auf Art. 64 BV ist nicht richtig, denn diese Verfassungsbestimmung enthält bloss eine ![]() | 23 |
Aus dem Wortlaut von Ziff. 4 Abs. 5 des Regulativs könnte geschlossen werden, es wolle der Inhaber der Bewilligung ohne Rücksicht auf sein Verschulden für die anlässlich der Veranstaltung verursachten Schäden grundsätzlich haftbar gemacht werden. In dieser Bedeutung würde die Vorschrift eine der bundesrechtlichen Haftungsordnung der Art. 41 ff. OR widersprechende Haftungsnorm darstellen (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht I, 2. Auflage, Zürich 1958, S. 23 f.). Der Erziehungsrat legt dieser Vorschrift, wie in der Vernehmlassung ausgeführt wird, jedoch nur die Bedeutung eines Hinweises auf die geltenden Vorschriften des Haftpflichtrechts bei, und zwar insbesondere auf den Grundsatz, dass derjenige aus Verschulden haftbar gemacht werden kann, der einen gefährlichen Zustand schafft. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Worlaut der Vorschrift, und sie erscheint auch naheliegender als der Sinn, den die Beschwerdeführer ihr geben, zumal es nur heisst, dass der Inhaber haftbar gemacht werden kann. Die Vorschrift ist deshalb unter dem Gesichtspunkt von Art. 2 Üb.-Best. BV nicht zu beanstanden. Somit braucht auch nicht geprüft zu werden, ob sie als öffentlich-rechtliche Vorschrift nicht von Art. 6 ZGB gedeckt wäre. Entspricht Ziff. 4 Abs. 5 Regulativ den Bestimmungen des Haftpflichtrechts der Art. 41 ff. OR, so kann offensichtlich nicht von einer Verletzung von Art. 4 BV gesprochen werden. Übrigens trifft, was zur Begründung der behaupteten Verfassungswidrigkeit vorgebracht wird, nicht die Vorschrift als solche, sondern berührt Gesichtspunkte, die erst bei deren Anwendung aktuell ![]() | 24 |
25 | |
a) Ob eine solche Sicherheitsleistung in einer blossen Verordnung des Erziehungsrats vorgeschrieben werden kann, erscheint jedenfalls insoweit fraglich, als sie sich auf die Benutzungsgebühren beziehen soll. Denn nach der zürcherischen Rechtsordnung wird allein der Regierungsrat als kompetent betrachtet, eine Gebührenordnung für die Benutzung der Universitätsräume zu erlassen (Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 24. März 1972, in ZBl 73/1972 S. 353ff.). Es ist jedoch nicht zu prüfen, ob das Regulativ eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die beanstandete Kaution bildet (BGE 88 I 215; GRISEL, a.a.O., S. 120, 198), da eine entsprechende Rüge nicht erhoben wird.
| 26 |
b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit kann die angefochtene Bestimmung nur dann vor der Verfassung standhalten, wenn sie einschränkend ausgelegt wird. Soll die Kaution der Sicherstellung allfälliger Schadenersatzleistungen dienen, was einzig von den Beschwerdeführern beanstandet wird, so darf dies nur im Rahmen der massgebenden Grundsätze des Haftpflichtrechts geschehen. Die Kautionspflicht darf nicht weiter gehen als auf die Sicherstellung solcher Schädigungen, für die nach der massgebenden objektiven Rechtsordnung grundsätzlich Schadenersatz geleistet werden muss (BGE 51 I 427). Nach Art. 41 ff. OR, welche das Regulativ in Ziff. 4 Abs. 5 nach dem Gesagten als massgebend erklärt, hat der Bewilligungsinhaber nur dann für einen anlässlich der Veranstaltung angerichteten Schaden an Mobiliar und Gebäuden einzustehen, wenn ihn ein Verschulden daran trifft. Die Bedeutung ![]() ![]() | 27 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 28 |
29 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |