![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
52. Auszug aus dem Urteil vom 18. September 1974 i.S. Steimen und Imfeld gegen Landsgemeinde Obwalden. | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG. Abstimmungsverfahren an Landsgemeinden. | |
![]() | |
5. Die Beschwerdeführer fechten die Feststellung der Ja- und Neinstimmen bei der fraglichen Landsgemeindeabstimmung ![]() | 1 |
a) An den Landsgemeinden gilt grundsätzlich, dass Abstimmungen offen durch Handmehr erfolgen (GIACOMETTI, Staatsrecht der schweizerischen Kantone S. 254 f.; Nidwalden, Gesetz über die Organisation und das Verfahren der gesetzgebenden und vollziehenden kantonalen Gewalten vom 30. April 1967, Art. 19 Abs. 1; Glarus, Art. 34 KV; Appenzell A.Rh., Art. 45 Abs. 4 KV; Appenzell I.Rh., Verordnung betr. die Landsgemeinde und die Gemeindeversammlungen vom 21. November 1924, Art. 16).
| 2 |
Die Ermittlung des Stimmenverhältnisses geschieht in erster Linie durch Abschätzen, wie das Art. 15 der Landsgemeindeverordnung von 1895 vorsieht (GIACOMETTI, a.a.O. S. 256). Im Kanton Glarus ist dies die einzige Art der Ermittlung des Stimmverhältnisses; die Abschätzung erfolgt dort durch den Vorsitzenden, in zweifelhaften Fällen unter Beizug von vier Mitgliedern des Regierungsrates; der Entscheid ist endgültig (Art. 34 Abs. 3 und 4 KV; STAUFFACHER, Die Versammlungsdemokratie im Kanton Glarus, Diss. 1962, S. 311 f.). In gleicher Weise kennt der Kanton Appenzell A.Rh. (Art. 45 KV) nur die Abschätzung durch den Geschäftsführer, eventuell mit Beizug der Regierungsmitglieder und von Mitgliedern des Kantonsrates. Die übrigen Landsgemeindekantone sehen unter bestimmten Voraussetzungen die Auszählung vor, so neben Obwalden (Art. 16 LGV 1895, Art. 3 LGV 1918) auch Nidwalden nach drittem ergebnislosem Handmehr (Art. 20 Organisationsgesetz) und Appenzell I.Rh., sofern die Mehrheit durch Abschätzung nicht festgestellt werden kann (Art. 16 Abs. 2 der Landsgemeindeverordnung).
| 3 |
b) Die an den Landsgemeinden vorgeschriebene Art und Weise der Ermittlung der Abstimmungsergebnisse (Handmehr und Abschätzung), die durch die Natur der gegebenen Verhältnisse nahegelegt sind, gewähren offensichtlich weniger grosse Garantien für eine unverfälschte Ermittlung des Volkswillens ![]() | 4 |
c) Auch die Feststellung des Stimmenverhältnisses durch Abschätzung rügen sie zwar als ungeeignet, doch nicht verfassungswidrig; sie behaupten lediglich, diese habe an der Landsgemeinde vom 28. April 1974 zu einer unrichtigen Ermittlung des Stimmenverhältnisses geführt. Es besteht auch kein zwingender Anlass, die Abschätzung als mit Bundesrecht unvereinbar zu erklären; sie ist an sich nicht ungeeignet, zur Ermittlung des richtigen Verhältnisses zwischen Ja- und Neinstimmen zu führen. In den meisten Fällen wird sich durch Schätzung ohne weiteres das Stimmenverhältnis wenn auch nicht zahlenmässig genau, so doch eindeutig genug feststellen lassen. In den Zweifelsfällen ist allerdings eine grosse Sorgfalt der das Mehr feststellenden Behörde erforderlich, damit es nicht zu Fehlschätzungen kommt, besonders da in keinem Landsgemeindekanton jeder Bürger von sich aus die Durchführung der Zählung verlangen oder erzwingen kann. Die Anordnung der Zählung - auch in jenen Kantonen, die eine solche kennen - setzt immer voraus, dass die feststellende Behörde Zweifel am Abstimmungsausgang hat; das trifft auch in Obwalden zu, wo bereits nach dem ersten Abstimmungsgang die Abzählung verlangt werden kann (Art. 3 Abs. 2 LGV 1918). Sie setzt voraus, dass die Behörde nicht schon im ersten Abstimmungsgang aufgrund ihrer Schätzung die Vorlage als angenommen oder verworfen erklärt; ausserdem ist erst noch eine Abstimmung darüber erforderlich, ob gezählt ![]() | 5 |
d) Da die Beschwerdeführer den Abstimmungsmodus nicht angefochten haben, haben sie den Nachweis zu leisten, dass die Abstimmungsermittlung an einem Mangel leidet. Sie behaupten aber nicht, dass der Leiter der Landsgemeinde die fragliche Vorlage als angenommen erklärte, obwohl die Dreiviertelsmehrheit unter den Stimmenzählern nicht erreicht war. Dagegen behaupten sie, dass die Schätzung offenbar nicht richtig erfolgt sei. Sie berufen sich dafür auf zahlreiche Zeugen sowie eventuell auf Aufnahmen, die für das Fernsehen gemacht wurden, und auf die schriftlichen Erklärungen zahlreicher Bürger.
| 6 |
Den Beweisanträgen der Beschwerdeführer ist nicht stattzugeben, weil sie untauglich sind, um ihre Behauptungen zu erhärten. Die angerufenen Zeugen können nur ihre subjektive Auffassung über das Stimmenverhältnis bekanntgeben. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass unbeteiligte Zuschauer an grossen Veranstaltungen sich häufig über das Stimmenverhältnis bei offenen Abstimmungen täuschen. Die Teilnehmer selbst unterliegen häufig ebenfalls Täuschungen, weil sie eben - vor allem bei grossen Versammlungen - nur die nächste Umgebung einigermassen sicher überblicken können. So wären ihre Aussagen selber mit einem grossen Unsicherheitsfaktor belastet. Zweifellos könnte der Regierungsrat ebenso viele Zeugen nennen, die dafür einträten, dass die Vorlage angenommen worden sei. Das Protokoll der Landsgemeinde verzeichnet jedenfalls Beifall nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Beifallspendenden ihrerseits überzeugt waren, die Vorlage sei angenommen worden. Auch allfälliges Filmmaterial des Fernsehens wäre nicht geeignet, ein klares Bild über die Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Selbst wenn der Unterschied zwischen Ja- und Neinstimmen nur sehr knapp gewesen sein sollte, ergibt sich daraus kein Anspruch auf Nachzählung, wenn nicht dargetan ist, dass beim Zählen Fehler vorgekommen ![]() | 7 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |