BGE 98 Ia 574 | |||
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84. Urteil vom 20. Dezember 1972 i.S. X. gegen Gemeinde A. und Steuerrekurskommission des Kantons Wallis. | |
Regeste |
Art. 4 BV (Willkür); interkommunale Doppelbesteuerung (Wallis). | |
Sachverhalt | |
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A.- Nach Art. 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Finanzgesetzes (FG) vom 6. Februar 1960 erhebt der Kanton Wallis von den natürlichen Personen eine Steuer auf dem Einkommen und dem Vermögen. Die Einkommenssteuer wird nach Art. 23 Abs. 1 auf dem Reineinkommen erhoben. Vom Roheinkommen werden nach Art. 23 Abs. 2 Ziff. 6 unter anderem in Abzug gebracht die wirklichen Verluste, welche sich im Laufe der Berechnungsperiode auf den der Erzielung des Einkommens dienenden Betriebsgütern ergeben haben, sowie ein ausgewiesener allfälliger Verlust der vorausgehenden Periode, soweit er nicht mit andern Einkünften dieser Periode verrechnet werden konnte.
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Die Walliser Gemeinden erheben ihrerseits von den natürlichen Personen eine Steuer auf Einkommen und Vermögen (Art. 132 Ziff. 2). Der Art. 23 ist auf die Einkommenssteuer der Gemeinden analog anwendbar (Art. 135 FG). Das Finanzgesetz enthält Vorschriften über die interkommunale Steueraufteilung (Art. 152 bis 160). Art. 152 lautet:
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"Unter Vorbehalt der anderslautenden Bestimmungen der nachfolgenden Artikel steht das Recht zur Besteuerung der in Art. 64 bezeichneten Einschätzungsgemeinde zu. Hat indessen eine Aufteilung
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B.- X. in A (VS) ist einerseits Direktor einer Fabrik in A und bezieht als solcher für seine Tätigkeit ein Gehalt. Anderseits betreibt er auf eigene Rechnung ein Hotel in B (VS). Aufgrund dieser an zwei verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten wurde für die kantonale Steuer folgende Veranlagung vorgenommen:
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Gemeinde A Gemeinde B Total
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Fr. Fr. Fr.
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Hotel in B.,
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durchschnittlicher
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Betriebsverlust --.-- -11'345.-- 11'345.--
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Gehalt von der Fabrik in A 20'400.-->--.-- 20'400.--
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AHV-Rente der Ehefrau 2'075.-- --.-- 2'075.--
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Einkommen aus Vermietung 25'100.-- --.-- 25'100.--
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Einkommen aus Wertschriften 19'455.-- --.-- 19'455.--
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67'030.-- -11'345.-- 55'685.--
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./. Passivzinsen 2'907.-- --.-- 2'907.--
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./. Sozialabzüge 1'007.-- --.-- 1'007.--
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Steuerbares Einkommen 63'116.-- -11'345.-- 51'771.--
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Die kantonale Steuer wurde aufgrund eines Einkommens von Fr. 51'771 erhoben. Die Gemeinde B konnte keine Gemeindesteuer erheben. Die Gemeinde A veranlagte die Gemeindesteuer aufgrund eines Einkommens von Fr. 63'116 zum Satz von Fr. 51'771.
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Gegen diese Veranlagung der Gemeindesteuer erhob X. Einsprache, indem er geltend machte, er dürfe in A nur für ein Einkommen von Fr. 51'771 (zum Satz von Fr. 51'771) besteuert werden, da er nur dieses Einkommen und nicht ein solches von Fr. 63'116 erzielt habe. Nach Abweisung der Einsprache wandte er sich an die kantonale Steuerrekurskommission, die seinen Rekurs am 9. Juni 1972 abwies.
