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51. Urteil vom 30. Oktober 1974 i.S. Dr. X. gegen Anwaltskammer des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 4 und 31 BV; Disziplinarrecht des Anwaltes. |
Missachtung dieses Grundsatzes, wenn gegenüber einem Anwalt, der wegen Urkundenfälschung zu vier Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt wurde, allein auf Grund dieses Strafurteils die schwerste Disziplinarmassnahme der dauernden Einstellung in der Berufsausübung angeordnet wird (E. 3 u. 4). | |
Sachverhalt | |
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Auf Grund dieses Sachverhalts wurde Dr. X. am 30. November 1973 vom Obergericht des Kantons Luzern wegen Urkundenfälschung und Anstiftung dazu zu sechs Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt. Nachdem der Kassationshof des Bundesgerichts eine hiergegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Dr. X. teilweise gutgeheissen hatte, erklärte das Obergericht mit Urteil vom 1. April 1974 Dr. X. schuldig der Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB (Falschbeurkundung) und bestrafte ihn mit vier Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf eine erneute Nichtigkeitsbeschwerde des Dr. X. trat der Kassationshof des Bundesgerichts am 30. April 1974 nicht ein.
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B.- Nachdem das Urteil des Obergerichts vom 1. April 1974 rechtskräftig geworden war, nahm die Anwaltskammer das von Frau C. gegen Dr. X. angestrengte Beschwerdeverfahren und das auf Grund desselben von Amtes wegen angehobene Disziplinarverfahren gegen Dr. X. wieder auf. Während der Beschwerde der Frau C. keine Folge gegeben wurde, stellte die Anwaltskammer mit Disziplinarentscheid vom 9. Juli 1974 Dr. X. in seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt im Kanton Luzern dauernd ein.
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C.- Gegen diesen Entscheid führt Dr. X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 31 BV. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach § 22 lit. e ZPO darf ein Richter an der Verhandlung und Beurteilung eines Rechtsfalles nicht teilnehmen "in Sachen, in welchen er in einer untern Instanz bereits geurteilt hat oder in der er als Sachverständiger tätig war". Dass Oberrichter Dr. Hübscher sowohl die II. Strafkammer, die den Beschwerdeführer strafrechtlich verurteilte, wie auch die Anwaltskammer, welche den Beschwerdeführer disziplinarisch bestrafte, präsidiert hat, verstiess jedoch nicht gegen diese Gesetzesbestimmung, denn die darin genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausstandsgrundes waren hier nicht gegeben. Obergericht und Anwaltskammer stehen nämlich zueinander nicht in dem für einen Ausstandsgrund gemäss § 22 lit. e ZPO erforderlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung; das Obergericht ist Rechtsmittelinstanz in Strafsachen, die Anwaltskammer dagegen selbständige staatliche Aufsichtsbehörde über die im Kanton Luzern praktizierenden Rechtsanwälte. Einer Mitwirkung Oberrichter Dr. Hübschers in beiden Verfahren stand demnach keine gesetzliche Vorschrift entgegen.
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Der Beschwerdeführer rügt, dass sich die Anwaltskammer im Disziplinarverfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf das Strafurteil des Obergerichts des Kantons Luzern stützte. mit welchem er wegen Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt wurde. Dieses Vorgehen ist indessen nicht zu beanstanden. Die Strafgerichte haben das Verhalten des Dr. X. in jeder Hinsicht gründlich abgeklärt. Das Strafurteil ist rechtskräftig, und wenn es die Anwaltskammer ihrem Entscheid zugrundelegte, hat sie damit nicht gegen Art. 4 BV verstossen (vgl. DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, ZSR 1951 S. 114 a; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 268). Der Beschwerdeführer tut nicht dar, inwiefern es geradezu unhaltbar wäre, dass die Anwaltskammer die vom Strafrichter beurteilten Tat- und Rechtsfragen gleich wie dieser würdigte (vgl. BGE 71 I 469).
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die dauernde Einstellung in der Berufsausübung als Rechtsanwalt stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu der ihm zur Last gelegten Tat. Disziplinarmassnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen (IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. 1 S. 221). Das Luzerner Anwaltsgesetz vom 1. Dezember 1931 (AG) sieht folgende Disziplinarmassnahmen vor: Verweis, Ordnungsbusse bis Fr. 500.-- (§ 13 Abs. 2 AG), zeitlich begrenzte oder dauernde Einstellung in der Berufsausübung (§ 15 Abs. 1 AG). Die Anwaltskammer hat die schwerste Disziplinarmassnahme ausgefällt. Wie im Disziplinarrecht der Beamten soll auch in jenem der Anwälte die strengste Massnahme, d.h. die dauernde Einstellung in der Berufsausübung, ohne vorangehende Warnung nur ausnahmsweise angeordnet werden, nämlich dann, wenn die Verfehlung so schwerwiegend ist, dass sie eine Mentalität aufzeigt. die mit der Eigenschaft eines Anwalts schlechthin unvereinbar ist (vgl. BGE 81 I 249).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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