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9. Auszug aus dem Urteil vom 7. Februar 1973 i.S. Einwohnergemeinde Laufen gegen Wlodarczak und Verwaltungsgericht des Kantons Bern. | |
Regeste |
Gemeindeautonomie, Treu und Glauben; Wasser- und Kanalisationsanschluss; Gewässerschutz. |
Soweit das übergeordnete kantonale oder eidgenössische Recht keine zwingenden Vorschriften enthält, sind die bernischen Gemeinden zur autonomen Rcchtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts befugt (Erw. 3). |
Diese Autonomie ist verletzt, wenn eine kantonale Behörde willkürlich annimmt, eine gestützt auf das autonome kommunale Recht getroffene Verfügung der Gemeinde, wonach einem Bauwilligen der Anschluss an die Wasserversorgung und an die Gemeindekanalisation verweigert wird, verstosse gegen den bundesrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben (Erw. 4 und 5). |
Die Gemeindeautonomie wird jedoch nicht verletzt, wenn im konkreten Fall ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, dass das kantonale Gesetzesrecht eine Verweigerung der erwähnten Anschlüsse nicht zulässt (Erw. 6). |
Vorbehalt des BG über den Gewässerschutz vom 8. Oktober 1971 (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
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Der Einwohnergemeinderat von Laufen erhob gegen das Baugesuch Einsprache mit der Begründung, das Bauvorhaben liege ausserhalb des Perimeters des generellen Kanalisationsprojekts (GKP) und das Leitungskaliber der Gemeindekanalisation sei ungenügend, weshalb der Anschluss an die Gemeindekanalisation nicht bewilligt werden könne (Art. 60 Abs. 3 und 5 des Baureglements der Einwohnergemeinde Laufen vom 9. Februar 1968; BR). Das habe nach Art. 60 Abs. 4 BR zur Folge, dass auch der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung abgelehnt werden müsse. Mit Schreiben vom 2. März 1971 an das Regierungsstatthalteramt Laufen führte der Einwohnergemeinderat weiter aus, das Baugesuch sei zwei Tage vor dem Inkrafttreten des neuen kantonalen Baugesetzes vom 7. Juni 1970 (BG; in Kraft seit 1. Januar 1971) eingereicht worden und habe noch vervollständigt werden müssen, so dass die Veröffentlichung erst am 15. Januar 1971, also nach Inkrafttreten des neuen Baugesetzes habe erfolgen können. Es sei daher in Anwendung des neuen Gesetzes zu beurteilen und könne nicht zugesprochen werden, weil Art. 23 BG eine Baubewilligung unter den gegebenen Umständen ausschliesse.
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Mit Beschluss vom 6. April 1971 lehnte der Einwohnergemeinderat von Laufen die Gesuche um Anschluss an die kommunale Wasserversorgung und an die Kanalisation ab. In der Folge wurde das Baubewilligungsverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Anschlussfragen eingestellt.
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B.- Was den Kanalisationsanschluss anbelangt, so erhob Dr. Wlodarczak gegen den erwähnten Beschluss des Einwohnergemeinderats ![]() | 4 |
C.- Was den vom Einwohnergemeinderat verweigerten Anschluss an die Wasserversorgung betrifft, so gelangte Dr. Wlodarczak mit Klage vom 22. Juli 1971 an das Verwaltungsgericht. Er stellte das Begehren, es sei der erwähnte Beschluss des Einwohnergemeinderats vom 6. April 1971 aufzuheben und es sei ihm der Anschluss an die Wasserversorgung zu gestatten. Zur Begründung machte er im wesentlichen geltend, die Gemeinde habe unter ähnlichen Umständen drei Wasseranschlüsse im gleichen Gebiet zugelassen. Im Falle des Anschlusses eines weiteren Einfamilienhauses bestehe keine Gefahr, dass die Wasserversorgung für das ausgeschiedene Baugebiet nicht mehr genügend leistungsfähig bleibe, zumal weitere Anschlüsse ausserhalb der Bauzone mit Rücksicht auf die am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Vorschriften des neuen Baugesetzes kaum mehr zu erwarten seien. Bei dieser Sach- und Rechtslage stelle die Ablehnung des Wasseranschlusses für ein einziges Einfamilienhaus eine Rechtsverweigerung dar.
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Die Einwohnergemeinde Laufen beantragte, die Klage abzuweisen. Sie machte insbesondere geltend, dass die zum Vergleich herangezogenen drei Anschlussbewilligungen in den Jahren 1960 bis 1962 unter wesentlich anderen Bedingungen erteilt worden seien, denn inzwischen sei durch einen Zonenplan das Baugebiet ausgeschieden worden. Die Wasserversorgung der Gemeinde sei schwierig; wegen der Lage des fraglichen Bauplatzes sei weder die Trink- noch die Löschwasserversorgung sichergestellt. Art. 18 Abs. 1 des kommunalen Wasserreglements (in der Fassung vom 18. Dezember 1969) in Verbindung mit Art. 60 Abs. 4 BR verbiete zudem den Anschluss an die Wasserversorgung, ![]() | 6 |
D.- Am 8. Mai 1972 entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Bern über die erwähnte Klage und über die Beschwerde gegen den regierungsrätlichen Entscheid vom 11. November 1971 in einem einzigen Urteil. Es hiess die Klage gut und verurteilte die Gemeinde Laufen, dem Kläger den Anschluss an das Wasserversorgungsnetz zu gewähren. Die Beschwerde der Gemeinde wies es dagegen ab und bestätigte damit die Bewilligung des Kanalisationsanschlusses.
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E.- Die Einwohnergemeinde Laufen führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie und beantragt, den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 1972 aufzuheben. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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F.- Das Verwaltungsgericht und der Beschwerdegegner Dr. Wlodarczak beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Beschwerdeführerin hat von ihrer autonomen Rechtsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht und am 9. Februar 1968 ein Baureglement (BR) erlassen, das am 20. Dezember 1968 vom Regierungsrat genehmigt wurde. Dieses Reglement enthält unter anderem folgende Vorschriften:
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Art. 58 Abs. 2: "In der Landwirtschaftszone werden nichtlandwirtschaftliche Bauten nur bewilligt, wenn Staat und Gemeinde durch Bau und Unterhalt der für die Erschliessung nötigen Strassen, Kanalisations- und Werkleitungen nicht belastet werden."
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"Der Anschluss an eine öffentliche Kanalisations- oder Wasserleitung kann abgelehnt werden, wenn die Leitungen nicht für den Anschluss des ganzen für die Überbauung vorgesehenen Gebietes angelegt und dimensioniert worden sind.
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Der Anschluss eines Gebäudes an die öffentliche Wasserversorgung ist jedoch unzulässig, solange die vorschriftsgemässe Ableitung des Abwassers in die öffentliche Kanalisation nicht gewährleistet ist. Für nichtlandwirtschaftliche Bauten ausserhalb des Einzugsgebietes des generellen Kanalisationsprojektes wird der Anschluss an eine öffentliche Kanalisation oder andere Werkleitungen in der Regel nicht bewilligt."
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Die autonomen Befugnisse der Beschwerdeführerin wären demnach verletzt, wenn das Verwaltungsgericht diese Bestimmungen im angefochtenen Entscheid willkürlich angewendet oder in willkürlicher Weise angenommen hätte, die gestützt auf diese Vorschriften erfolgte Verweigerung der fraglichen Anschlussbewilligungen seitens der Beschwerdeführerin stehe im Widerspruch zu übergeordneten und daher die Gemeindeautonomie beschränkenden Normen des kantonalen oder eidgenössischen Rechts (vgl. BGE 95 I 38 Erw. 3).
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Die Befugnis der bernischen Gemeinden zur autonomen Rechtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts ergibt sich nicht aus der Verfassung, sondern - wie in Erw. 3 ausgeführt - aus dem kantonalen Gesetzesrecht. Dies hat zur Folge, dass das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid in jeder Hinsicht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüfen kann (vgl. BGE 97 I 512 /13 und 522 mit Verweisungen). Dass das Verwaltungsgericht einen ungeschriebenen Grundsatz des Bundesrechts (Treu und Glauben) angewendet hat, ändert daran nichts. So hat das Bundesgericht in einem neueren Urteil ![]() | 20 |
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Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber mit Recht geltend, dass der Beschwerdegegner das fragliche Grundstück nicht bereits im Herbst 1970, sondern erst im Jahre 1972 erworben habe. In der Tat räumt der Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeantwort vom 6. September 1972 selbst ein, er habe erst am 25. Juli 1972 einen entsprechenden Kaufvertrag abgeschlossen. Nach den Akten fehlt sodann jeder Hinweis dafür, dass die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner irgendwelche Zusicherungen hinsichtlich der verlangten Anschlüsse abgegeben hätte. Aus dem Brief, den der Beschwerdegegner vor Einreichung seines Baugesuchs am 10. Dezember 1970 an den Einwohnergemeinderat richtete, geht vielmehr hervor, dass er durchaus mit dem Widerstand der Beschwerdeführerin ![]() | 22 |
6. Daraus folgt indessen nicht notwendigerweise, dass die Autonomiebeschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Zu untersuchen bleibt vielmehr, ob die Verweigerung der Anschlussbewilligungen gegen übergeordnetes kantonales Gesetzesrecht verstösst, d.h. ob der Anwendung von Art. 60 Abs. 5 BR insbesondere Vorschriften des Wassernutzungsgesetzes und des Bauvorschriftengesetzes entgegenstehen. Auch insoweit vermag das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid indessen bloss unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen (vgl. oben Erw. 4 und BGE 97 I 512 /3 und 522 mit Verweisungen). Kann jedoch mit haltbaren Gründen angenommen werden, das Vorgehen der Beschwerdeführerin stehe im Widerspruch zu Bestimmungen des Wassernutzungs- oder Bauvorschriftengesetzes, so ist dem ![]() | 23 |
a) Nach Art. 116 Abs. 1 WNG sind die Eigentümer einer öffentlichen Wasserversorgung verpflichtet, "nach Massgabe der verfügbaren Wassermenge Wasser an Dritte abzugeben". Diese Vorschrift kann dahin ausgelegt werden, dass die Gemeinde als Eigentümerin einer öffentlichen Wasserversorgung jeden Anschluss zu bewilligen hat, wenn nicht nachgewiesen ist, dass weitere Anschlüsse die Wasserversorgung der bisherigen Benützer gefährden. Aus Art. 116 Abs. 1 WNG lässt sich demnach ableiten, dass es den Gemeinden nach dem Stand des bernischen Rechts vor dem 1. Januar 1971 (Datum des Inkrafttretens des neuen Baugesetzes) verwehrt war, den Anschluss an ihre Wasserversorgung aus planerischen Gründen auf das Baugebiet zu beschränken und von der Möglichkeit eines Kanalisationsanschlusses abhängig zu machen, wie dies die Beschwerdeführerin in Art. 60 Abs. 4 und 5 BR vorgesehen hat. Diese Auslegung, von welcher auch das Verwaltungsgericht auszugehen scheint, erschwert zwar die vernünftige Planung eines Wasserversorgungsnetzes und steht im Widerspruch zu den Erfordernissen einer zeitgemässen Ortsplanung. Sie entspricht jedoch dem Wortlaut und kann trotz dieser rechtspolitischen Bedenken nicht als geradezu unhaltbar bezeichnet werden. Da aufgrund der technischen Angaben der Beschwerdeführerin zudem ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, dass der Anschluss des geplanten Einfamilienhauses die Wasserlieferungen an die übrigen Benützer nicht gefährden würde, verstiess das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gegen die Gemeindeautonomie, wenn es die Beschwerdeführerin zur Bewilligung des Wasseranschlusses verpflichtet, denn dieses Vorgehen lässt sich auf eine vor Art. 4 BV haltbare Auslegung des kantonalen Gesetzesrechts (Art. 116 Abs. 1 WNG) stützen, das dem kommunalen Recht (Art. 60 Abs. 4 und 5 BR) vorgeht.
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b) Ähnlich verhält es sich mit dem Kanalisationsanschluss. Art. 6 Abs. 4 des hier massgebenden Bauvorschriftengesetzes aus dem Jahre 1958 bestimmte folgendes:
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Aus dieser Vorschrift lässt sich ohne Willkür der Umkehrschluss ziehen, nichtlandwirtschaftliche Bauten müssten in der Landwirtschaftszone bewilligt werden, sofern die Erschliessung vollständig auf Kosten des Bauherrn erfolge. Auch diese Auslegung hat planerisch unerwünschte Folgen; sie ist indessen vertretbar und nach dem Wortlaut sogar naheliegend, denn nichts deutet darauf hin, dass der kantonale Gesetzgeber die Gemeinden ermächtigen wollte, Bau- und Kanalisationsanschlussbewilligungen auch dann zu verweigern, wenn ihnen aus der Erschliessung des Grundstücks keine Lasten erwachsen. Auch die Auseinandersetzung um die entsprechenden Vorschriften des neuen Baugesetzes (Art. 23 ff; vgl. A. ZAUGG, a.a.O., N. 1 ff. zu Art. 24 BG), die eine eingehende Regelung der Ausnahmebewilligungen für das sog. übrige Gemeindegebiet enthalten, spricht gegen die Auffassung, schon das bisherige Recht habe den Gemeinden eine über Art. 6 Abs. 4 BVG hinausgehende planerische Beschränkung der Bautätigkeit in der Landwirtschaftszone gestattet. Da der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall keine zusätzlichen Erschliessungskosten erwachsen und da der verlangte Anschluss an die bestehende private Kanalisationsleitung technisch ohne weiteres möglich scheint, kann ohne Willkür angenommen werden, Art. 6 Abs. 4 BVG stehe der gestützt auf das kommunale Recht verfügten Verweigerung der Anschlussbewilligung entgegen. Mit dieser substituierten Begründung hält der angefochtene Entscheid im Ergebnis vor der Gemeindeautonomie stand. Daran vermögen auch die an sich zutreffenden planerischen Überlegungen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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