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7. Urteil vom 6. April 1973 i.S. Hildebrand AG gegen Verkehrsverein Aadorf und Regierungsrat des Kantons Thurgau. | |
Regeste |
Verbot einer Reklametafel; rechtliches Gehör, Eigentumsgarantie, Verfahren. |
2. Umfang des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren (Erw. 3). |
3. Gegenüber baupolizeilichen Beschränkungen des Grundeigentums kann nicht Art. 31 BV angerufen werden (Erw. 4). |
4. Verbot einer das Orts- und Landschaftsbild verunstaltenden Reklametafel. Eigentumsgarantie; gesetzliche Grundlage, Interessenabwägung (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Gegen die Bewilligung der Reklametafel durch die Ortsbehörde führte der Verkehrsverein Aadorf beim Regierungsrat des Kantons Thurgau Beschwerde, da diese Tafel mit den kommunalen Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes nicht vereinbar sei. Der Regierungsrat hiess die Beschwerde am 20. Dezember 1972 gut, hob die erteilte Bewilligung auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Ortsbehörde Aadorf zurück. In den Erwägungen wurde u.a. ausgeführt, dass, entsprechend den Empfehlungen des beigezogenen Experten, die Anbringung der Tafel unmittelbar über dem Fabrikdach zulässig wäre.
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C.- Die Firma Hildebrand AG führt gegen den Entscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügt eine Verletzung der Rechtsgleichheit, der Eigentumsgarantie und der Handels- und Gewerbefreiheit und verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen: | |
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"Art. 1 Geltungsbereich Die Bauordnung gilt für das ganze Gebiet der Ortsgemeinde Aadorf. Sie betrifft den Neubau, Umbau und Unterhalt aller Hoch- und Tiefbauten und bezweckt, die Anlage der Ortschaft den Erfordernissen einer zweckmässigen und ansprechenden Ortsgestaltung, der ökonomischen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsätzen des Heimatschutzes anzupassen."
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"Art. 2 Grundsätzliche Baupflichten
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Jede Baute ist nach den Regeln der Baukunde zu erstellen und zu unterhalten. Sie hat der Sicherheit von Menschen, Haustieren und ![]() | 9 |
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a) Sie weist darauf hin, dass Architekt Rimli Obmann ad interim der Heimatschutz-Sektion des Kantons Aargau sei, und macht geltend, es verstosse gegen Art. 4 BV, eine dem Heimatschutz nahestehende Person mit der Erstattung des Gutachtens zu beauftragen, da eine solche in Fragen des Heimatschutzes befangen sei und in jedem Falle übersetzte Anforderungen stelle. Dieser Einwand geht fehl. Über Fragen des Heimatschutzes sind naturgemäss in erster Linie solche Personen anzuhören, die sich damit schon befasst haben und aus praktischer Erfahrung wissen, welche Eingriffe ein Ortsbild ohne erhebliche Beeinträchtigung erträgt und welche Anforderungen im allgemeinen gestellt werden dürfen. Die Behauptung, dass Mitglieder von Heimatschutzorganisationen zum vorneherein weit übertriebene Ansprüche stellen, ist unhaltbar. Auch das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 sieht in ähnlichen Fällen eine Begutachtung durch die eidgenössische oder kantonale Heimatschutzkommission ausdrücklich vor (Art. 7-9). Dadurch, dass das mit der Beschwerdeinstruktion betraute Baudepartement einen in Fragen des Heimatschutzes erfahrenen Architekten einen Bericht erstellen liess, wurden keine verfassungsmässigen Rechte der Beschwerdeführerin verletzt.
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b) Der Bericht Architekt Rimlis wurde den Parteien vor Erlass des angefochtenen Entscheides zur Stellungnahme zugestellt. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass sie keine Gelegenheit gehabt habe, sich vor der Bestellung des Gutachtens zur Person des Experten und zu den gestellten Fragen zu äussern und am Augenschein des Experten, den dieser am 6. April 1972 allein vorgenommen hatte, teilzunehmen.
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Der Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör bestimmt ![]() ![]() | 13 |
c) Eine andere Frage ist, ob der Regierungsrat entscheiden durfte, ohne selber an Ort und Stelle eine Augenscheinsverhandlung durchgeführt zu haben. Die Beschwerdeführerin rügt, der Regierungsrat habe sich über die Auswirkungen der beanstandeten Tafel kein eigenes Urteil gebildet, sondern den Bericht des - nach Meinung der Beschwerdeführerin befangenen - Experten zum Urteil erhoben. Dies sei umso weniger zulässig gewesen, als das Gutachten nicht eine technische, sondern eine Ermessensfrage zum Gegenstand gehabt habe, deren Beantwortung keine besonderen Fachkenntnisse erfordere.
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Auch dieser Einwand dringt nicht durch. Wie in der Vernehmlassung des Regierungsrates ausgeführt wird, hatten sämtliche Mitglieder dieser Behörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit, die Auswirkungen der Reklametafel aus eigener Sicht zu beurteilen. Unter diesen Umständen konnte der Regierungsrat auf die Durchführung eines offiziellen Augenscheins ohne Verletzung von Art. 4 BV verzichten. Der Beschwerdeführerin hätte nur dann Gelegenheit gegeben werden müssen, ihren Standpunkt der entscheidenden Behörde an Ort und Stelle ![]() | 15 |
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Diese Rüge ist unbehelflich. Art. 31 BV befreit den Grundeigentümer nicht von der Beachtung der Bauvorschriften und räumt dem Gewerbetreibenden in dieser Hinsicht keine Privilegien ein. Die angefochtene Beschränkung verfolgt keinen wirtschaftspolitischen Zweck und trifft die Beschwerdeführerin nur in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin. Ihre sachliche Zulässigkeit beurteilt sich daher einzig nach den Grundsätzen der Eigentumsgarantie, was die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse gewerbetreibender Grundeigentümer immerhin nicht ausschliesst, da auch baupolizeiliche Eingriffe dem Gebot der Verhältnismässigkeit unterstehen. Was die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, ist einzig unter dem Gesichtswinkel des Art. 22 ter BV zu würdigen.
