BGE 101 Ia 443 | |||
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72. Urteil vom 19. November 1975 i.S. Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste und Mitbeteiligte gegen Landrat des Kantons Basel-Landschaft | |
Regeste |
Beamtenrecht; Änderung der Ausrichtung von Teuerungszulagen | |
Sachverhalt | |
Nach § 26 Abs. 3 des basellandschaftlichen Besoldungsgesetzes vom 14. November 1944/21. Oktober 1957 ist der Landrat gehalten, "die Besoldungen, Zulagen und Renten den Kosten der Lebenshaltung anzupassen". Mit Beschluss vom 16. Dezember 1974, in Kraft getreten am 1. Januar 1975, änderte der Landrat einen entsprechenden Beschluss vom 15. Juni 1972 ab und regelte u.a. die Ausrichtung der Teuerungszulagen neu. Mit der Änderung fällt die bisherige Nachzahlung zur Erreichung des sogenannten vollen Teuerungsausgleiches weg. Vom Januar bis Ende eines Jahres erhält der Staatsangestellte eine Teuerungszulage, die dem Stand des Indexes im Dezember des Vorjahres entspricht. Steigt die Teuerung bis zum 1. Juli an, erhält er für diesen Anstieg keinen Ausgleich. Ab 1. Juli erhält er dann eine Teuerungszulage, die dem Teuerungsstand im Juni entspricht - und zwar wiederum unverändert sechs Monate lang. Nach den Berechnungen des Regierungsrates sollen so für 1975 etwa 1,5 bis 2 Millionen Franken an Ausgaben für Besoldungen eingespart werden.
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Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und zehn seiner Mitglieder fechten den Beschluss vom 16. Dezember 1974 mit staatsrechtlicher Beschwerde gestützt auf Art. 4 und 22ter BV an. Besoldungsansprüche seien während der Amtsdauer unentziehbar und unterständen als wohlerworbene Rechte der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie. Die Staatsangestellten hätten auch nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, dass während der Amtsdauer keine Änderung des automatischen Teuerungsausgleiches beschlossen werde. Es sei zudem willkürlich, die Teuerungszulage nur alle sechs Monate den Lebenshaltungskosten anzupassen, da dies gegen § 26 Abs. 3 des Besoldungsgesetzes verstosse.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Diese Meinung entspricht jedoch weder allgemein anerkannter Lehre noch der ständigen Rechtsprechung, insbesondere nicht jener des Bundesgerichts. Dieses hat wiederholt festgehalten, dass das Dienstverhältnis durch die jeweilige Gesetzgebung beherrscht wird und somit, auch was seine vermögensrechtliche Seite angeht, die Entwicklung mitmacht, welche die Gesetzgebung erfährt. Dem kantonalen Gesetzgeber steht es frei, durch Gesetzesänderung in die finanziellen Ansprüche des Beamten einzugreifen, weshalb diesen der Charakter von wohlerworbenen Rechten in der Regel nicht zukommt. Das Bundesgericht hat sich dabei nicht veranlasst gesehen, zwischen Besoldungs- und Pensionsansprüchen zu unterscheiden. In beiden Fällen entstehen unentziehbare Rechte des Beamten nur dann, wenn das Gesetz einzelne Beziehungen ein für alle Mal festlegt und von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt - etwa die finanziellen Ansprüche ihrem Betrage nach als unabänderlich erklärt - oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden (BGE 70 I 22 E. 3b; siehe auch BGE 100 Ia 318 E. 5 und 324 E. 2, BGE 93 I 665, BGE 83 I 65 E. 2, BGE 77 I 144 E. 2, BGE 74 I 470 E. 3b, BGE 67 I 187 E. 5 und 6). Die Verletzung dieser wohlerworbenen Rechte wurde früher vorwiegend als Verletzung der Eigentumsgarantie und dann auch der Rechtsgleichheit im allgemeinen behandelt (vgl. BGE 77 I 144 und BGE 70 I 23), während heute vor allem der Schutz von Treu und Glauben der Beamten im Vordergrund steht (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 256; SALADIN, Verwaltungsprozessrecht und materielles Verwaltungsrecht, in: Die bundesgerichtlichen Rechtsmittelverfahren, S. 339 f. N. 83; siehe auch E. 2d).
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Darüber hinaus werden alle vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten gegenüber Massnahmen des Gesetzgebers durch Art. 4 BV geschützt. Diese Verfassungsbestimmung schliesst aus, dass die Ansprüche willkürlich abgeändert, nachträglich entzogen oder im Wert herabgesetzt werden und dass Eingriffe ohne besondere Rechtfertigung einseitig zu Lasten einzelner Berechtigter oder bestimmter Gruppen erfolgen (BGE 100 Ia 319 E. 6b, BGE 77 I 144 E. 2, BGE 70 I 23, 67 I 189 f.).
