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8. Urteil vom 13. März 1974 i.S. Küng und Stierli gegen Regierungsrat des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 4 BV; Verordnung über die Schiffahrt auf dem Sempachersee. |
2. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (E. 1b). |
3. Das Verbot, Kajütboote mit über 5,5 m Länge oder Wasserfahrzeuge mit Wohn- und Schlafeinrichtungen auf dem Sempachersee in Verkehr zu bringen oder zu stationieren, verstösst nicht gegen Art. 4 BV (E. 2 und 3). | |
Sachverhalt | |
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A.- Am 26. März 1973 erliess der Regierungsrat des Kantons Luzern gestützt auf § 2 des kantonalen Gesetzes über die Wasserrechte vom 2. März 1875 und § 99 des EG zum ZGB sowie Art. 9 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni 1972 eine neue "Verordnung über die Schiffahrt auf dem Sempachersee" (VO), welche seit dem ![]() | 2 |
§ 16 VO schliesslich bestimmt unter dem Marginale "Wasserfahrzeuge mit Wohn- und Schlafeinrichtungen, Kajütboote" folgendes:
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"Es ist verboten, Kajütboote mit über 5,5 m Länge oder Wasserfahrzeuge mit Wohn- und Schlafeinrichtungen auf dem Sempachersee in Verkehr zu bringen oder zu stationieren.
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Die Betriebsbewilligungen derartiger Boote werden nicht mehr erneuert. Sie dürfen längstens bis zum Ablauf der gegenwärtigen Betriebsbewilligung auf dem See verkehren und sind nachher von ihren Standplätzen zu entfernen."
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B.- Josef Küng und Josef Stierli, welche beide auf dem Sempachersee ein Boot besitzen, führen innert 30 Tagen seit der amtlichen Publikation der Verordnung staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Sie stellen den Antrag, § 16 VO sei aufzuheben, soweit er das Inverkehrbringen oder Stationieren von Kajütbooten mit über 5,5 m Länge verbiete. Zur Begründung wird geltend gemacht, dieses Verbot sei sinn- und zwecklos und daher willkürlich.
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C.- Das Militär- und Polizeidepartement des Kantons Luzern beantragt im Namen des Regierungsrates Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Gemäss Art. 84 Abs. 1 OG können sowohl kantonale Verfügungen (Entscheide) als auch allgemeinverbindliche kantonale Erlasse mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, wobei aber dieses Rechtsmittel entsprechend seinem subsidiären Charakter nur zulässig ist, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerugt ![]() | 8 |
b) Wieweit die beiden Beschwerdeführer durch die angefochtene Vorschrift der Verordnung schon heute betroffen sind, kann dahingestellt bleiben. Zur Anfechtung eines allgemeinverbindlichen Erlasses ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichnete Vorschrift künftig einmal angewendet werden könnte; es genügt ein virtuelles Betroffensein (BGE 99 Ia 396 E. 1a mit Hinweisen), und diese Voraussetzung trifft hier klarerweise zu. Auf die staatsrechliche Beschwerde ist daher einzutreten.
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Art. 4 BV ist auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung von Bedeutung. Ein gesetzgeberischer Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist, verletzt den in Art. 4 BV enthaltenen Grundsatz der Rechtsgleichheit (BGE 97 I 801, 782 E. 2 c, mit Hinweisen; BGE 99 Ia 158).
