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49. Auszug aus dem Urteil vom 13. Oktober 1976 i.S. X. und Y. gegen Stadtrat Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 4 BV. Grundstückgewinnsteuer. Wirtschaftliche Betrachtungsweise. | |
Sachverhalt | |
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Mit Kaufvertrag vom 3. August 1973 und Grundbuch-Eintrag vom 18. September 1973 veräusserten X. und Y. das fragliche Grundstück an die Z. AG zu einem Verkaufspreis von Fr. 31'881'274.--.
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Im Einspracheverfahren legte der Stadtrat von Luzern den steuerpflichtigen Grundstückgewinn mit Fr. 6'518'811.-- fest, wobei sowohl für die Bestimmung des massgebenden Veräusserungspreises (Fr. 6'632'300.--) wie des Anlagewertes (Fr. 35'630.--) die Bauerstellungskosten (Fr. 25'248'974.--) in Abzug gebracht wurden. Da der steuerpflichtige Grundstückgewinn damit mehr als 200% des Anlagewertes betrug, wurde der Steuersatz von 25% zur Anwendung gebracht (§ 22 des luzernischen Gesetzes über die Grundstückgewinnsteuer vom 31. Oktober 1961 GGStG), was einen Betrag von Fr. 1'629'702.75 und nach Abzug von 35% oder Fr. 570'395.95 für höchstanrechenbare Eigentumsdauer (§ 24 Abs. 1 GGStG) eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 1'059'306.80 ergab.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV beantragen X. und Y. die Aufhebung des Urteils des luzernischen Verwaltungsgerichts. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, es sei willkürlich, für die Frage der Verwirkung des Steueranspruchs (§ 33 GGStG) auf die zivilrechtlichen Verhältnisse abzustellen, bei der Ermittlung des Grundstückgewinns dagegen von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen. Ferner sei die Aufspaltung in Boden und Baute, die zur Ausklammerung der Bauerstellungskosten beim Veräusserungspreis wie auch beim Anlagewert und zur Verlegung des ganzen Grundstückgewinns auf den Boden allein geführt habe, willkürlich.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Während die Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der von ihnen zu entrichtenden Grundstückgewinnsteuer seien die Bauerstellungskosten in der unbestrittenen Höhe von Fr. 25'248'974.-- in die Anlageberechnung einzubeziehen, hat das Verwaltungsgericht die vom Stadtrat vorgenommene Ausklammerung der Bauerstellungskosten sowohl beim Veräusserungspreis wie auch beim Anlagewert, die zu einer Berechnung der Grundstückgewinnsteuer allein aufgrund der Übereignung des Bodens führt, geschützt. Grundlage für diese Ausklammerung der Bauerstellungskosten ![]() | 6 |
Selbst wenn jedoch die Z. AG diese Einflussmöglichkeiten auf den Bau hatte, war sie zivilrechtlich Käuferin des für sie überbauten Grundstücks mit Einschluss des darauf erstellten Gebäudes. Nicht nur lautete die Beschreibung des Kaufgegenstandes des mit den Beschwerdeführern abgeschlossenen Kaufvertrages vom 3. August 1973 ausdrücklich auf ein "Geschäftshaus mit Einstellhalle", sondern es liegt sachenrechtlich auch kein Grund vor, der eine Abweichung von dem in Art. 667 ZGB verankerten Akzessionsprinzip erlauben würde. Eine Aufspaltung in Boden und Baute ist somit nur möglich, wenn anstelle der zivilrechtlichen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise tritt. Das Verwaltungsgericht hat sich denn auch für die Beurteilung der Übertragung des betreffenden Grundstücks ausdrücklich zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bekannt.
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Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht zur Beantwortung der Frage der Verwirkung des Steueranspruchs gemäss § 33 GGStG ausschliesslich auf den Kaufvertrag vom 3. August 1973 abgestellt und demgemäss festgestellt, die vom Stadtrat am 4. April 1974 bzw. am 11. Juli 1974 vorgenommene Steuerveranlagung sei rechtzeitig vorgenommen worden.
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Die Beschwerdeführer machen geltend, dieses Vorgehen sei willkürlich, da es nicht angehe, für die Frage der Verwirkung des Rechts auf Steuerfestsetzung den Fall zivilrechtlich, für die Ermittlung des Grundstückgewinns dagegen wirtschaftlich zu betrachten. Sie verweisen darauf, das aus Art. 4 BV fliessende, allgemeine Verbot Widersprüchlichen Verhaltens enthalte auch ein Verbot des Methodendualismus in dem Sinne, dass die Steuerbehörden nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise bald anwenden und bald ablehnen dürften, je nachdem sich dies zugunsten des Fiskus auswirke oder nicht (vgl. IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Nr. 26, Ziff. V, S. 168 f.). Das Verwaltungsgericht bestreitet ![]() | 9 |
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Die namhafte Differenz im Steuerbetrag, je nachdem ob die Bauerstellungskosten ausgeklammert werden oder nicht, ergibt sich daraus, dass bei Ausklammerung der Bauerstellungskosten der steuerpflichtige Grundstückgewinn mehr als 200% des Anlagewertes beträgt, was gemäss § 22 GGStG zur Anwendung des maximalen Steuersatzes von 25% führt.
