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41. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Liberale Partei des Kantons Luzern und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG; kantonale Volksabstimmung. |
2. Auch wenn das kantonale Recht keine Vorschrift darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nachzählung durchzuführen ist, kann der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde im Bereich des Abstimmungswesens von Amtes wegen eine Nachkontrolle anordnen, falls dies nach der gegebenen Sachlage für die zuverlässige Resultatermittlung als geboten erscheint; die Abstimmung muss nur dann kassiert werden, wenn sich die Auswirkungen festgestellter Verfahrensmängel nicht durch die Nachkontrolle beseitigen lassen (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Der Grosse Rat des Kantons Luzern war am 28. Januar 1975 versammelt. Bei dieser Gelegenheit ersuchten zwei Ratsmitglieder, das Abstimmungsmaterial überprüfen zu lassen. Der Regierungsrat beauftragte am 30. Januar 1975 das Justizdepartement, das Abstimmungsergebnis durch eine Nachzählung der Stimmzettel zu überprüfen. Diese Nachkontrolle ergab, dass die Urnenbüros in verschiedenen Gemeinden oder Gemeindekreisen Ja- und Neinstimmen verwechselt oder falsch gezählt hatten und dass demnach die in den entsprechenden Verbalen angegebenen Zahlen nicht stimmten. Die Differenzen waren zum grossen Teil nicht sehr bedeutend und betrafen vielfach nur eine bis zwei Stimmen. In einigen Gemeinden ![]() | 2 |
Gegen diese Abstimmung haben die Liberale Partei des Kantons Luzern und verschiedene Stimmberechtigte Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Die Begründung der einzelnen Beschwerden ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. Das Bundesgericht hat die Beschwerden abgewiesen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden den Inhalt des erläuternden Berichts, den der Regierungsrat, ![]() | 5 |
Man kann sich jedoch fragen, ob die Beschwerdeführer ihre Einwände dem Regierungsrat nach der Zustellung des Berichts ![]() | 6 |
Nach § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes ist im erläuternden Bericht auch der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit des Grossen Rates angemessen zu berücksichtigen. Keiser und Isenschmid behaupten, der Regierungsrat sei dieser Vorschrift nicht nachgekommen. Sie begründen die Behauptung in ihrer Beschwerde aber mit keinem Wort, sodass darauf nach Art. 90 OG nicht einzutreten ist. Auf die in der Beschwerdeergänzung enthaltene Begründung kann ebenfalls nicht eingegangen werden. Sie hätte, da nicht erst die Vernehmlassung des Regierungsrates dazu Anlass bot, ohne weiteres schon in der Beschwerdeschrift selbst vorgebracht werden können (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 400). Wäre auf die Rüge einzugehen, so würde sie sich nicht als stichhaltig erweisen. § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes lässt dem Regierungsrat einen erheblichen Spielraum des Ermessens. Diese Bestimmung schreibt nicht vor, dass in der Botschaft die Gründe dargelegt werden müssten, welche die Gegner der Vorlage im Grossen Rat vorbrachten. Es ist bloss der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit angemessen zu berücksichtigen. Der Regierungsrat führte gleich zu Beginn der Botschaft, an einer Stelle, die vom Leser nicht zu übersehen war, aus: "Eine Minderheit hatte die Vorlage besonders im Hinblick auf die darin neu vorgesehene Staatsbeteiligung am Grundstückgewinnsteuerertrag bekämpft." Damit war klargestellt, dass im Grossen Rat eine Gegnerschaft bestand und welches ihr Hauptargument war. In einem besondern Abschnitt sprach sich der Regierungsrat über die Beteiligung des Kantons am Steuerertrag aus. Er nahm damit auf den Haupteinwand der Gegner Bezug, wobei er freilich bloss darlegte, weshalb dieser Einwand nach seiner Ansicht nicht stichhaltig sei. Er nahm aber auch damit insofern auf den Standpunkt der Minderheit Rücksicht, als er deren wesentlichen Ablehnungsgrund nicht überging, sondern dazu ausführlich Stellung nahm. Wenn es auch je nach der Zahl der Gegner im Grossen Rat angezeigt ![]() | 7 |
Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid werfen dem Regierungsrat ferner eine irreführende Beeinflussung der Stimmbürger vor, weil er in der Botschaft ausführte, die Gemeinden erhielten einen Anteil (des Steuerertrages), der ihre bisherigen Ertragsmöglichkeiten im Durchschnitt gesehen sogar noch etwas verbessere. Auch mit dieser Rüge vermögen sie nicht durchzudringen. Sie erklären, die Behauptung des Regierungsrats könne nicht belegt werden. Sie müssten aber ihrerseits dartun, dass sie falsch und damit irreführend ist. Sie erklären allerdings, durch die Ausklammerung des Geschäftsvermögens aus dem Geltungsbereich des GstG sei in Gemeinden mit grossen Grundstückgewinnsteuererträgen (Luzern und Umgebung) mit bedeutenden Ausfällen zu rechnen. Der Regierungsrat führte aber bloss aus, dass "im Durchschnitt gesehen" die bisherigen Ertragsmöglichkeiten der Gemeinden durch die Gesetzesvorlage etwas verbessert würden. Das widerlegen die Beschwerdeführer mit ihrem Einwand nicht. Der Regierungsrat legt im übrigen in seiner Beschwerdeantwort dar, das Finanzdepartement habe eingehende Erhebungen und Berechnungen angestellt, aus denen sich ergebe, dass im Durchschnitt die Ertragsmöglichkeit der Gemeinden auf Grund des neuen Gesetzes nicht geringer sein würde als unter dem alten Gesetz. Die Beschwerdeführer, welche Gelegenheit erhielten, ihre Beschwerde nach Eingang der Antwort des Beschwerdegegners zu ergänzen, haben diese Ausführungen der Regierung nicht bestritten. Sie vermögen nicht darzutun, dass die in der Botschaft enthaltene Erklärung des Regierungsrates unrichtig und der Stimmbürger dadurch irregeführt worden wäre. Soweit die Beschwerdeführer die Abstimmung wegen angeblicher Mängel des erläuternden Berichts anfechten, ist ihre Beschwerde demnach unbegründet.
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Sie beanstanden ferner, dass Mitglieder des Regierungsrats und das Kader der kantonalen Steuerverwaltung in vielen politischen Versammlungen ganz einseitig und eindeutig den Standpunkt des Kantons vertreten hätten. Es ist zulässig, dass ![]() | 9 |
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Bei kantonalen Abstimmungen halten die Urnenbüros das Resultat im Verbal fest. Dieses und das gebrauchte Stimmaterial sind gesondert sofort an das Justizdepartement zu senden (§§ 82 und 83 Abs. 2 VAG). Der Regierungsrat stellt nach § 80 Abs. 3 des Gesetzes das Ergebnis der kantonalen Abstimmung auf Grund der Verbale fest. Er hat demnach das kantonale Resultat gestützt auf die in den Verbalen angegebenen Zahlen festzustellen. Dass er befugt wäre, bei einzelnen oder allen Gemeinden des Kantons nachzuprüfen, ob die in den Verbalen angegebenen Zahlen richtig sind, d.h. mit dem gebrauchten Stimmaterial übereinstimmen, bestimmt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Regierung ist aber im Bereich des Abstimmungswesens Aufsichtsbehörde, und aus dieser Stellung ergibt sich die Befugnis, die Verbale der Gemeinden auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren, wenn hiezu begründeter Anlass besteht. Es ist klar und unbestritten, dass der Regierungsrat die Verbale der Urnenbüros durch Vergleich mit dem Stimmaterial kontrollieren kann, wenn bei ihm eine Abstimmungsbeschwerde erhoben ist (§ 139 Abs. 1 VAG). Da der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde von Amtes wegen die nötigen Massnahmen treffen muss, um die zuverlässige Ermittlung eines kantonalen Abstimmungsergebnisses zu gewährleisten, kann er die Verbale, sofern dazu begründeter Anlass besteht, auch ![]() ![]() | 11 |
Es stellt sich deshalb bloss die Frage, ob der Regierungsrat genügenden Anlass hatte, eine Nachzählung durchzuführen. Schon der Umstand, dass das Resultat auf Grund der ursprünglichen Verbale mit 17'897 Ja gegen 17'909 Nein sehr knapp ausfiel, konnte füglich als zureichender Grund für eine Nachkontrolle betrachtet werden (BGE 98 Ia 85). Es kam hinzu, dass das erste provisorische Ergebnis negativ, das zweite positiv war, während sich nach der Zusammenstellung der Verbale wiederum ein verwerfendes Resultat ergab. Es versteht sich, dass nach diesen Wechseln das Vertrauen des Bürgers in die Zuverlässigkeit der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses erschüttert war. Auch im Grossen Rat verlangten einzelne Mitglieder eine Nachzählung, und sie stellten für den Fall der Ablehnung des Begehrens eine Beschwerde in Aussicht. Nach den widersprüchlichen Meldungen und bei dem sehr knappen Resultat hätte sich ein Stimmbürger nicht ohne Grund beschweren können, wenn der Regierungsrat eine Nachzählung abgelehnt hätte. Die Beschwerdeführer fühlen sich demgegenüber zu Unrecht in ihren politischen Rechten verletzt, weil der Regierungsrat diese Kontrolle im Interesse einer zuverlässigen Resultatsermittlung vornahm. Wenn man nicht annehmen will, eine Nachzählung durch die kantonale Behörde habe sich geradezu aufgedrängt, so muss sie doch auf jeden Fall als sachlich gerechtfertigt erachtet werden.
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b) Dem Regierungsrat wird Willkür bei der Anordnung der Nachzählung vorgeworfen mit der Begründung, er sei faktisch als Partei am Abstimmungsresultat interessiert gewesen. Nachdem das zweite Resultat eine knappe Annahme des Gesetzes gezeigt habe, habe ein Regierungssprecher gegenüber Presse und Radio erklärt, das Luzerner Abstimmungsgesetz kenne keine Möglichkeit der Nachkontrolle. Als dagegen das dritte Resultat auf eine knappe Ablehnung der Vorlage gelautet ![]() | 13 |
c) Die Beschwerdeführer Dr. Widmer/Liberale Partei machen geltend, die Diskrepanz zwischen den von den Urnenbüros der Gemeinden ausgestellten Verbalen und dem Stimmaterial sei ein Mangel, der sich durch den Entscheid des Regierungsrats nicht habe beheben lassen, weshalb die Abstimmung hätte aufgehoben werden müssen. Sie bringen zur Begründung vor, es sei nicht sicher, dass der Grund für die Diskrepanz in den von der kantonalen Behörde festgestellten Auszählungsfehlern und Verwechslungen von Ja- und Neinstimmen liege, da Unregelmässigkeiten nicht völlig ausgeschlossen werden könnten. Damit wollen sie wohl sagen, die fehlerhaften Verbale könnten auch absichtlich falsch ausgefüllt worden sein. Sie nennen dafür aber nicht die geringsten Anhaltspunkte. Dass eine solche nach Art. 282 des Strafgesetzbuches strafbare Wahlfälschung vorgenommen worden wäre, ist von vornherein unwahrscheinlich. Bei kantonalen Abstimmungen haben die Gemeindeurnenbüros - wie ausgeführt - die Verbale und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement zuzustellen. Diese Unterlagen stehen somit ![]() | 14 |