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§ 16 Abs. 1 VO verbietet zwei Kategorien von Booten. Allgemein untersagt sind zunächst "Wasserfahrzeuge mit Wohn- und Schlafeinrichtungen". Dieses Verbot ist hier nicht angefochten. Art. 16 Abs. 1 VO verbietet darüber hinaus aber auch "Kajütboote ![]() | 12 |
b) Der Regierungsrat hält angesichts der Tendenz in der Bevölkerung zu immer mehr und immer grösseren Booten auf dem verhältnismässig kleinen Sempachersee nicht nur eine zahlenmässige Limitierung der Boote für nötig, sondern auch eine Grössenbeschränkung für Kajütboote, beides im Interesse der Lärmbekämpfung, des Natur- und Heimatschutzes, der Erhaltung des Sees als Erholungsgebiet und der Fischerei. Die Zahl der Motorboote, einschliesslich der motorisierten Segelboote, wird auf 400 limitiert (§ 14). Für die nichtmotorisierten Boote ist an sich eine zahlenmässige Beschränkung nicht vorgesehen; die Verordnung strebt aber auch hier eine Limitierung an, indem sie u.a. für Kajütboote eine Maximallänge festlegt. Dieses Mittel ist nicht sinnlos oder unvernünftig. Mancher, der ein grösseres Boot in Betrieb setzen würde, verzichtet auf dem Sempachersee auf ein Boot überhaupt, wenn die höchstzulässige Grösse ihm zu gering erscheint. Es entbehrt auch nicht des sachlichen Grundes, von einem kleinen See die grösseren Boote fernzuhalten, die Selektion also zugunsten der kleineren Boote vorzunehmen.
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c) Die Verordnung, insbesondere auch die angefochtene Bestimmung, will sodann der Reinhaltung bzw. Sanierung des Seewassers dienen. Es ist keine Frage und wird von den Beschwerdeführern anerkannt, dass es sich bei diesem auch von der Bundesgesetzgebung geschützten Rechtsgut um ein solches von primärer Bedeutung handelt. Das Wasser des Sempachersees im speziellen, das einigen Gemeinden als Trinkwasserreservoir dient, ist - wie auch die Beschwerdeführer gelten lassen - gefährdet. Es lässt sich nun nicht leugnen, dass ein Verbot grösserer Boote auch dem Schutz des Seewassers dient. Grössere Boote erlauben und erleichtern längeres Verweilen, Wohnen und Schlafen. Der Regierungsrat legt drastisch dar, dass nicht nur die Motorboote das Seewasser mit Öl, Benzin, Russ etc. gefährden, sondern dass auch zum Wohnen geeignete Boote das Wasser verschmutzen mit all jenen Abgängen, die durch längeres menschliches Verweilen entstehen. Es war daher keineswegs sinnlos, Boote mit Wohn- und Schlafeinrichtungen zu verbieten; die Beschwerdeführer anerkennen dies.
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e) Die Beschwerdeführer wenden ein, die Längenbegrenzung sei nicht mehr nötig, nachdem Boote mit Wohn- und Schlafeinrichtungen ohnehin schon durch § 16 VO verboten sind. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die durch die Längenbegrenzung beabsichtigte Bootsraumbeschränkung diejenigen grösseren Kajütboote erfassen will, die keine feste und ständige Inneneinrichtung zu Wohn- und Schlafzwecken aufweisen. Die Ergänzung ist sinnvoll. Denn diese Boote können unschwer mit transportablem Inventar (Luftmatratzen, Camping-Utensilien usw.) bewohnbar gemacht und nachher wieder abgeräumt werden. Dadurch aber würde der Zweck der Verordnung vereitelt. Eine polizeiliche Kontrolle, ob ein Boot faktisch zu Wohn- oder Schlafzwecken benutzt wird, wäre praktisch nicht durchführbar.
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f) Die Beschwerdeführer wenden schliesslich ein, das Verbot sei deshalb rechtsungleich und ungerecht, weil es grosse Boote ohne Kajüte nicht erfasst. Der Regierungsrat weist demgegenüber darauf hin, dass es auf dem Sempachersee zwar einige offene Boote gebe, welche die Länge von 5,5 m überschreiten; sie eigneten sich aber mangels einer Kabine nicht zu Wohn- und Schlafzwecken. Die Verordnung habe daher nicht die Länge der Boote schlechthin begrenzen wollen. - Die Ungleichbehandlung ist somit nicht unsachgemäss und sinnlos. Sie lässt sich vernünftig damit begründen, dass offene Boote eben wegen ihres Mangels an Wetterschutz nicht zu längerem Verweilen und damit zur Seeverschmutzung geeignet sind.
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3. Es kann danach nicht mit Recht gesagt werden, die angefochtene Bestimmung könne sich auf keine ernsthaften sachlichen Gründe stützen oder sie treffe Unterscheidungen, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist. Die Rüge der Willkür und der rechtsungleichen ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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