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31. Auszug aus dem Urteil vom 16. Juli 1976 i.S. Christen gegen Fink, Geschworenengerichtspräsident und Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde; Art. 88 OG. |
Europäische Menschenrechtskonvention; Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden. |
Verhältnis zwischen Art. 86 und 87 OG (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Gegen dieses Vorgehen des Geschworenengerichtspräsidenten erhob Walter Urs Christen am 19. Januar 1976 Aufsichtsbeschwerde bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich. Er beschwerte sich darüber, der Geschworenengerichtspräsident habe gewisse Eingaben nicht zu den Prozessakten genommen und über bestimmte Anträge materiell nicht entschieden. In zwei Ergänzungseingaben vom 22. Januar 1976 und vom 10. Februar 1976 beantragte er ferner, der Geschworenengerichtspräsident sei anzuweisen, seine ab 1. Januar 1976 eingereichten, separat abgelegten Eingaben zu den Akten zu nehmen und über die darin gestellten Begehren zu entscheiden. Die Verwaltungskommission ging davon aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers schlössen den Vorwurf der Rechtsverweigerung in sich und trat daher auf die Aufsichtsbeschwerde gemäss § 132 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 29. Januar 1911 (GVG) ein, wies aber die Beschwerde am 14. April 1976 vollumfänglich ab.
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Gegen diesen Beschluss der Verwaltungskommission führt Walter Urs Christen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c und d EMRK. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein aus folgenden
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Erwägungen: | |
1. Tritt eine obere kantonale Instanz auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht ein oder weist sie diese ab, so kann dieser Entscheid nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 1962 in ![]() | 4 |
Der angefochtene Beschluss betrifft eine Beschwerde wegen Verweigerung und Verzögerung der Rechtspflege gemäss § 132 GVG. Dieser Rechtsbehelf wird als Aufsichtsbeschwerde bezeichnet und ist auch entsprechend im Abschnitt des GVG über "Rechte und Pflichten der Gerichte in ihrem Verhältnis zueinander und zu anderen Behörden" aufgeführt. In ihrer Funktion unterscheidet sich indes die Beschwerde gemäss § 132 GVG in mancher Hinsicht von einer Aufsichtsbeschwerde im eigentlichen Sinn. So kommt ihr im Zivilprozess teilweise die Funktion eines zivilprozessualen Rechtsmittels zu (vgl. MEILI, Der Rekurs im Strafprozess nach zürcherischem Recht, Diss. Zürich 1968, S. 20 mit Hinweisen). Dies trifft im Strafprozess nicht in entsprechender Weise zu, da hier weitgehend der Rekurs nach § 402 StPO möglich ist (HAUSER/HAUSER, Kommentar zum GVG, 3. A., 3. Lieferung, S. 477; MEILI a.a.O. S. 21). Gegen Verfügungen und Beschlüsse des Präsidenten des Geschworenengerichts ist jedoch der Rekurs nach § 402 StPO ausgeschlossen (ZR 39/1940, Nr. 168). Es fragt sich daher, ob die erwähnte Rechtsprechung des Bundesgerichts auf den vorliegenden Fall angewendet werden kann und demnach auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten ist. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da auf die Beschwerde aus einem anderen Grund nicht eingetreten werden kann.
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2. Der Beschwerdeführer beklagt sich über eine Verletzung des Art. 4 BV. Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid. Gegen einen solchen Entscheid ist eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV nur dann zulässig, wenn der Entscheid für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat (Art. 87 OG). Dabei muss der Nachteil rechtlicher und nicht bloss tatsächlicher Art sein (BGE 98 Ia 328 mit Nachweisen). Die Vorbringen des Beschwerdeführers enthalten sinngemäss insgesamt den Vorwurf, ![]() | 6 |
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Für Beschwerden wegen Verletzung der EMRK gilt die Beschränkung des Art. 87 OG an sich nicht; sie sind nicht nur gegenüber letztinstanzlichen Endentscheiden, sondern allgemein auch gegenüber letztinstanzlichen Zwischenentscheiden zulässig. Dass durch den angefochtenen Zwischenentscheid ein unheilbarer Mangel drohen müsste, ist nicht erforderlich. Voraussetzung ist aber, dass die zusätzliche Rüge der Verletzung ![]() | 8 |
Das in Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK festgehaltene Recht, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers eigener Wahl zu erhalten, ist nur alternativ gewährleistet (vgl. Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte No. 2676/65 vom 3. April 1967, Rec. 23, S. 35) und geht zumindest bei der hier gegebenen Sachlage nicht weiter als der bundesrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Rüge, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK sei verletzt, kommt somit neben der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV keine selbständige Bedeutung zu; sie steht demzufolge der Anwendung von Art. 87 OG nicht entgegen.
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Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK räumt dem Angeklagten das Recht ein, "Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken". Dieses Recht, das in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Waffengleichheit gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu sehen ist (vgl. z.B. JACOBS, The European Convention on Human Rights, Oxford 1975, S. 119), ist durch den angefochtenen Beschluss offensichtlich nicht verletzt, da der Verteidiger des Beschwerdeführers ohne weiteres alle Eingaben, die hierfür erforderlich sind, machen kann und dem Angeklagten zudem in der Hauptverhandlung ein entsprechendes Fragerecht weitgehend auch noch persönlich zusteht, das durch das Vorgehen des Geschworenengerichtspräsidenten in keiner Weise berührt worden ist (s. insbesondere §§ 205 und 232 ff. StPO). Die Rüge der Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ist somit offensichtlich unbegründet und hindert daher die Anwendung von Art. 87 OG ebenfalls nicht.
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