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5. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates berührt die Beschwerdeführerin unzweifelhaft in ihrer Eigentumsfreiheit. Sie macht zunächst geltend, es fehle dem streitigen Eingriff an der gesetzlichen Grundlage, und verweist auf Art. 18 Ziff. 6 des Aadorfer Baureglementes, welcher die Erstellung von Firmenschildern nur insoweit einschränke, als sie an Strassen stünden und den Verkehr gefährden könnten; für eine Einschränkung ![]() | 18 |
Es kann sich einzig fragen, ob die Voraussetzungen für ein auf Art. 2 des Baureglementes gestütztes Verbot wirklich erfüllt sind und ob ein solcher Eingriff mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar ist. Die Beschwerdeführerin macht geltend, von einem schützenswerten Ortsbild könne in der Industriezone von Aadorf nicht gesprochen werden. Diese Zone sei für Bauten bestimmt, die industriellen Zwecken dienten und nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten errichtet würden. Auch Hochkamine, Silos und andere turmartige Bauten seien nicht "schön". Wenn eine Gemeinde sich vor solchen Bauten schützen wolle, müsse sie eben auf eine Industrialisierung ihres Gebietes verzichten. In einer Industriezone könnten die Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes nicht gelten. Auch durch öffentliche Bauten werde das Ortsbild oft verunstaltet. Die Beschwerdeführerin verweist dabei auf die Zuckerfabrik Frauenfeld, die Tankanlagen in Hauptwil und das neue Kantonsspital Frauenfeld, ferner auf Hochspannungsleitungen und Radio- und Fernsehsendetürme. Die Annahme des Regierungsrates, dass eine Baute im Industriegebiet aus keiner Richtung her auffallen dürfe, sei unhaltbar. Dasselbe gelte für die Feststellung, dass die graphisch sehr ausgewogene Firmentafel der Beschwerdeführerin verunstaltend wirke. In Wirklichkeit werde nicht die Tafel, sondern die darauf angebrachte Inschrift beanstandet. Für ein gleich hohes, irgendwelchen technischen Zwecken dienendes Gestell würde die Bewilligung nicht verweigert. Dass Industriebauten möglichst weithin sichtbare Beschriftungen mit ![]() | 19 |
Dieser Argumentation ist nicht beizupflichten. Die Beschwerdeführerin könnte sich auf die Tatsache, dass für bestimmte Bauten, insbesondere Industriebauten, eine Beeinträchtigung des Ortsbildes oft gezwungenermassen in Kauf genommen werden muss, nur dann berufen, wenn sie für die hier in Frage stehende Anlage gleiche imperative Gründe geltend zu machen vermöchte. Hochspannungsleitungen, Sendetürme, Silos, Tanks usw. sind unvermeidbare Bestandteile der Landschaft eines Industrielandes. Es wird dabei stets versucht, sie so anzulegen, dass der Eingriff in das Landschafts- oder Ortsbild noch tragbar ist, und es ergeben sich daraus für das Unternehmen, selbst wenn es öffentlich ist oder öffentliche Aufgaben zu erfüllen hat, oft erhebliche Lasten. Von einem solchen Sachzwang kann bei der Firmentafel der Beschwerdeführerin nicht die Rede sein. Es handelt sich nur um eine von vielen möglichen Reklamevorkehren. Die beanstandete Tafel mag der Beschwerdeführerin vielleicht einen geschäftlichen Vorteil verschaffen, doch ist sie für eine erfolgreiche Führung des Betriebes keineswegs unumgänglich. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihren Produkten nicht an das breite Publikum, und diesem gegenüber wäre die Reklametafel auch ohne Aussagegehalt, da aus dem Firmennamen allein keine Schlüsse auf die hergestellten Produkte gezogen werden können. Die Tafel vermag also lediglich diejenigen, die zur Firma Hildebrand schon in Geschäftsbeziehungen getreten sind oder von dieser Firma auf andere Weise Kenntnis erhalten haben, an die Existenz der Firma zu erinnern bzw. auf den Standort des Fabrikgebäudes aufmerksam zu machen. Das Interesse der Beschwerdeführerin, dass diese Reklametafel von der Eisenbahn, der Staatsstrasse und der Autobahneinfahrt her gesehen werden kann, ist für sie zumindest nicht lebenswichtig; möglicherweise bringt ihr die Tafel überhaupt keinen messbaren Vorteil. Andererseits führt die Anlage in ihrer jetzigen Form zu einem Eingriff in die Landschaft, der selbst nach dem für Industriebauten geltenden Massstab als aussergewöhnlich erscheint. Das Baureglement von Aadorf beschränkt die Höhe der in der Industriezone zugelassenen Bauten auf 16 m (Art. 9 Ziff. 3). Offenbar sollten mit dieser Begrenzung allzustarke Eingriffe in ![]() | 20 |
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