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47. Urteil vom 11. Dezember 1974 i.S. Heer gegen den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Beamtenrecht; Gewaltentrennung, Rechtsgleichheit. |
Kein Anspruch auf absolute Rechtsgleichheit (E.4b). |
Teuerungsanpassung durch monatliche Ausgleichung verbunden mit jährlich einmaliger Nachzahlung; der Anspruch auf Nachzahlung kann jedenfalls davon abhängig gemacht werden, dass der Beamte am Ende des für die Berechnung derselben massgeblichen Zeitabschnitts noch im Dienst steht (E. 4d). |
Die Treueprämie weist die gleichen Merkmale auf wie die Gratifikation, weshalb sie an die Voraussetzung geknüpft werden kann, dass der Beamte am Jahresende noch im Staatsdienst steht (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Am 19. Oktober 1970 erliess der Landrat den Beschluss betreffend die Ausrichtung einer Treueprämie in Form einer Weihnachtszulage an das Staatspersonal.
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Der Landratsbeschluss vom 9. Januar 1969 wurde in der Folge durch den Landratsbeschluss vom 15. Juni 1972 ersetzt. Hinsichtlich der Treueprämie verweist der neue Beschluss in § 12 auf jenen vom 19. Oktober 1970. § 13 regelt die Teuerungszulagen. Er übernimmt wörtlich den § 10 des Beschlusses von 1969. Sein Absatz 2 lit. b lautet:
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"Im Dezember jeden Jahres wird die im Jahresdurchschnitt fortgeschrittene Teuerung durch eine Nachzahlung ausgeglichen. Diese wird errechnet aufgrund des Durchschnittes der Monatsindices vom November des Vorjahres bis und mit Oktober des laufenden Jahres im Verhältnis zur Indexbasis der Gehaltszahlung des laufenden Jahres. Differenzen unter einem halben Prozent werden nicht ausgeglichen.
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Die Nachzahlung wird nur ausgerichtet, wenn das Dienstverhältnis Ende Dezember des betreffenden Jahres noch besteht."
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B.- Am 30. September 1972 trat Peter Heer nach mehr als zweijähriger Tätigkeit aus den Diensten des Kantons Basel-Land ![]() | 6 |
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde verlangt Heer gestützt auf Art. 4 und 22ter BV und §§ 11 und 18 Ziff. 4 KV die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheides vom 5. Dezember 1973. Das Bundesgericht hat sie abgewiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Frist zur Anfechtung der beiden Beschlüsse ist zwar längst abgelaufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Verfassungswidrigkeit einer allgemeinen Norm jedoch noch im Anschluss an eine darauf gestützte Anwendungsverfügung gerügt werden. Erweist sich dieser Vorwurf als begründet, so führt dies freilich nicht zur Aufhebung der angefochtenen Vorschrift, sondern bloss zur Kassation des angefochtenen Entscheides (BGE 98 Ia 164 mit Verweis).
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2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid bedeute eine Verletzung wohlerworbener Rechte und somit der Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV). Auf die Garantie wohlerworbener Besoldungsrechte des Beamten kann sich der Beschwerdeführer nach der bundesgerichtlichen ![]() | 10 |
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a) Das Besoldungsgesetz enthält nur Vorschriften sehr allgemeiner Art über die Beamtenbesoldung. Es regelt die Besoldung der Beamten nicht unmittelbar. Auch die Voraussetzungen und Höhe der Zulagen umschreibt es mit Ausnahme der Dienstalterszulage und dem Dienstaltersgeschenk (§§ 29 und 34) nicht näher. Es kennt die Treueprämie in Form einer Weihnachtszulage nicht; es stellt zwar das Prinzip der Anpassung von Besoldungen und Zulagen an die Lebenshaltungskosten auf (§ 26), doch sagt es nichts darüber, wie die Anpassung zu erfolgen hat.
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Die §§ 26 und 73 Abs. 2 BG beauftragen den Landrat ausdrücklich, ![]() | 13 |
b) Zu Recht behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass diese Bestimmungen eine unzulässige Gesetzesdelegation enthalten und verfassungswidrig seien; denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt § 18 Ziff. 4 KV, der dem Landrat die Befugnis zum "Erlass der zur Einführung und Vollziehung von eidgenössischen oder kantonalen Gesetzen erforderlichen Verordnungen" einräumt und bestimmt, dass diese Erlasse "niemals veränderte oder neue Bestimmungen über die Hauptsache enthalten dürfen", innerhalb der vom Gesetzgeber festgesetzten Schranken eine umfassende Gesetzesdelegation an das kantonale Parlament zu (BGE 99 Ia 544). Die Frage, ob der Landrat das Gewaltentrennungsprinzip verletzt hat, hängt somit einzig davon ab, ob er die ihm eingeräumte Kompetenz dadurch missbraucht hat, dass er den Anspruch auf Teuerungsnachzahlung und Weihnachtszulage in seinen Beschlüssen von 1970 und 1972 an die Voraussetzung geknüpft hat, dass der Beamte nicht vor dem 1. Oktober aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist.
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c) Im Beschluss von 1972 setzte der Landrat fest, dass sich die Anpassung der Besoldung nach dem vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit errechneten Index der Konsumentenpreise richtet. Sie erfolgt in zweifacher Hinsicht: Erstens wird monatlich eine aufgrund des Indexstandes des vergangenen Monats Oktober festgesetzte Teuerungszulage ausgerichtet. Zweitens wird zusätzlich im Dezember jeden Jahres die im Jahresdurchschnitt fortgeschrittene Teuerung durch eine Nachzahlung ausgeglichen. Diese wird errechnet aufgrund des Durchschnittes der Monatsindices vom November des Vorjahres bis und mit Oktober des laufenden Jahres im Verhältnis zur Indexbasis der Gehaltszahlung des laufenden Jahres (§ 13 Abs. 2 lit. a und b).
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§ 26 Abs. 3 BG, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, schreibt nicht vor, dass die Anpassung an die Lebenskosten automatisch zu erfolgen habe und allen Indexschwankungen Rechnung tragen müsse. Das darin zum Ausdruck gebrachte Prinzip lässt sich nicht ohne weiteres direkt anwenden, sondern ![]() | 16 |
d) Hinsichtlich der Treueprämie oder Weihnachtszulage, die den Beamten aufgrund des Beschlusses vom 19. Oktober 1970 entrichtet wird, sieht das Besoldungsgesetz überhaupt nichts vor. Es lässt sich somit auch nicht sagen, der Landrat habe, indem er die Voraussetzungen für diese Zulage im Beschluss, der sie einführt, festlegte, seine Befugnis überschritten und das Prinzip der Gewaltentrennung verletzt.
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4. Der Beschwerdeführer macht geltend, § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 und § 4 des LB von 1970 verstossen gegen die Rechtsgleichheit. Die Rechtsungleichheit liegt seiner Ansicht nach darin, dass ein Beamter, der auf Ende Jahr die Staatsdienste verlässt, Anspruch auf die volle Teuerungsnachzahlung und eine seinen Dienstjahren entsprechende Weihnachtszulage hat, während derjenige, der im Laufe des Jahres austritt, die erwähnten Zulagen nicht erhält. Dadurch erleide er eine Erwerbseinbusse und dies, obwohl er während der Dauer ![]() | 18 |
a) Vorerst ist festzuhalten, dass die Landratsbeschlüsse in grundsätzlicher Weise die Voraussetzungen für die Teuerungsnachzahlung und Weihnachtszulage umschreiben und bestimmen, wer Anspruch auf sie hat, nämlich alle Staatsangestellten, die am Jahresende noch im Dienste des Kantons stehen. Im gleichen Zeitpunkt austretende Beamte werden gleich behandelt. Hingegen wird ein Unterschied gemacht zwischen Beamten mit Bezug auf ihr Austrittsdatum.
