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83. Urteil vom 29. November 1972 i.S. Gemeinde Murten gegen Kanton Freiburg und Rekurskommission in Steuersachen des Kantons Freiburg. | |
Regeste |
Art. 4 BV. Kantonales Steuerrecht. |
Voraussetzungen für die Revision eines rechtskräftigen Steuerentscheides; kein Revisionsgrund liegt vor, wenn der Entscheid auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage beruhte (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Gestützt auf die damals in Kraft stehende Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1967 wurde die Familienstiftung de Zurich-de Reynold wegen verschiedener Grundstückverkäufe zur Ausgleichsabgabe herangezogen. Sie focht die Veranlagungsverfügung zunächst erfolglos beim Staatsrat des Kantons Freiburg und hernach mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. Mit Urteil vom 19. Mai 1971 wurde die staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen mit der Begründung, dass die in Art. 2 EG z. EGG enthaltene Delegation an den Staatsrat zu ungenau sei und die Ausführungsverordnung vom 19. Dezember 1967 somit keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die beanstandete Abgabe darstelle (BGE 97 I 344 ff.).
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Auf diesen Bundesgerichtsentscheid hin wurde Art. 2 EG z. EGG durch Gesetz vom 18. November 1971 geändert. Die Person des Pflichtigen, die Berechnungsweise der Abgabe, die zuständige Instanz und die Rechtsmittel sind nunmehr in dieser Gesetzesbestimmung selbst enthalten.
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B.- Am 22. Februar 1971 erhob der Grundbuchverwalter von Murten gestützt auf die Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 zum EG z. EGG von der Gemeinde Murten den Ausgleichsbetrag für einen im Dezember 1970 getätigten Landerwerb. Die Gemeinde Murten focht die Abgabeerhebung nicht an und bezahlte den Betrag.
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Mit Schreiben vom 5. Januar 1972 an die kantonale Behörde für Grundstückverkehr verlangte die Gemeinde Murten die Rückerstattung des von ihr bezahlten Ausgleichsbetrags. Sie berief sich auf den Bundesgerichtsentscheid in Sachen de Zurich- de Reynold vom 19. Mai 1971, wonach die Erhebung des durch Staatsratsbeschluss vom 31. Oktober 1969 verfügten Ausgleichsbetrags zugunsten des Fonds für Bodenverbesserungen ungesetzlich sei. Das Begehren wurde an die kantonale Rekurskommission in Steuersachen - die nach dem neuen Art. 2 EG z. EGG zuständige Rechtsmittelinstanz - weitergeleitet, die es am 16. Juni 1972 abwies. Die Rekurskommission stellte sich ![]() | 5 |
C.- Die Gemeinde Murten führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV mit dem Antrag, den Entscheid der kantonalen Rekurskommission in Steuersachen vom 16. Juni 1972 aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen.
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D.- Die kantonale Rekurskommission in Steuersachen (nachfolgend kurz Rekurskommission genannt) beantragt Abweisung der Beschwerde, und die Finanzdirektion schliesst sich namens des Kantons Freiburg ihren Ausführungen an.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. In der Beschwerde wird eingehend dargetan, weshalb die Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 bzw. die ihr zugrundeliegende Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 zum EG z. EGG verfassungswidrig sei, wobei auch das in Art. 45 KV verankerte Prinzip der Gewaltentrennung angerufen wird. Diese Vorbringen sind jedoch, abgesehen davon, dass sie im Anschluss an die Abgabeerhebung geltend zu machen gewesen wären und heute verspätet sind, unerheblich. Denn die Verfassungswidrigkeit der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 ist nicht streitig. Der Kanton Freiburg anerkennt, dass die der Verfügung zugrundeliegende Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 aus den gleichen Gründen wie diejenige vom 19. Dezember 1967, worauf die von der Familienstiftung de Zurich-de Reynold verlangte Ersatzabgabe sich stützte, verfassungswidrig ist. Der Streit geht hier einzig darum, ob die aufgrund einer unangefochten gebliebenen Veranlagungsverfügung geleistete Abgabe zurückzuerstatten ist, wenn sich hinterher herausstellt, dass die Verfügung auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage beruhte. In diesem Zusammenhang ruft die Beschwerdeführerin mit Recht nur Art. 4 BV an; ![]() | 9 |
