BGE 101 Ia 17 | |||
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5. Auszug aus dem Urteil vom 13. Februar 1975 i.S. Schkölziger gegen Staatsanwaltschaft und Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Art. 4 BV; Akteneinsicht im Strafverfahren. | |
Aus den Erwägungen: | |
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"Erachtet die Staatsanwaltschaft den Zweck des Ermittlungsverfahrens
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als erreicht, so erstellt sie eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses
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und gibt dem Angeschuldigten und dessen Verteidiger Gelegenheit
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zur Einsicht in die Akten. Sie trifft dabei die erforderlichen
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Massnahmen zur Sicherung der Akten."
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Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die kantonalen Instanzen hätten diese Bestimmung unrichtig angewandt, sondern lediglich, diese sei an sich vor Art. 4 BV nicht haltbar. Diese Rüge ist im Anschluss an einen konkreten Anwendungsfall zweifellos zulässig.
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Der Grundsatz, dass dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger volle Akteneinsicht erst nach Abschluss eines Vorverfahrens, das den Sachverhalt genügend ermittelt hat, gewährt wird, findet sich nicht bloss im baselstädtischen Strafprozessrecht, sondern in vielen Prozessrechten des In- und Auslandes (vgl. BStP Art. 119, Bern Art. 95 f., Zürich § 17, Aargau § 132, Deutsche Strafprozessordnung § 147). Zumeist wird hier dem Angeschuldigten die Akteneinsicht erst gewährt, wenn die Voruntersuchung abgeschlossen ist oder nur, wenn der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird.
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Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht immer wieder festgehalten, dass die Interessen des um Akteneinsicht Ersuchenden den öffentlichen Interessen unterzuordnen sind (BGE 98 Ia 234 E. 5a); dies gilt auch für das Strafverfahren. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Akteneinsicht erst zu gewähren ist, wenn die Ermittlung abgeschlossen - deren Zweck also erreicht (§ 103 Basler StPO) - ist, kann schon deshalb nicht verfassungswidrig sein, weil sie keinen übermässigen Eingriff in die Verteidigungsrechte des Angeschuldigten darstellt. Dieser kann sich vor dem Richter in voller Aktenkenntnis verteidigen. Es kann also nie zu einer Verurteilung aufgrund von dem Angeklagten unbekannten Akten kommen. Der Ausschluss der Akteneinsicht während des Ermittlungsverfahrens begünstigt zudem zweifellos die Wahrheitsfindung und behindert den leugnenden Angeschuldigten. Ein Haftentlassungsgesuch setzt im übrigen nicht unbedingt Aktenkenntnis voraus; der Angeschuldigte ist dennoch in der Lage, seinem Verteidiger darzulegen, weshalb eine Haftverlängerung im Interesse der Untersuchung unnötig ist; er braucht dazu nicht zu wissen, wieviel die Untersuchungsbehörde von ihm schon weiss.
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