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b) Art. 4 BV gewährleistet keine absolute Rechtsgleichheit. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verletzt ein eine rechtsungleiche Behandlung begründender Erlass Art. 4 BV dann, wenn er zwischen mehreren zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen rechtliche Unterscheidungen trifft, die sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lassen und für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist, oder wenn er tatsächliche Verhältnisse gleich behandelt, die voneinander wesentlich abweichen und einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen (BGE 89 I 35 mit Verweisungen). Die vertretbare rechtliche Differenzierung hat danach an einen erheblichen tatsächlichen Unterschied zu knüpfen. Ob ein Unterschied erheblich ist, beurteilt sich im Einklang mit den beherrschenden Prinzipien der Rechtsordnung und je in Hinblick auf die konkrete zu bewältigende Situation. Diese kann gebieten, einfachheitshalber nach einem abstrakten, technischen Kriterium - beispielsweise nach dem Ort oder nach der Zeit - zu differenzieren, das den Unterschieden in der Mehrzahl der Fälle entspricht, aber Grenzfällen nicht gerecht zu werden vermag (VEB 1961 S. 29). Eine willkürliche Differenzierung braucht deswegen noch nicht vorzuliegen. Dort, wo sich die Vereinfachung in Anbetracht der zahllosen unterschiedlichen Gegebenheiten aufdrängt und die unterschiedliche Behandlung nicht zu unbilligen Resultaten führt, lässt sich jedenfalls nicht ![]() | 20 |
So sehen wohl die meisten Besoldungserlasse vor, dass das Datum der Pensionierung der Beamten nicht ihrem tatsächlichen Alter entspricht, sondern demjenigen, das sie während der Dauer des Kalenderjahres erreichen, auf dessen Ende sie in den Ruhestand treten. In diesem Zusammenhang bestimmt § 43 BG, dass der Beamte das laufende Kalenderjahr, in dem er das 65. Altersjahr vollendet, beenden kann. Dass die Beamten, die am 1. Januar geboren sind, bis zum 66. Altersjahr im Dienst bleiben können, während jene, die am 31. Dezember geboren sind, an dem Tag in den Ruhestand treten müssen, an dem sie ihr 65. Altersjahr erreicht haben, bedeutet zweifellos eine Ungleichheit. Doch lässt sich diese Ungleichheit aus technischen und praktischen Gründen rechtfertigen. Es liegt ihr keine willkürliche Differenzierung zu Grunde. Ähnliche Probleme stellen sich im Steuerrecht. Die Progression verläuft nicht gleichmässig, sondern stufenweise. Innerhalb einer Klasse gilt ein und der gleiche Ansatz; nach diesem werden die der entsprechenden Klasse zugeordneten Steuersubjekte veranlagt, ohne dass innerhalb ein und derselben Klasse unterschieden würde, ob das zu besteuernde Vermögen oder Einkommen näher beim Minimum oder Maximum der Klasse liegt.
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c) Das Verwaltungsgericht hat die Gründe, weshalb der Teuerungsausgleich auf die in § 13 Abs. 2 lit. a und b des LB von 1972 geregelte Weise vorgenommen wird, eingehend dargelegt. Für die Ermittlung des Landesindexes der Konsumentenpreise ist eine gewisse Zeit erforderlich, so dass sich die Teuerungszulage erst im Verlauf des Monats November festlegen lässt. Darauf muss der Regierungsrat den Landrat entsprechend orientieren (§ 13 Abs. 3). Erst dann kann die Staatskasse zur Berechnung der Besoldung jedes Angestellten, welche eine Neuprogrammierung des Computers bedingt, schreiten. Im Januar des folgenden Jahres erfolgt die Lohnauszahlung nach den neuen Ansätzen. Es wäre technisch nicht möglich, jeden Monat die Teuerung neu zu ermitteln. Im übrigen würde dies bedeuten, dass auch Indexsenkungen zu berücksichtigen wären, und hätte die nachteilige Folge, dass der Arbeitnehmer nie genau wüsste, mit welchem Verdienst er im nächsten Monat rechnen könnte. Es könne der Verwaltung ![]() | 22 |
d) Das System der Verbindung monatlicher Ausgleichung mit einer jährlich einmaligen Nachzahlung ist keineswegs ungebräuchlich. Auch der Bund kennt es und knüpft den Anspruch auf die einmalige Zulage an die Voraussetzung, dass der Beamte am 1. Oktober oder an einem folgenden Tag des betreffenden Jahres im Bundesdienst steht (Bundesbeschluss über die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Bundespersonal in den Jahren 1969-1972, vom 10. Oktober 1969, SR 172.221.153.1; für die Jahre 1973 und 1974 SR 172.221.153.0). Diese Regelung beruht auf folgenden, in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Bundespersonal für die Jahre 1965 bis 1968 (BBl II 756) zum Ausdruck gebrachten Überlegungen:
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"Nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlussesentwurfes haben nur Beamte und Rentner, die am 1. Oktober 1965 im Genuss von Besoldung oder Rente stehen, Anspruch auf die Zulage. Keinen Anspruch haben also die vor diesem Zeitpunkt aus andern Gründen als Invalidität, Alter oder Tod ausgeschiedenen Beamten sowie die Rentner, die gestorben sind, ohne rentenberechtigte Angehörige zu hinterlassen. Durch eine solche in allen beamtenrechtlichen Erlassen der letzten Jahre enthaltene Einschränkung lassen sich administrative Umtriebe vermeiden, und es bleibt dem Bund erspart, Personen eine Teuerungszulage nachzuzahlen, zu denen er keine Beziehung mehr hat."