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C.- Gegen diesen Entscheid hat X. gestützt auf Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass er, der Beschwerdeführer, in A für ein Einkommen von Fr. 51'771 zum Satz von Fr. 51'771 zu besteuern sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Hat eine solche Aufteilung zu erfolgen, so ist sie gemäss Art. 152 grundsätzlich nach den Regeln vorzunehmen, wie sie das Bundesgericht zum interkantonalen Doppelbesteuerungsverbot entwickelt hat. Der Art. 152 FG ist im zu beurteilenden Fall klarerweise anwendbar. Der Art. 153, auf den sich die Steuerrekurskommission nicht gestützt hat, gilt für Steuerpflichtige, die ein Unternehmen in mehreren Gemeinden betreiben. Das trifft auf X. nicht zu.
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine gegen Art. 46 Abs. 2 BV verstossende Doppelbesteuerung vor, wenn ein Steuerpflichtiger von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird. Das Bundesgericht hat ferner aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleitet, ein Kanton dürfe einen Steuerpflichtigen nicht deshalb anders und stärker belasten, weil er nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit unterstehe, sondern zufolge einer territorialen Beziehung auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig sei, und es hat dabei erklärt, es bedeute eine Doppelbesteuerung, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren auf dem Boden der Reineinkommenssteuer stehenden Kantonen zusammen mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern habe (BGE 93 I 241 /2; vgl. auchBGE 66 I 48; SCHLUMPF, a.a.O. S. 23/4). Wird dieser Grundsatz auf die Ebene der interkommunalen Steuerausscheidung übertragen und dabei beachtet, dass in A und B die Steuer auf dem Reineinkommen erhoben wird (Art. 23 Abs. 1 i.V. mit Art. 135 FG), so ist es klar, dass die von der kantonalen Steuerrekurskommission geschützte Einschätzung der Gemeinde A zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis führt. Würde der Beschwerdeführer nämlich in A ein Hotel mit Verlust betreiben, so stünde ausser Zweifel, dass der Verlust von seinem übrigen Einkommen in Abzug gebracht werden müsste, weil nur das Reineinkommen zur Steuer herangezogen werden darf. Der Beschwerdeführer hatte in der fraglichen Periode nur ein Reineinkommen von Fr. 51'771, und er hat nach der angefochtenen Veranlagung mehr als dieses gesamte Reineinkommen, nämlich ein Einkommen von Fr. 63'116 zu versteuern, weil er das Hotel nicht in A, sondern in B betreibt. Das ist der typische Fall einer nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verbotenen Doppelbesteuerung, und es ist unzweifelhaft, dass eine solche Steuereinschätzung mit Art. 152 FG in klarem Widerspruch steht. Daran ändert der Hinweis der Rekurskommission auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 3. April 1968 (ASA 37 S. 412 ff.) nichts, denn in jenem Falle entschied das Bundesgericht bloss, dass jemand unter bestimmten Voraussetzungen auch am Arbeitsort zur Steuer herangezogen werden könne, nämlich für den Ertrag aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Mit der hier interessierenden Frage, ob ein in einem Kanton erlittener Verlust im andern Kanton bei der Bestimmung des steuerbaren Einkommens zu berücksichtigen sei, hatte sich das Bundesgericht im genannten Urteil nicht zu beschäftigen.