d) Nach § 83 Abs. 1 VAG hat das Urnenbüro der Gemeinde das Abstimmungsmaterial zu verpacken und die Pakete zu versiegeln oder zu plombieren. Die Beschwerdeführer Keiser, Isenschmid und Achermann rügen, es seien zahlreiche Pakete an das Justizdepartement gesandt worden, die weder versiegelt noch plombiert waren. Der Regierungsrat anerkennt dies. Es ist zu beanstanden, dass sich einzelne Gemeindebehörden nicht an diese Vorschrift des Abstimmungsgesetzes hielten. Der Regierungsrat stellt aber fest, dass alle Pakete gut verschlossen und intakt waren. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Inhalt von Paketen verändert worden wäre, nachdem sie die Mitglieder der Urnenbüros verschlossen hatten, bestehen nicht. Die wesentliche Änderung, die das Abstimmungsergebnis zufolge der Nachzählung erfuhr, war darauf zurückzuführen, dass Jastimmen zu den Neinstimmen gelegt und gezählt worden sind und umgekehrt. In allen diesen Fällen stimmte die Gesamtzahl der gültigen Stimmzettel mit der im Verbal eingetragenen Zahl überein. Die grösste Unstimmigkeit (50 Jastimmen als Neinstimmen gezählt) ergab sich in der Gemeinde Kriens. Deren Paket war jedoch versiegelt. Bei den Urnenbüros, denen Zählfehler unterliefen, stimmte der Inhalt der Pakete bis auf die geringfügigen Differenzen (in der Regel ein paar wenige Stimmen) mit den Angaben im Verbal überein. Abgesehen davon, dass gar keine Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, die Pakete seien unbefugt geöffnet worden, nachdem sie von den Urnenbüros verschlossen worden waren, und der Inhalt sei verändert worden, erscheint eine solche Manipulation bei den gegebenen ![]() | 15 |
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Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden zunächst, dass bei der Auszählung durch das Justizdepartement geprüft wurde, ob die Stimmzettel gültig seien, während nach § 78a VAG das Urnenbüro der Gemeinde darüber abschliessend zu befinden habe. Steht es der kantonalen Behörde zu, auf Grund der gebrauchten Stimmzettel eine Nachzählung vorzunehmen, so ist sie als Aufsichtsbehörde auch befugt, die Gültigkeit der Zettel zu überprüfen. Es wäre sinnwidrig, wenn sie in dieser Hinsicht an einen Befund des Urnenbüros gebunden wäre, obschon sie ihn bei der Nachkontrolle als falsch erkennt. Der Einwand ist im übrigen ohne praktische Bedeutung. Bei der Nachzählung wurden nur zwei Stimmzettel als gültig erklärt, welche die Urnenbüros als ungültig betrachtet hatten (ein Zettel mit "Si", ein anderer mit "Ja" in Spitzschrift); die Beschwerdeführer behaupten nicht, diese Zettel seien ungültig. Darüber hinaus wurden fünf Zettel, welche die Urnenbüros als ungültig erklärt hatten, deren Ungültigkeit aber als fraglich erschien, zu Handen des Regierungsrates beiseite gelegt. Dieser betrachtete sie in Übereinstimmung mit den Urnenbüros als ungültig.
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b) Die Beschwerdeführer beanstanden die Durchführung der Nachkontrolle durch das Justizdepartement und behaupten, es könne auf die Nachzählung nicht mit Sicherheit abgestellt werden. Die Kontrolle, welche 16 kantonale Beamte am 30. und 31. Januar 1975 durchführten, war indes so organisiert, dass beste Gewähr für eine zuverlässige Ermittlung des Abstimmungsresultats gegeben war. Die Zählergruppen hatten die Zettel zu zählen, ohne dass ihnen die im Verbal angegebene Zahl bekannt war. Ergab sich eine Differenz zur Verbalzahl, so wurde ein zweites Mal gezählt. Ergab sich wiederum ein von der Verbalzahl abweichendes Resultat, so führte eine zweite Zählergruppe eine Kontrollzählung durch. Erst ![]() ![]() | 18 |
In dieser Abstimmungssache ist unerfreulich, dass bei der Ermittlung der Resultate in verschiedenen Gemeinden grössere oder kleinere Versehen unterliefen. Bei dem knappen Resultat war der Regierungsrat berechtigt, eine Nachkontrolle durchzuführen. Diese bietet eine solche Gewähr für die richtige Feststellung des Abstimmungsresultats, dass ohne Bedenken auf das durch die kantonale Behörde berichtigte Resultat abgestellt werden darf und praktisch auszuschliessen ist, dass den Gemeindeurnenbüros unterlaufene Fehler das Abstimmungsresultat, wie es endgültig vom Regierungsrat festgestellt wurde, beeinflusst haben könnten.
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