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Die Lösung des Bundes ist hinsichtlich der Beamten, die nach dem 30. September austreten, zweifellos etwas grosszügiger als die des Kantons Basel-Land, insofern nämlich, als sie den Anspruch auf die Teuerungsnachzahlung allen Beamten gewährt, die am 1. Oktober im Dienst stehen. Doch ist dieser Unterschied im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, da der Beschwerdeführer nicht nach dem 1. Oktober ausgetreten ist. Wesentlich ist indes, dass auch der Bund als Arbeitgeber denjenigen keinen Anspruch auf Teuerungsnachzahlung gewährt, die vor dem 1. Oktober aus seinen Diensten ausgeschieden sind.
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Der Regierungsrat des Kantons Basel-Land weist in seiner Vernehmlassung vor allem darauf hin, dass in der Teuerungsnachzahlung eine Treueprämie zu erblicken sei; dies sei der Grund, weshalb sie den Beamten vorbehalten sei, die Ende Jahr noch im Dienst stünden. Inwieweit der Kanton unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit die Teuerungsnachzahlung als Treueprämie verstehen und ob er sie Beamten, die Anfang Dezember austreten, vorenthalten darf, kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
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a) Auch hier behauptet der Beschwerdeführer eine unzulässige Rechtsungleichheit. Er gibt zwar zu, dass in der Privatwirtschaft grundsätzlich nur die Arbeitnehmer Anspruch auf eine Gratifikation haben, die Ende Jahr noch im Unternehmen tätig sind und deren Vertrag ungekündigt ist. Aber er bestreitet, dass es hier um eine Gratifikation geht. Seiner Ansicht nach handelt es sich vielmehr um einen integrierenden Bestandteil der Besoldung, einen Teil des 13. Monatslohnes. Seine diesbezügliche Behauptung begründet er damit, dass die Gratifikation regelmässig vom Geschäftsergebnis abhängig ist.
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b) Die Gratifikation ist in Art. 322 d OR geregelt. Danach ist sie eine Sondervergütung, die der Arbeitgeber bei bestimmten Anlässen, wie Weihnachten oder Abschluss des Geschäftsjahres gewährt. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer,. dessen Arbeitsverhältnis endigt, bevor der Anlass zu ihrer Ausrichtung eingetreten ist, nur dann Anspruch auf einen verhältnismässigen Teil davon, wenn es vereinbart ist.
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6. Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Lösung des Kantons Basel-Land verletze Art. 4 BV insofern, als sie das Kündigungsrecht beschränke, indem der Beamte, der im Laufe des Jahres aus dem Staatsdienst austreten möchte, eine finanzielle Einbusse erleide. Dieser Einwand entbehrt jeglicher Grundlage. Das Kündigungsrecht wird durch die Bestimmung über die Teuerungszulage und Treueprämie in keiner Weise beeinträchtigt. Der Beamte kann seinen Wunsch, den Staatsdienst zu verlassen, unter Beobachtung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten jederzeit verwirklichen (§ 42 BG). Die finanziellen Folgen, die eine während des Kalenderjahres erfolgte Kündigung zeitigt, bedeuten, wie oben dargetan, keine unzulässige Rechtsungleichheit.
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