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b) Die Steuerrekurskommission führte aus, der Beschwerdeführer könne nach Art. 23 Abs. 2 Ziff. 6 FG in der nächsten Steuerperiode den Verlust, den er erlitten habe, mit einem allenfalls in B zu erzielenden Einkommen verrechnen. Wenn der Verlust von Fr. 11'345 von dem in A erzielten Einkommen von Fr. 63'116 in Abzug gebracht würde, käme es zu einem doppelten Abzug des Verlusts, was eine ungerechtfertigte Privilegierung des Beschwerdeführers darstellte. - Diese Erwägung geht fehl, denn nach Art. 23 Abs. 2 Ziff. 6 FG ist ein allfälliger Verlust der vorausgegangenen Periode nur anrechenbar, "soweit er nicht mit andern Einkünften dieser (d.h. der vorausgegangenen) Periode verrechnet werden konnte". Kann der Beschwerdeführer den im Hotelbetrieb in B erlittenen Verlust von Fr. 11'345 von den in der gleichen Periode in A erzielten Einkünften von Fr. 63'116 abziehen, so darf er diesen Verlust folglich in der nächsten Periode nicht mehr mit einem allfälligen Reingewinn in B verrechnen. Dies wäre nur dann zulässig, wenn in der ersten Steuerperiode in A kein Abzug möglich gewesen wäre, weil der Pflichtige auch dort keine Einkünfte gehabt hätte. Es kann demnach entgegen der Meinung der kantonalen Behörde nicht zu einer doppelten Berücksichtigung des Verlusts und damit nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Beschwerdeführers kommen. Die Ordnung des Finanzgesetzes ist klar und vernünftig. Wäre die Meinung der Steuerrekurskommission richtig, könnte der Pflichtige trotz eines steuerbaren Einkommens in A den in B in der ersten Steuerperiode erlittenen Verlust unter Umständen überhaupt nie in Abzug bringen, dann nämlich, wenn der Hotelbetrieb in B auch in der nachfolgenden Periode keinen Reingewinn abwürfe. Wird also im vorliegenden Fall der Verlust in A nicht angerechnet, so besteht die Gefahr, dass er steuerlich überhaupt nicht berücksichtigt werden kann, während umgekehrt keine Gefahr des doppelten Abzugs besteht.
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c) Die Steuerrekurskommission führte ferner aus, es sei der Gemeinde A nicht zuzumuten, dass sie den in B erlittenen Verlust tragen müsse, während B allein den Vorteil habe, wenn im Hotelbetrieb ein Gewinn entstehe. Diese Überlegung ist für die Beurteilung der Beschwerdesache nicht massgebend und im übrigen nicht ganz überzeugend. Der Gemeinde B fallen die öffentlichen Aufwendungen zur Last, die mit dem Betrieb eines Hotels in einem Dorf verbunden sind, ohne dass sie, solange der Beschwerdeführer mit Verlust arbeitet, einen Rappen Einkommenssteuer einnehmen kann. Wird später in B ein Gewinn erzielt, so richtet sich der Steueransatz nach der Höhe des Gesamteinkommens, so dass die Gemeinde A insoweit einen Vorteil daraus zieht, als der Beschwerdeführer neben seinem Einkommen in A in B Einkünfte aus selbständiger Erwerstätigkeit hat.
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d) Die Steuerrekurskommission macht schliesslich geltend, der in B erlittene Verlust werde dadurch berücksichtigt, dass in A das Einkommen von Fr. 63,l 16 nur zum Satz von Fr. 51'771 besteuert werde. Im konkreten Fall ist dieses Argument wohl wenig brauchbar, weil der Steuersatz auf einem Einkommen von Fr. 63'116 und einem solchen von Fr. 51'771 genau der gleiche zu sein scheint, nämlich 8% (Art. 137 FG sowie Vernehmlassung der Rekurskommission, S. 6). Selbst wenn aber ein anderer Steueransatz zur Anwendung käme, würde das die Doppelbesteuerung nicht aus der Welt schaffen, welche darin besteht, dass der Beschwerdeführer für ein Einkommen zur Steuer herangezogen wird, das erheblich über dem nach dem Steuerrecht beider Gemeinden massgebenden Reineinkommen liegt. Nach der bundesgerichtlichen Doppelbesteuerungspraxis hat der Steuerpflichtige nicht nur Anspruch darauf, dass der Steuersatz des Reineinkommens angewendet wird, sondern vor allem darauf, dass nur das Reineinkommen zur Steuer herangezogen wird. Der angefochtene Entscheid verstösst offensichtlich gegen das Gesetz und ist vor Art. 4 BV nicht haltbar.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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