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36. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1975 i.S. Sigg gegen Dätwiler und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Art. 4 BV, Rechtsungleichheit und Willkür, Baubewilligung. | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
3. a) Der Beschwerdeführer macht einen Verstoss gegen die Rechtsgleichheit geltend, weil bis anhin das Errichten von ![]() | 3 |
b) Sodann wird beanstandet, dass das Verwaltungsgericht das Halten von zwei Reitpferden als Betrieb im Sinne von § 16 Abs. 1 des Baugesetzes vom 15. Juni 1967 betrachtet habe. Die genannte Bestimmung lässt in Wohnzonen nur Wohnungen und nicht störende Betriebe zu. Das Verwaltungsgericht will nun den Betriebsbegriff des kantonalen Baurechts "nicht technisiert, etwa im Sinne des volkswirtschaftlichen Sprachgebrauchs" verstanden wissen, sondern vom Leitgedanken des Immissionsschutzes her auslegen. Eine solche Auslegung entspricht dem Wortlaut des Gesetzes nicht, denn sowohl nach Auffassung der Wissenschaft wie nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein Betrieb stets eine Zusammenfassung personeller und sachlicher Mittel zu einem wirtschaftlichen Zweck (Grosser Brockhaus, Ausgabe 1967). Wer die §§ 16-18 des Baugesetzes liest, kann unmöglich der Meinung sein, der Gesetzgeber habe hier unter Betrieb etwas anderes verstanden als eine einem wirtschaftlichen Zweck dienende Einheit. Dafür spricht auch, dass Wohnungen und Betriebe deutlich als Gegensätze herausgestellt werden. § 80 spricht sodann von industriellen und gewerblichen Betrieben, was dahin zu verstehen ist, dass rein kaufmännische Betriebe von dieser Vorschrift nicht erfasst werden. Musste aber der Stimmbürger, der über das Gesetz zu ![]() | 4 |
Solche Entscheidungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schlechthin unzulässig. Die rechtsanwendende Behörde darf indessen vom klaren Gesetzeswortlaut nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmungen wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 99 Ia 169 und 575 mit Verweisungen).
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Im vorliegenden Fall wird lediglich der Zweck der Bestimmung als Grund für die vom Wortlaut abweichende Auslegung von § 16 BG angeführt. Das Verwaltungsgericht glaubt, im Interesse des gesunden Wohnens jede Aktivität, die über das "gewöhnliche Wohnen" hinausgeht, als "Betrieb" bezeichnen zu müssen. Das geht zu weit. Es fällt ins Gewicht, dass das Baugesetz in § 77 eine besondere Bestimmung über Immissionen enthält, die es gestattet, "Betriebe und Anlagen", die eine nach Lage und Ortsgebrauch übermässige Belästigung der Umgebung erwarten lassen, zu verbieten. Der Ausdruck "Anlagen" ermöglicht es den Behörden, alle projektierten Bauten zu erfassen, handle es sich nun um Betriebe oder nicht. Insbesondere lässt sich nicht in Zweifel ziehen, dass ein Pferdestall eine Anlage darstellt. Enthält aber das Gesetz eine Bestimmung, die es ermöglicht, derartige Bauten nicht zuzulassen, wenn sie übermässige Immissionen befürchten lassen, so fehlt ein genügender Grund, um den Betriebsbegriff in der Norm über die Wohnzonen (§ 16 BG) in einer dem Wortlaut nicht entsprechenden Weise auszudehnen. Die dem allgemein anerkannten Wortlaut widersprechende Anwendung des in § 16 BG enthaltenen Ausdrucks "Betrieb" auf das Halten einzelner Reitpferde zu privatem Gebrauch erscheint daher als sachlich nicht vertretbar.
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Auf das in Frage stehende Baugesuch vom 10. Dezember 1973 ist somit nicht § 16 BG, sondern § 77 BG anzuwenden.
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Wenn das Verwaltungsgericht gleichwohl zum Schluss gelangte, die Errichtung des geplanten Gebäudes sei unzulässig, so stützte es sich dabei auf generelle, abstrakte Erwägungen, wie, Geruchsimmissionen liessen sich zwar niedrig halten, aber kaum ganz vermeiden. Akustische und optische Immissionen im Zusammenhang mit der Pferdehaltung müssten zwar nicht, könnten aber doch recht intensiv werden. Immissionen ![]() | 9 |
Erwägungen dieser abstrakten Art wären vertretbar, wenn der vorliegende Fall, wie dies das Verwaltungsgericht angenommen hat, aufgrund von § 16 BG zu entscheiden wäre. Anders verhält es sich indes, wenn die Pferdehaltung gemäss den vorstehenden Ausführungen nicht als Betrieb betrachtet wird und sich die Sache somit allein nach § 77 BG beurteilt.
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Indem das Verwaltungsgericht auf das Baugesuch des Beschwerdeführers nicht § 77 BG angewendet hat, sondern den projektierten Bau ohne triftige Gründe entgegen dem Gesetzeswortlaut als Betrieb qualifizierte und in Anwendung von § 16 von einem abstrakten Störungsbegriff ausging, hat es das kantonale Recht willkürlich angewendet. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.
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Sollten sich jedoch nach der Errichtung und dem Bezug der Stallung übermässige Immissionen irgendwelcher Art ergeben, so kann dem Beschwerdeführer allerdings die Pferdehaltung ohne weiteres verboten werden, sei es auf öffentlichrechtlicher oder auf privatrechtlicher Grundlage (§ 77 BG; Art. 684 ZGB), und zwar selbst dann, wenn ihn subjektiv kein Vorwurf trifft. Er baut somit auf eigenes Risiko.
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