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b) An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die finanziellen Ansprüche der Beamten werden in der Schweiz allgemein durch Gesetz oder gesetzesvertretende Verordnungen geregelt. Gesetze können aber nach der schweizerischen Ordnung jederzeit geändert werden, ausser die Verfassung schränke diese Freiheit ein. Sogar wenn der Gesetzgeber hinsichtlich Gesetzesänderungen sich selbst beschränkt hätte, könnte er diese Schranke mit einer späteren Gesetzgebung wieder beseitigen. Dass der Gesetzgeber, wenn er seine Regelung selber gänzlich oder auf eine bestimmte Zeit für unabänderbar erklärt hat, von der Rechtsprechung dabei behaftet wird, beruht nicht auf einer grundsätzlichen Beschränkung seiner Gesetzgebungsbefugnis, sondern vor allem auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Im übrigen wäre es mit der in der Schweiz geltenden Auffassung nicht vereinbar, wenn es dem Gemeinwesen verwehrt wäre, sich im öffentlichen Interesse veränderten Verhältnissen anzupassen und etwa die Besoldungsausgaben mit seinen finanziellen Leistungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen (vgl. auch SALADIN, a.a.O., S. 339). Inwieweit eine Schranke für Gesetzesänderungen besteht, indem nach geltendem Recht bereits verdiente Ansprüche nicht nachträglich gekürzt werden dürfen, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die vom Landrat beschlossene Neuregelung nicht zurückwirkt.
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c) Gegen die bundesgerichtliche Auffassung vermag auch die Berufung auf die Eigentumsgarantie nicht durchzudringen. § 9 Abs. 1 der basellandschaftlichen Verfassung lautet:
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"Der Staat schützt wohlerworbene Privatrechte. Wenn das Gemeinwohl die Abtretung von Grundeigentum und anderen dinglichen Rechten erfordert, so soll diese nur gegen vorherige vollständige Entschädigungerfolgen."
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Wie die Bestimmung zeigt, wurde vor allem an den Schutz des Grundeigentums gegen Entzug durch die öffentliche Gewalt gedacht. Art. 22ter BV schützt aber auch andere private Rechte sowie öffentlichrechtliche vermögenswerte Ansprüche, soweit diese zur Zeit der Entstehung der Eigentumsgarantie unter dem Privatrecht mitverstanden wurden (BGE 96 I 727 E. 2, BGE 74 I 470 f.). Darunter fallen die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten, die früher als "Privatrechte" aufgefasst wurden; die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sie daher dem Schutz der Eigentumsgarantie unterstellt (BGE 70 I 21 E. 3a). Da Art. 22ter BV die Vermögensrechte in weitem Umfang schützt, entfaltet § 9 KV daneben keine eigene Wirkung mehr, was auch von keiner Partei behauptet wird.
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Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Eigentum indessen nur mit dem Inhalt, den es nach Massgabe der jeweiligen Rechtsordnung (z.B. Art. 641 ZGB) hat, und sie bietet grundsätzlich keinen Schutz gegen deren Änderung (BGE 96 I 126, mit Hinweisen). Nur soweit Beschränkungen diesen allgemeinen Eigentumsinhalt noch weiter einengen, sind Sie bloss unter den verfassungsmässig bestimmten Voraussetzungen und allenfalls allein gegen Entschädigung zulässig (BGE 96 I 558 mit Hinweisen). Dasselbe muss folgerichtig für öffentlichrechtliche vermögenswerte Ansprüche gelten. Die Eigentumsgarantie allein vermag also nicht gesetzliche Änderungen des Inhalts der von ihr geschützten Rechte zu verhindern und insbesondere die beamtenrechtlichen Ansprüche zu wohlerworbenen Rechten zu machen. Gesetzesänderungen dürfen einzig das "Eigentum" als fundamentales Rechtsinstitut nicht aufheben oder aushöhlen (BGE 96 I 558 E. 3, mit Hinweisen).
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a) Keiner der Beschwerdeführer behauptet, es seien ihm bei der Anstellung oder Wiederwahl besondere Zusicherungen hinsichtlich seiner Nachteuerungszulage gegeben worden. Nach § 6 des Besoldungsgesetzes werden die Beamten durch Wahl bestellt; dabei handelt es sich nach heute herrschender Auffassung um einen einseitigen behördlichen Akt, dessen Folgen - soweit nicht besondere Klauseln bestehen - durch Gesetz oder Verordnung allgemein bestimmt werden.