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4. Die von der Beschwerdeführerin bezahlte Ausgleichsabgabe müsste zurückerstattet werden, wenn sie, wie sinngemäss geltend gemacht wird, aufgrund einer nichtigen und damit der Rechtskraft nicht fähigen Verfügung erhoben worden wäre. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Nichtigkeit, d.h. die absolute Unwirksamkeit einer Verwaltungsverfügung nur ausnahmsweise anzunehmen. Eine Verfügung wird als nichtig erklärt, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Rechtssicherheit dadurch nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 92 IV 197, BGE 83 I 5,BGE 71 I 198Erw. 1; GRISEL, a.a.O. S. 202ff.; IMBODEN, a.a.O. Nr. 326 II). Diese Voraussetzungen sind bei der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 nicht gegeben. Sie stützte sich auf eine gesetzliche Grundlage, die wegen unzulässiger Delegation ungenügend war. Diese Verfassungswidrigkeit kann aber weder als offensichtlich noch als besonders schwer betrachtet werden. Solange die Ausführungsverordnung zum EG z. EGG nicht aufgehoben oder, wie im Fall de Zurich-de Reynold aufgrund akzessorischer richterlicher Prüfung ![]() | 11 |
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a) Das freiburgische Steuerrecht sieht die Möglichkeit einer Revision von Steuerveranlagungen nicht ausdrücklich vor. Es fragt sich deshalb, ob unter diesen Umständen der Steuerpflichtige eine Revision überhaupt verlangen kann. Bei Willkürbeschwerden im Zusammenhang mit kantonalen und kommunalen Steuern hat sich das Bundesgericht zu dieser Frage zunächst zurückhaltend gezeigt, indem es den Fall eines die Revision rechtfertigenden Irrtums kaum je als gegeben erachtete (BGE 75 I 311). Mehr und mehr hat es sich jedoch von den bei freier Überprüfungsbefugnis in Bundessteuersachen entwickelten Grundsätzen leiten lassen (BGE 87 I 179), ohne jedoch die Gelegenheit gehabt zu haben, klar festzulegen, unter welchen minimalen Voraussetzungen der Pflichtige gestützt auf Art. 4 BV eine Revision verlangen kann. Die Frage braucht aber auch hier nicht weiter verfolgt zu werden, da die Rekurskommission nicht nur ohne Willkür, sondern zu Recht das Vorliegen eines Revisionsgrundes verneint hat.
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b) Nach der Lehre und der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Bundessteuern ist die Revision einer Steuerveranlagung auch ohne eine entsprechende Gesetzesvorschrift zulässig, wenn die Veranlagung unter Verletzung wesentlicher prozessualer Vorschriften zustande gekommen ist, wenn, ohne dass der Pflichtige dies hätte verhindern können, Tatsachen unberücksichtigt geblieben sind, die amtlichen Akten hätten entnommen werden können, oder wenn der Pflichtige Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, deren Geltendmachung ihm im früheren Verfahren nicht möglich war, ferner auch dann, wenn die Steuerbehörde den Pflichtigen über Inhalt oder Anwendung ![]() | 14 |
Was die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Rückerstattungsbegehrens vorbringt, genügt im Lichte dieser Grundsätze nicht für eine Revision der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971. Dass die Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Abgabeerhebung darstellte, hätte sie auf dem Rekurswege geltend machen können, wie dies im Falle de Zurich-de Reynolds auch getan wurde. Wenn es ihr damals an der nötigen Aufmerksamkeit gebrach, um auf diesen Mangel zu stossen, so hat sie das selbst zu vertreten. Der Umstand, dass nachträglich ein Bundesgerichtsurteil erging, welches die Ausführungsverordnung vom 17. Dezember 1967 als verfassungswidrig erklärte und demzufolge auch die der Besteuerung der Beschwerdeführerin zugrundeliegende Verordnung vom 31. Oktober 1969 als verfassungswidrig gelten muss, ist keine neue Tatsache im Sinne eines Revisionsgrundes. Diese Tatsache ist erst nach dem Veranlagungsverfahren eingetreten und hätte von der Behörde damals noch gar nicht berücksichtigt werden können (BGE 88 II 64).
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Von den dargelegten Grundsätzen könnte allenfalls dann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn sie zu einem stossenden und dem Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufenden Ergebnis führen würden. Davon kann im hier zu beurteilenden Falle nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführerin beruft sich denn auch zu Unrecht auf den Fall Destefani (BGE 78 I 191), in welchem solche Überlegungen mitgespielt haben mögen. Das Bundesgericht hat dort auf direkte verwaltungsrechtliche Klage hin das Rückerstattungsbegehren einer Witwe, die eine ihr zustehende ![]() | 16 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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