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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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27. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juni 1976 i.S. Gemeinde Zermatt gegen Gentinetta und Staatsrat des Kantons Wallis. | |
Regeste |
Baupolizeirecht; Willkür; Gemeindeautonomie. | |
Sachverhalt | |
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Dr. Leo Gentinetta ist Eigentümer einer Geschäfts- und Hotel-Liegenschaft in Zermatt. An der Südwestecke seines Grundstückes befindet sich ein dreigeschossiges Personalhaus. Bei dessen Erstellung im Jahre 1967 war der natürlich gewachsene Boden zwischen Grundstücksgrenze und Südfassade auf eine Tiefe von etwa 4 m ausgehoben worden.
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Dr. Gentinetta beabsichtigt eine nachträgliche Aufstockung dieses Personalhauses. Der Gemeinderat von Zermatt lehnte jedoch ein entsprechendes Baugesuch aus verschiedenen ![]() | 3 |
Auf Beschwerde des Baugesuchstellers hin stellte der Staatsrat des Kantons Wallis fest, dass bei einer derartigen Konstruktion die für den Grenzabstand massgebende Fassadenhöhe von der neu zu schaffenden Abdeckung an zu messen sei, nicht vom jetzt sichtbaren fertigen Terrain aus. Aus feuerwehrtechnischen Gründen seien die Abstände bei Bauten von deren Höhe abhängig gemacht. Je höher ein Gebäude, umso mehr Manövrierraum benötige die Feuerwehr. Grundsätzlich sei bei Abgrabungen vom fertigen neuen Terrain auszugehen. Durch das Abdecken mit Zementplatten und Gitterrost werde aber eine neue Niveaulinie erreicht, die massgebend sei. Gestützt auf diese Argumentation hob der Staatsrat den ablehnenden Baubescheid der Gemeinde auf und überwies das Gesuch zur weiteren Prüfung an die kantonale Baukommission.
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Die Gemeinde Zermatt führt hiegegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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3. Art. 29 BR regelt die Berechnung der massgebenden Fassadenhöhe in klarer Weise. Nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift ist beim bestehenden Personalhaus, das jetzt aufgestockt werden soll, die Höhe vom "fertigen Terrain" aus zu messen, d.h. von einer Linie, welche etwa 4 m unter dem gewachsenen Boden liegt; denn bei der Errichtung des Gebäudes wurde das Terrain entsprechend verändert. Dass beim Status quo so zu messen ist, wird auch vom Staatsrat anerkannt. Er vertritt jedoch die Auffassung, wenn auf der Höhe des ![]() | 8 |
a) Mit Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Vorschriften über den Grenzabstand von Gebäuden keineswegs ausschliesslich aus feuerpolizeilichen Gründen aufgestellt werden. Ob die projektierte Abdeckung feuerpolizeilich die gleiche Situation schaffen würde, wie sie bei gewachsenem Boden oder "fertigem Terrain" auf dieser Höhe bestände, kann offen bleiben. Die Bemessung des Grenzabstandes nach der Fassadenhöhe hat auch und sogar in erster Linie die gesundheitspolizeiliche Funktion, den untern Geschossen eines Hauses ein Minimum an Licht und Besonnung zu sichern. Dieser Zweck von Art. 29 BR würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn es zulässig wäre, im Fall einer unter dem gewachsenen Boden errichteten Baute hinterher durch eine Abdeckung auf der Höhe des gewachsenen Bodens zu erreichen, dass nun bei der Berechnung von massgebender Fassadenhöhe und Grenzabstand die als oberirdische Geschosse konzipierten, aber jetzt unter der Abdeckung liegenden Gebäudeteile nicht mehr berücksichtigt werden müssten. Durch diese Interpretation hätte Art. 29 BR, der nach dem Gesagten den untern Geschossen ein Minimum an Licht und Sonne sichern sollte, zur Folge, dass in engen Verhältnissen diese Geschosse durch Abdeckung noch zusätzlich benachteiligt würden, damit bei unverändertem Grenzabstand höher gebaut werden dürfte. Eine ausgesprochene Verschlechterung der Belichtung und Belüftung bestehender Geschosse würde im vorliegenden Fall die sonst vorschriftswidrige Aufstockung des Gebäudes ermöglichen. Diese Auslegung von Art. 29 BR ist unter Berücksichtigung der gesundheitspolizeilichen Funktion der Bestimmung nicht haltbar.
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b) Zur Stützung ihrer Auffassung berufen sich der Staatsrat und der Beschwerdegegner Dr. Gentinetta darauf, dass Untergeschosse mit Lichtschächten zulässig seien und dass es in diesen Fällen für die Bemessung des Grenzabstandes nur auf die oberirdische Fassade ankomme. In der Vernehmlassung von Dr. Gentinetta wird sinngemäss behauptet, es gehe eigentlich hier nur darum, einen bereits bei der Erstellung der Baute errichteten Lichtschacht jetzt in der üblichen Weise mit ![]() | 10 |
Der Staatsrat musste bei seinem Entscheid davon ausgehen, dass die beiden durch die Abdeckung betroffenen Geschosse auch inskünftig unverändert als Personalräume benützt werden sollen. Unter den gegebenen Voraussetzungen erscheint es als willkürlich, die nach Art. 29 BR für den Grenzabstand massgebende Fassadenhöhe von der projektierten Abdeckung an zu messen, obschon der "abgedeckte" Fassadenteil zwei Geschosse betrifft, die als oberirdische Geschosse konzipiert sind und auch weiterhin in gleicher Weise Angestelltenzimmer umfassen sollen. Die Befürchtung der Gemeinde Zermatt, dass eine solche Auslegung ihres Baureglementes zu Missbräuchen führen würde, ist begründet. Der zweite Satz von Art. 29 BR liesse sich praktisch fast immer durch eine solche ![]() | 11 |
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