BGE 101 Ia 169 | |||
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30. Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1975 i.S. X gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 4 BV; rechtliches Gehör im Strafprozess. | |
Sachverhalt | |
A.- In Befolgung der ihm vom Bundesgericht mit Urteil vom 12. September 1974 erteilten Weisung sprach das Obergericht des Kantons Luzern X. am 21. Oktober 1974 der Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV schuldig und büsste ihn mit Fr. 20.--, weil er zugestandenermassen am 24. September 1973 seinen Personenwagen in Luzern näher als 5 m vor einer Querfahrbahn angehalten hatte, um Waren auszuladen.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X. Aufhebung des obergerichtlichen Urteils wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
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Obergericht und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Beschwerdeführer rügt keine Verletzung kantonaler prozessualer Vorschriften. Es stellt sich deshalb nur die Frage, ob die unmittelbar aus Art. 4 BV sich ergebenden Verfahrensregeln verletzt worden sind. Diese verfolgen im Strafprozess vor allem den Zweck, die Wahrheitsfindung und Verwirklichung des materiellen Strafrechts in einer Weise herbeizuführen, die den Angeschuldigten gegen die Gefahr staatlichen Machtmissbrauchs durch behördliche oder richterliche Willkür und gegen die Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte schützt. Zu den fundamentalen Verteidigungsrechten gehört der Anspruch des Angeschuldigten, den Entlastungsbeweis mit allen feststellungsbedürftigen, erheblichen und tauglichen Beweisen zu führen. Eine Beeinträchtigung dieses Anspruchs verletzt daher Art. 4 BV (BGE 92 I 261, BGE 95 I 4, BGE 96 I 620).
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Das Obergericht lehnte beides mit folgender Begründung ab: Das Bundesgericht habe nur das obergerichtliche Urteil und nicht das gesamte Appellationsverfahren aufgehoben. Es bestehe kein Anlass, die Appellationsverhandlung vom 13. Mai 1974 zu wiederholen. Vielmehr sei gestützt auf das bundesgerichtliche Urteil und die Aktenlage, wie sie dem Obergericht bei der erstmaligen Beurteilung vorgelegen habe, zu entscheiden. Aus der Tatsache, dass einzelne Parkfelder in der Stadt Luzern näher als 5 m zur Querfahrbahn eingezeichnet seien, habe der Angeklagte nicht ableiten dürfen, er sei persönlich nicht an das Verbot des Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV gebunden. Er habe nicht nachgewiesen, dass er seit über 15 Jahren regelmässig und unbeanstandet an der gleichen Stelle Güterumschlag vorgenommen habe, abgesehen davon, das selbst dies die Annahme von Rechtsirrtum nicht zu begründen vermöchte.
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Hingegen hat die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit ihrem sonstigen Vorgehen das rechtliche Gehör abgeschnitten. Sie kann sich nicht darauf berufen, er habe nicht nachgewiesen, dass er seit über 15 Jahren regelmässig und unbeanstandet an der fraglichen Stelle Güterumschlag vorgenommen habe, denn sie hat ihm die Beweisführung darüber nicht ermöglicht. Dazu war sie aber nach Art. 4 BV verpflichtet. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist entgegen ihrer Auffassung geeignet, die Annahme von Rechtsirrtum zu begründen (BGE 91 IV 204 E 4), und daher für die Beurteilung der Streitsache erheblich. Das Argument des Obergerichts, das Bundesgericht habe das Appellationsverfahren nicht aufgehoben, weshalb lediglich gestützt auf das bundesgerichtliche Urteil und die Aktenlage, wie sie dem Obergericht bei der erstmaligen Beurteilung vorgelegen habe, zu entscheiden sei, geht fehl. Weil das Obergericht den Beschwerdeführer am 13. Mai 1974 von der Anklage der Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 2 lit. d VRV freigesprochen hat, hat es sich mit der Frage des Rechtsirrtums nicht befasst, ebensowenig demzufolge das Bundesgericht. Das angefochtene Urteil vom 21. Oktober 1974 ist deshalb aufzuheben.
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