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b) Auch der Landratsbeschluss von 1972 hat den Beamten keine ausdrückliche Garantie für die unveränderte Fortdauer der von ihm geregelten Berechnungsart der Teuerungszulagen gegeben. Der Umstand, dass darüber überhaupt eine Regelung getroffen worden ist, lässt nicht schon auf ein Versprechen der Unabänderbarkeit während der Amtsdauer schliessen. Ein solches Versprechen könnte vielleicht aus § 13 Abs. 2 lit. d des Beschlusses von 1972 herausgelesen werden, wonach die Teuerungszulage herabgesetzt wird, wenn die Veränderung des Indexes zwei volle Punkte ausmacht. Aber auch darin liegt keine eigentliche Zusicherung der Unabänderbarkeit, soweit die genannte Bedingung nicht eintritt; denn der neue Beschluss hat gar keine Herabsetzung der bisher gewährten Teuerungszulagen zur Folge, sondern verlangsamt nur deren weitere Erhöhung Die Beschwerdeführer haben sich denn auch auf diese Bestimmung des Landratsbeschlusses gar nicht berufen.
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Ein wohlerworbenes Recht auf Fortdauer der Besoldungsordnung von 1972 und damit auf eine weitere Auszahlung der Nachteuerungszulagen besteht demnach nicht.
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a) Wie in E. 2a ausgeführt, dürfen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die bisherigen Ansprüche der Beamten vor allem nicht unsachlich und einseitig belastend gekürzt werden. Nun sind aber die Gründe finanzpolitischer Natur, die den Landrat zur Änderung der Teuerungszulagenordnung bewogen haben, keineswegs unsachlicher Natur (vgl. BGE 70 I 23 und SALADIN, a.a.O., S. 339), und die Rechtsgleichheit kann ebensowenig verletzt sein, da die Kürzung alle Beamten und Beamtengruppen in gleicher Weise trifft.
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b) Nach Auffassung der Beschwerdeführer verstösst die angefochtene Neuregelung gegen Art. 4 BV, weil sie nicht mehr den vollen Teuerungsausgleich gewähre und somit § 26 Abs. 3 des Besoldungsgesetzes verletze. Da es hier um die Auslegung kantonalen Gesetzesrechtes geht, ist das Bundesgericht auf eine Willkürprüfung beschränkt. Ob die angeführte Bestimmung den Beamten ein subjektives Recht auf Anpassung ihrer Gehälter an die Lebenshaltungskosten gewährt oder ob die Anpassung nur eine Reflexwirkung des richtigen Vollzugs der Gesetzesvorschrift ist, mag offen bleiben; denn auch bei Annahme des ersten Falles wäre damit noch nicht gesagt, wie die Besoldungsordnung den Lebenshaltungskosten angepasst werden muss. Dem kantonalen Gesetzgeber wird hier ein grosser Spielraum gestalterischen Ermessens eingeräumt.
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Der Landrat hat bisher angenommen, die Teuerungszulagen seien gestützt auf den Landesindex der Lebenshaltungskosten zu berechnen. Dass die Besoldungen und Zulagen jedoch in dieser weithin üblichen Weise angepasst und die Teuerung voll ausgeglichen werden müsse, ist nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der Landrat könnte anstelle dieses Indexes, der nicht allgemein als genauer Gradmesser für das Mass der Lebenshaltungskosten anerkannt ist, eine eigene Berechnungsweise wählen. Das Gesetz verpflichtet den Landrat lediglich zu einer Anpassung, die sachlich gerechtfertigt ist und im allgemeinen die Kaufkraft der gesetzlich vorgesehenen Besoldungen zu erhalten geeignet ist. So ginge es nicht an, durch eine völlig unzureichende Anpassung die Besoldungen einem erheblichen Kaufkraftschwund auszusetzen.
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Da aber im vorliegenden Fall mit der halbjährlichen Anpassung der Besoldungen nach dem Landesindex nur noch eine verhältnismässig bescheidene Nachzahlung in Frage steht, kann nicht gesagt werden, mit der Neuregelung der Berechnung des Teuerungsausgleiches habe der Landrat seine Pflicht zur Anpassung der Besoldungen an die Lebenshaltungskosten in willkürlicher Weise verletzt. Stiegen in Zukunft die Lebenshaltungskosten aber derart stark und schnell an, dass die Neuregelung zu ganz erheblichen Einbussen bei der Anpassung der Besoldungen führte, so wäre freilich die Regelung auf ihre Übereinstimmung mit § 26 Abs. 3 des Besoldungsgesetzes neu zu überprüfen.
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c) Die Beschwerdeführer behaupten schliesslich, die Aufhebung der Nachteuerungszulage verstosse an sich schon gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil sie sich in guten Treuen hätten darauf verlassen dürfen, dass die Besoldungsordnung nicht vor Ablauf der Amtsdauer abgeändert werde. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann der Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber Gesetzesänderungen jedoch nicht angerufen werden (BGE 101 Ib 197 E. 3d, BGE 100 Ib 298, BGE 99 Ib 102). Die Gesetzesänderungen dürfen lediglich keine wohlerworbenen Rechte verletzen oder willkürlich sein. Diese beiden Bedingungen treffen nach dem Ausgeführten im vorliegenden Fall aber nicht zu.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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