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Gemäss § 3 Ziffer 2 GGStG gilt als Handänderung auch "die Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Grundstück". Als Beispiel nennt diese Gesetzesbestimmung die Veräusserung von Anteilsrechten an einer Immobiliengesellschaft. Als weitere Fälle der Übertragung der wirtschaftlichen ![]() | 12 |
Im vorliegenden Fall wurde der Z. AG mit Kaufvertrag vom 3. August 1973, der Anlass zur Erhebung der Grundstückgewinnsteuer war, die Parzelle Nr. 3557 mit Einschluss der darauf erstellten Baute verkauft. Während die wirtschaftliche Betrachtungsweise für Fälle entwickelt wurde, wo ein Grundstück zwar nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich die Hand wechselt, sollen im vorliegenden Fall mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Erstellungskosten der Baute aus der Berechnung des Anlagewertes ausgeklammert werden, da die Baute wirtschaftlich die Hand gar nicht gewechselt habe. Für diesen Fall sieht das luzernische GGStG die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht vor. Es ist deshalb dieselbe Zurückhaltung am Platze, wie wenn das Gesetz die wirtschaftliche Betrachtungsweise überhaupt nicht ausdrücklich zulassen würde (vgl. BGE 99 Ia 465 E. 3b). Zu berücksichtigen ist ferner, dass das luzernische GGStG für den vorliegenden Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Grundstück nach sehr langer Besitzesdauer kurz vor seinem Verkauf überbaut wird, keine Regelung enthält. Wenn Steuergesetze grundsätzlich keiner extensiven Auslegung zugänglich sind (vgl. E. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 21), so dürfen allfällige Lücken auch nicht ohne Vorliegen triftiger Gründe auf dem Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geschlossen werden (BGE 99 Ia 463 f.).
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Zur Beantwortung der Frage, ob mit dem Kaufvertrag vom 3. August 1973 wirtschaftlich nur der Boden verkauft wurde, die Baute aber von der Z. AG selbst erstellt worden war, ist die Finanzierung der Überbauung von wesentlicher Bedeutung. Gemäss Ziffer 2.11 des zwischen den Beschwerdeführern und der Generalunternehmung abgeschlossenen Werkvertrages war es Sache der Bauherrschaft, den Baukredit auf eigene Kosten zu beschaffen. Ferner war die Zahlung des Werkpreises gemäss Ziffer 3 dieses Vertrags Sache der Bauherrschaft, wobei als Bauherr nur die Beschwerdeführer den Vertrag unterschrieben, und die Mitunterzeichnung der Z. AG als Mieterin als Zeichen ihrer zustimmenden Kenntnisnahme, nicht als Mitverpflichtung ausgelegt werden kann. Von der Pflicht abgesehen, das Grundstück innerhalb der Dauer des Vertrages vom 29. Juli 1968 zu kaufen, war die Z. AG bis zum Abschluss dieses Kaufvertrages in finanzieller Hinsicht nur zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet. Gemäss Ziffer 6 lit. c.cc des Vertrages vom 29. Juli 1968 war der Kaufpreis erst bei Beurkundung des Kaufvertrages (Hauptvertrages) in bar zu zahlen, während Nutzen und Gefahr ebenfalls erst mit Abschluss ![]() | 15 |
4. Von einer Steuerumgehung, welche das Verwaltungsgericht im Gegensatz zum Stadtrat von Luzern für verwirklicht hält, kann erst recht nicht die Rede sein. Zur Begründung seiner Auffassung führt das Verwaltungsgericht aus, ein anderer Zweck für die gewählte zivilrechtliche Gestaltung als eine Steuereinsparung sei weder behauptet noch glaubhaft gemacht und ergebe sich nicht aus den Akten. Zur Begründung für die gewählte Rechtsform führt indessen der Stadtrat ![]() | 16 |
"Vermutlich wurde vorliegend die Form des Vorvertrages gewählt, weil nicht sämtliche Voraussetzungen zum Abschluss des Kaufvertrages bereits bei Unterzeichnung des Vorvertrages erfüllt waren." (S. 2). "Für die Annahme einer Steuerumgehungsabsicht fehlen indessen Anhaltspunkte." (S. 3).
