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29. Urteil vom 13. August 1973 i.S. Jost gegen Studienkonsortium Kernkraftwerk Kaiseraugst und Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Bewilligung eines Kernkraftwerkes; Art. 4 BV, Art. 22ter BV, Gemeindeautonomie. |
2. Kognition bei Beschwerden wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Erw. 2). |
3. Umfang und Schutz der Autonomie der aargauischen Gemeinden im Bereiche der Rechtsanwendung (Erw. 3). |
4. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung der Baubewilligung an einen Dritten (Erw. 4 u. 6). |
5. Kompetenzen von Bund und Kanton bei der Bewilligung von Kernkraftwerken. Ob die Umgebung eines Kernkraftwerkes vor den meteorologischen Auswirkungen und Lärmimmissionen der Kühltürme genügend geschützt ist, wird im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren nach Atomenergiegesetz abschliessend geprüft (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem in der Folge aus Gründen des Gewässerschutzes anstelle der ursprünglich vorgesehenen direkten Flusswasserkühlung eine Kühlturmkühlung projektiert werden musste und die Bauherrschaft beschlossen hatte, ein Werk mit etwas höherer Leistung zu erstellen (850 MWe statt 600 MWe) und dessen Standort um etwa 600 m in nordöstlicher Richtung in das ebenfalls in der Industriezone von Kaiseraugst liegende Gebiet "Schützenhölzli-Schofbaum" zu verschieben, stellte das EVED auf Gesuch hin mit Verfügung vom 28. August 1972 fest, dass die bereits erteilte Standortbewilligung auch für das geänderte Projekt gelte. Das EVED hatte vor Erlass dieser Verfügung je einen Bericht der KSA und der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission sowie eine Stellungnahme des aargauischen Regierungsrates eingeholt, die alle grundsätzlich positiv lauteten.
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B.- Am 6. Juli 1971 reichte das Studienkonsortium beim Gemeinderat Kaiseraugst für das berichtigte Kernkraftwerkprojekt, welches u.a. die Erstellung von zwei je 115 m hohen Kühltürmen vorsieht, ein Baugesuch ein. Der Gemeinderat lehnte das Gesuch am 19. Juni 1972 ab, im wesentlichen mit der ![]() | 3 |
Der Entscheid des Regierungsrates wurde unter anderem von neun privaten Grundeigentümern aus Kaiseraugst, die gemeinsam durch einen Anwalt vertreten sind, beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau angefochten. Dieses wies die Beschwerde, soweit es darauf eintrat, am 10. Mai 1973 ab.
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C.- Gegen dieses Urteil des aargauischen Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde, mit der die erwähnten neun Grundeigentümer - Leonhard Jost, Dr. Richard Casty, Willy Meyer, Max Berger, Hermann Walder sen., Heidi Suter, Robert Waltert, Ernst Waltert und Hans Künzli, alle wohnhaft in Kaiseraugst - eine Verletzung von Art. 4 und 22ter BV sowie der Gemeindeautonomie geltend machen. Der Antrag lautet auf Aufhebung des angefochtenen Urteils.
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Die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie der staatsrechtlichen Beschwerde geht, soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen hervor.
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D.- Eine Vernehmlassung der kantonalen Instanzen und der Bauherrschaft wurde nicht eingeholt (Art. 93 Abs. 1 OG).
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtes schliesst das kantonale Baubewilligungsverfahren nicht ab; es bestätigt nur die Anweisung des Regierungsrates an den Gemeinderat, die nachgesuchte Baubewilligung unter noch festzusetzenden Auflagen und Bedingungen zu erteilen, und stellt damit einen blossen Zwischenentscheid dar. Ein solcher kann gemäss Art. 87 OG nur dann gesondert wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten werden, wenn er für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Dies ![]() | 8 |
Die genannte Voraussetzung trifft, wie sich zeigen wird, wenigstens in bezug auf die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie zu, weshalb Art. 87 OG keinen Platz greift und die Beschwerde insoweit zulässig ist.
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2. Die Beschwerdeführer erblicken eine Verletzung der Eigentumsgarantie in erster Linie darin, dass durch die grundsätzliche Bewilligung des Kernkraftwerkprojektes kantonale Bauvorschriften verletzt worden seien. Diese Frage prüft das Bundesgericht auch auf Anrufung der Eigentumsgarantie hin in der Regel nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür; lediglich dann, wenn es um einen besonders schweren Eingriff geht, untersucht es dessen gesetzliche Grundlage mit freier Kognition (BGE 99 Ia 49; BGE 98 Ia 38 E. 2, 392; BGE 97 I 795 E. 3 a). Ob der angefochtene Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist oder nicht, hängt nicht von der Auffassung der Parteien ab, sondern wird vom Gericht von Amtes wegen nach ![]() | 10 |
Dies führt dazu, dass das Bundesgericht die Handhabung ![]() | 11 |
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Art. 44 der aargauischen Kantonsverfassung gibt den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten unter Aufsicht des Staates selbständig zu ordnen. Welches die Angelegenheiten der Gemeinden sind, geht aus der Kantonsverfassung nicht hervor. Ihr Autonomiebereich bestimmt sich somit nach dem kantonalen Gesetzesrecht, dessen Auslegung durch die zuständige ![]() | 13 |
Gemäss § 49 VRPG können mit der kantonalen Verwaltungsbeschwerde, sei es an den Regierungsrat oder an eine Regierungsdirektion, "alle Mängel" des angefochtenen Entscheides geltend gemacht werden; vorbehalten bleiben allfällige besondere gesetzliche Bestimmungen. Demgegenüber lässt § 56 Abs. 1 VRPG die Beschwerde an das als letzte Instanz eingesetzte Verwaltungsgericht nur zu wegen "Rechtsverletzung" einschliesslich "Ermessensmissbrauch" und "Ermessensüberschreitung" sowie wegen "unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhaltes"; die Handhabung des Ermessens prüft das Verwaltungsgericht nur in bestimmten, ausdrücklich genannten Fällen (§ 56 Abs. 2 und 3 VRPG). Das kantonale Baugesetz vom 2. Februar 1971 enthält in bezug auf die Kognition keinerlei Sondervorschriften und verweist in seinen §§ 5 und 6 ohne Vorbehalt auf die Regelung des VRPG. Aufgrund dieser Gesetzesbestimmungen konnte das Verwaltungsgericht ohne Willkür annehmen, dass in Bausachen die Verwaltungsbeschwerde, ![]() | 14 |
Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit wesentlich von demjenigen, der dem von den Beschwerdeführern angerufenen Urteil 96 I 372 ff. zugrunde lag. Die Erwägungen des genannten Entscheides betrafen einen Kanton, in dem die Beschwerdeinstanz lediglich eine Rechtskontrolle auszuüben hatte, was es rechtfertigte, der Gemeinde nicht nur bei der Handhabung des Ermessens, sondern auch bei der Auslegung der dem autonomen Gemeinderecht angehörenden unbestimmten Rechtsbegriffe einen geschützten Spielraum zuzuerkennen. Wo jedoch wie hier den untern kantonalen Beschwerdeinstanzen von Gesetzes wegen völlig freie Kognition zusteht, greift die erwähnte Rechtsprechung nicht Platz. Aufgrund der dargelegten, vor dem Willkürverbot standhaltenden Auslegung des kantonalen Gesetzesrechtes können die aargauischen Verwaltungsbehörden in Bausachen einen Entscheid der Gemeinde auch dann aufheben, wenn dieser in bezug auf die Handhabung des Ermessens oder der unbestimmten Rechtsbegriffe als vertretbar erscheint. Der Schutz der Gemeindeautonomie besteht in diesem Falle einzig darin, dass der Entscheid der Beschwerdeinstanz seinerseits nicht auf einer willkürlichen Anwendung autonomen Gemeinderechtes beruhen darf (vgl. ZIMMERLI, a.a.O., S. 267, mit Hinweisen). Die Rüge der Verletzung der Gemeindeautonomie hat demnach neben derjenigen der Missachtung von Art. 4 BV keine selbständige Bedeutung. Ob und wieweit überhaupt autonomes Gemeinderecht zur Anwendung gelangte, kann offen bleiben.
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4. Zu prüfen bleibt die Frage der Legitimation. Nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind die Nachbarn befugt, die Erteilung der Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, soweit es um die Anwendung von Bauvorschriften geht, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz des Nachbarn dienen ![]() | 16 |
Von den neun Beschwerdeführern besitzen nur deren zwei Grundeigentum in der näheren Nachbarschaft des Baugrundstückes. Der Beschwerdeführer Hans Künzli ist Eigentümer einer unbebauten, unmittelbar südöstlich angrenzenden Parzelle, die ebenfalls in der Industriezone liegt und heute als Ackerland benutzt wird. Die Beschwerdeführer Robert und Ernst Waltert besitzen ein etwa 425 m nordöstlich vom geplanten Kraftwerk liegendes landwirtschaftliches Gehöft, das sich im "übrigen Gemeindegebiet" befindet.
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Für diese beiden nahegelegenen Grundstücke wäre die Legitimation, soweit es um die vom Atomkraftwerk ausgehenden Immissionen geht, an sich wohl zu bejahen. Doch stellt sich die Frage, wieweit die diesbezüglichen Einwände im kantonalen Baubewilligungsverfahren überhaupt zu prüfen waren.
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5. a) Gemäss Art. 24quinquies Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Atomenergie Bundessache. Art. 24quinquies Abs. 2 BV gibt dem Bund die Kompetenz, Vorschriften zum Schutz vor ionisierenden Strahlen zu erlassen. - Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung erging am 23. Dezember 1959 das Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Atomenergiegesetz, AtG). Nach Art. 4 AtG bedürfen die Erstellung und der Betrieb von Atomanlagen einer Bewilligung des Bundes. Die Bewilligung ist zu verweigern oder von der Erfüllung geeigneter Bedingungen oder Auflagen abhängig zu machen, wenn dies notwendig ist zur Wahrung der äusseren Sicherheit der Schweiz, zur Einhaltung der von ihr übernommenen völkerrechtlichen ![]() | 19 |
b) Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 24quinquies BV geht hervor, dass die Kompetenz des Bundes auf dem Gebiet der Atomenergie eine ausschliessliche ist und die Kantone in dem vom AtG geregelten Bereich daher nicht mehr legiferieren dürfen (BBl 1957 I 1139, 1156; HUBER, Die Bewilligung von Kernkraftwerken, in: NZZ vom 4. Juli 1973 Morgenausgabe Nr. 303, S. 23; vgl. auch AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, I, Nr. 702). Angesichts der grossen Bedeutung, die die Nutzung der Kernenergie im schweizerischen Energiehaushalt künftig haben wird, sowie im Hinblick auf die mit dem Betrieb von Atomanlagen verbundenen besonderen Probleme, zu deren sachgerechten Bewältigung viele Kantone gar nicht in der Lage wären, erwies es sich als unumgänglich, für die Erstellung und den Betrieb von Atomanlagen einheitliche bundesrechtliche Vorschriften zu schaffen und deren Vollzug den Organen des Bundes zu übertragen, um so mehr, als durch den Betrieb einer Atomanlage häufig nicht nur die Interessen des Standortkantons, sondern auch diejenigen von Nachbarkantonen und ausländischen Staaten berührt werden. Diese Kompetenzordnung soll einerseits gewährleisten, dass beim Bau und Betrieb von Atomanlagen sämtliche nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik möglichen und notwendigen Schutzmassnahmen getroffen werden; sie soll aber andererseits ![]() | 20 |
c) Gemäss Art. 4 ff. AtG ist für die Erstellung und den Betrieb von Atomanlagen sowie für andere damit zusammenhängende Tätigkeiten eine - dem Grundsatz nach - polizeiliche Bewilligung des Bundes erforderlich. Diese Bewilligungspflicht dient u.a. dem Schutz von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern (Art. 5 Abs. 1 AtG), d.h. sie soll die Sicherheit und Unschädlichkeit der Atomanlage unter allen wesentlichen Aspekten gewährleisten. Im Vordergrund steht zweifellos die nukleare Sicherheit, namentlich der Schutz vor Strahlenschäden (BBl 1958 II 1538). Von einer Atomanlage können aber auch anderweitige Wirkungen ausgehen. So ergeben sich bei Kernkraftwerken, wie übrigens bei allen Wärmekraftwerken, besondere Probleme hinsichtlich der überschüssigen Wärme, die auf irgendeine Weise an die Umgebung abgegeben werden muss, sei es in ein Gewässer oder an die Atmosphäre. Dementsprechend bildet auch die zum Betrieb einer Atomanlage notwendige Kühlanlage Gegenstand des bundesrechtlichen Bewilligungsverfahrens nach Art. 4 ff. AtG, und die zuständigen Bundesbehörden haben zu prüfen, ob das Projekt in bezug auf das Kühlsystem alle zumutbaren Massnahmen zum Schutze von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern vorsieht (Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 AtG; HUBER, a.a.O.; HUG, in: Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, S. 382).
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Mit dem Bau von Atomanlagen verbundene Fragen, die im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren zu prüfen und zu entscheiden sind, können nicht auch Gegenstand eines zusätzlichen kantonalrechtlichen Bewilligungsverfahrens bilden; das folgt aus dem ausschliesslichen Charakter der dem Bund auf dem Gebiet der Atomenergie zustehenden Gesetzgebungskompetenz und aus dem Zweck des AtG, welches in bestimmten Bereichen eine einheitliche Ordnung schaffen wollte. Der Kanton kann daher die Erstellung oder den Betrieb einer Atomanlage nicht verbieten unter Geltendmachung solcher öffentlicher Interessen, deren Wahrung ins bundesrechtliche ![]() | 22 |
d) Wo die Grenze der kantonalen Polizeihoheit in bezug auf die Atomanlagen zu ziehen ist und welche sonstigen Befugnisse den Kantonen in diesem Bereich noch zustehen, braucht im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht abschliessend geprüft zu werden (eine Aufzählung der für Kernkraftwerke erforderlichen bundesrechtlichen und kantonalrechtlichen Bewilligungen findet sich bei FISCHER, ZBl 1973, S. 89 ff). Ausser den Vorschriften des AtG fallen noch andere bundesrechtliche Bestimmungen in Betracht, so zum Beispiel diejenigen des Gewässerschutzgesetzes, des Arbeitsgesetzes und des Natur- und Heimatschutzgesetzes, deren Vollzug zum Teil dem Bund, zum Teil den Kantonen obliegt, was die Kompetenzausscheidung auf dem Gebiet der Atomenergie noch zusätzlich erschwert. - Es ist jedenfalls anzunehmen, dass nicht nur die nukleare Sicherheit der Atomanlage, sondern auch die Frage des Umweltschutzes, soweit es um die von den Kühltürmen ausgehenden meteorologischen Einflüsse und allfälligen Lärmimmissionen geht, ausschliesslich im Verfahren nach AtG zu prüfen ist. Das Kühlsystem ist untrennbarer Bestandteil des Kernkraftwerkes; seine Gestaltung ist technisch determiniert und seine Auswirkungen auf die Umgebung hängen unmittelbar mit dem Betrieb des Atomkraftwerkes zusammen. Die Kühlanlage bildet demzufolge, wie erwähnt, Gegenstand der Bewilligungspflicht nach AtG, und die zuständigen Bundesbehörden haben sowohl im Bewilligungsverfahren als auch im Rahmen ihrer Aufsicht zu prüfen, ob in bezug auf das Kühlsystem alle zumutbaren Massnahmen zum Schutze von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern getroffen werden, wobei selbstverständlich auf die jeweiligen konkreten Gegebenheiten ![]() | 23 |
Auch im vorliegenden Falle wurde und wird die Frage der mit den Kühltürmen verbundenen Lärmimmissionen sowie das Problem der meteorologischen Auswirkungen im Rahmen des bundesrechtlichen Bewilligungsverfahrens nach AtG von einer besonderen Kommission (eidg. Kühlturmkommission) geprüft, welche hiezu zusätzliche Experten beigezogen und Fachausschüsse gebildet hat (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes S. 26-31). Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichtes, welches in den erwähnten Fragen dem Kanton eine selbständige Prüfungsbefugnis zuerkannt hat, kann nicht beigepflichtet werden. Den Beschwerdeführern hilft dies jedoch nichts. Soweit sie das Urteil des Verwaltungsgerichtes anfechten mit der Begründung, es seien kantonale oder kommunale Vorschriften über Immissionsbeschränkungen missachtet bzw. die zu erwartenden Lärmimmissionen und meteorologischen Auswirkungen ungenügend abgeklärt worden, vermag ihre Beschwerde schon deshalb nicht durchzudringen, weil diese Fragen im kantonalen Baubewilligungsverfahren gar nicht zu prüfen waren. Auch der Einwand der Beschwerdeführer, die Inkaufnahme der betreffenden Immissionen beruhe auf einer unrichtigen Interessenabwägung, kann dementsprechend in diesem staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht gehört werden.
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6. Ob und wieweit die Kantone durch Art. 24quinquies BV und das Atomenergiegesetz in ihrer Baupolizeihoheit noch in ![]() | 25 |
a) In der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Dimensionen der beiden geplanten Kühltürme - 115 m Höhe und 92 m Basisdurchmesser - mit den für die Industriezone geltenden kommunalen Normen in Widerspruch stünden. Vorschriften über die Abmessungen einer Baute können zwar auch dazu dienen, die Interessen der Nachbarn zu wahren, indem sie zum Beispiel verhindern, dass den umliegenden Grundstücken in übermässiger Weise Licht entzogen wird. Im vorliegenden Fall ist aber nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, inwiefern einer der Beschwerdeführer durch eine allfällige Überschreitung des nach der Zonenordnung zulässigen Baukubus einen rechtserheblichen Nachteil erleiden könnte. Auch die beiden in der näheren Umgebung des Kraftwerkes befindlichen Grundstücke der Beschwerdeführer Künzli und Waltert sind nicht so gelegen, dass ihnen durch die Erstellung der Kühltürme in nennenswertem Ausmass Licht entzogen würde. Die Beschwerdeführer fallen demnach nicht in den Schutzbereich der Vorschriften über Höhe und Kubatur der Bauten, weshalb sie in dieser Frage nicht zur Beschwerde legitimiert sind. Selbst wenn man die Beschwerdebefugnis wenigstens für die beiden nahe gelegenen Grundstücke bejahen und davon ausgehen wollte, dass die angerufenen Zonenvorschriften auch für Atomkraftwerke vollumfänglich anwendbar seien, vermöchte die Beschwerde nicht durchzudringen. § 37 der Bauordnung von Kaiseraugst und § 10 Ziff. 3 der dazugehörigen Zonenordnung enthalten keine positive Vorschrift über die in der Industriezone zulässige Bauweise, sondern übertragen es dem Gemeinderat, die maximale Gebäudehöhe sowie die einzuhaltenden Grenz- und Gebäudeabstände unter Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen von Fall zu Fall festzulegen. In den vom Gemeinderat Kaiseraugst am 3. Mai 1971 erlassenen "Richtlinien" wird die "normal zulässige" Gebäudehöhe auf 20 bzw. 40 m festgelegt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass diese Grenzen überschritten werden können, wenn dies für den Betrieb unerlässlich ist (Ziff. 6). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, hat sich die Anwendung dieser Richtlinien im Rahmen des Ermessensspielraumes zu halten, den die Zonenordnung ![]() | 26 |
b) Die Beschwerdeführer rügen weiter, dass die beiden geplanten Kühltürme den aus dem kantonalen und kommunalen Recht sich ergebenden Anforderungen an die Baustatik nicht entsprächen. Diese Rüge wurde vor Verwaltungsgericht nicht erhoben und ist schon aus diesem Grunde unzulässig. Zudem ist fraglich, wieweit diese Vorschriften überhaupt anwendbar sind (vgl. Ziff. 5 der Erwägungen). Doch ist dies ohne Belang, da die Beschwerdeführer gar nicht behaupten, dass die geplanten Kühltürme einsturzgefährdet seien und ihnen bzw. ihren Grundstücken dadurch eine Gefahr drohe.
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c) Schliesslich behaupten die Beschwerdeführer, dass das Kernkraftprojekt gegen kantonale und kommunale Vorschriften über den Natur- und Heimatschutz verstosse. Auch dieser Einwand ist offensichtlich unbehelflich. Die Vorschriften über die ästhetische Eingliederung der Bauten in das Orts- und Landschaftsbild haben keine nachbarschützende Funktion, sondern dienen den Interessen der Allgemeinheit, weshalb der Nachbar - zumindest im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren - in dieser Frage nicht legitimiert ist (vgl. IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 4. A., Bd. II, Nr. 632, S. 678). Wieweit die Belange des Natur- und Heimatschutzes im kantonalen Baubewilligungsverfahren überhaupt noch zu prüfen waren, kann offen bleiben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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