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In ihrer Vernehmlassung vom 13. November 1974 an das Verwaltungsgericht führten die Beschwerdeführer an, aus der Art der Geschäftsabwicklung könne geschlossen werden, dass die Z. AG die hohen Anlagekosten zunächst gescheut und deshalb ein Mietverhältnis vorgezogen habe. Nachdem der Stadtrat selbst keine Steuerumgehung angenommen hatte, waren die Beschwerdeführer nicht veranlasst, sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu den Motiven für die Wahl dieser Vertragsform eingehender zu äussern. In dem vom Stadtrat in seiner Vernehmlassung vom 4. Oktober 1974 herangezogenen Artikel im "Vaterland" vom 21. November 1971 über den Neubau der Z. AG wird ausgeführt:
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"Um sich von den Umtrieben, die mit einem Bauprojekt dieser Grössenordnung verbunden sind, so weit als möglich zu entlasten, wurde die Bauherrschaft über das mit gegen 15 Millionen Franken Anlagewert veranschlagte Vorhaben den erfahrenen Bauherren X. und Y. übertragen"
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Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, es seien für die gewählte Rechtsform keine andern als steuerliche Gründe erkennbar. Insbesondere ist es nicht unglaubhaft, dass die Z. AG keine Umtriebe und Risiken der Bauerstellung übernehmen wollte. Es trifft auch nicht zu, dass sie diesen Zweck auch mit einem einfachen Auftrag an die Beschwerdeführer hätte erreichen können. Denn an der Haftung für die finanziellen Verpflichtungen und der Gefahrtragung durch die Z. AG hätte sich dadurch nichts geändert. So aber verblieb das volle Risiko im Stadium der Bauausführung bei den Beschwerdeführern. Ging es aber der Z. AG darum, das Risiko und die Umtriebe des Bauens den Beschwerdeführern zu überlassen und Liegenschaft und Gebäude erst dann zu übernehmen, wenn der Bau in vertragskonformer Weise erstellt war, und war sie ferner noch daran interessiert, nicht von Anfang an die Anlagekosten finanzieren zu müssen, so war die gewählte Rechtsform - Mietvertrag mit Vorvertrag zu einem späteren ![]() | 20 |
5. Selbst wenn sich aber noch mit sachlichen Gründen die Auffassung vertreten liesse, die Z. AG sei schon mit dem Mietvertrag und Vorvertrag vom 29. Juli 1968 wirtschaftliche Eigentümerin der zu erstellenden Baute geworden, so lägen keine überzeugenden Gründe dafür vor, dass dies nicht gleichermassen auch für das Baugrundstück gelten sollte. Die Konstruktion des Verwaltungsgerichts, nach welcher die Z. AG die Baute auf einem nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstück erstellt und die wirtschaftliche Herrschaft nur über die Baute, nicht aber über das Baugrundstück ausgeübt haben soll, ist künstlich und ungewöhnlich, jedenfalls künstlicher und ungewöhnlicher als das, was die Parteien effektiv vereinbart haben und was das Verwaltungsgericht steuerrechtlich nicht gelten lassen will. Es ist nicht einzusehen und wird auch vom Verwaltungsgericht nicht erklärt, was die Z. AG dazu hätte veranlassen können, die wirtschaftliche Herrschaft über die zu erstellende Baute ohne diejenige über das Baugrundstück zu erwerben. Entweder hat die Z. AG mit dem Vertrag vom 29. Juli 1968 wirtschaftlich das Eigentum an Land und Gebäuden erworben, dann ist der strittige Steueranspruch der Stadt Luzern verwirkt. Oder aber sie hat auch wirtschaftlich das Eigentum an der Liegenschaft mit Gebäuden erst mit dem Kaufvertrag vom 3. August 1973 erworben, dann ist die angefochtene Steuerveranlagung nicht haltbar. Die Unterscheidung zwischen Land und Gebäude bezüglich des Zeitpunktes des steuerrechtlich massgebenden Eigentumsübergangs lässt sich weder auf die Verträge noch auf wirtschaftliche Erwägungen stützen. Sie entspricht auch nicht der ursprünglichen These der Stadt Luzern, welche von einem einheitlichen wirtschaftlichen Eigentumsübergang mit Vertrag vom 29. Juli 1968 ausging. Sie wurde vielmehr erst vorgebracht, als die Stadt Luzern erkannte, dass aufgrund dieser Konstruktion der Besteuerungsanspruch verwirkt gewesen wäre. Die angefochtene Steuerveranlagung, welche auf der sachlich unhaltbaren Aufspaltung zwischen Land und Gebäude ![]() | 21 |
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