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57. Urteil vom 8. November 1977 i.S. Bienz gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Verfahren (Anfechtung von Erlassen, Erschöpfung des Instanzenzuges); Lotteriewesen. |
2. Verfassungsrechtliche Überprüfung eines auf bundesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden kantonalen Erlasses. Die Kantone können verbieten, dass Lotterieveranstaltungen im Sinne von Art. 2 des eidg. Lotteriegesetzes (Tombola bei Unterhaltungsanlässen) durch Personen durchgeführt oder organisiert werden, welche diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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"wenn der Gesuchsteller mit Organisation oder Durchführung der Lotterie Personen beauftragt, welche diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben".
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Die neue Verordnung wurde im kantonalen Amtsblatt vom 23. Oktober 1976 publiziert. Der in Küssnacht (SZ) wohnhafte Walter Bienz, der im Auftrag von Vereinen berufsmässig Lottos durchführt, stellte am 3. November 1976 beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau den Antrag, § 5 Abs. 1 lit. a der Lotterieverordnung wegen Verletzung von ![]() | 3 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Das Verwaltungsgericht vertritt unter Hinweis auf Art. 89 OG die Auffassung, dass die vom Regierungsrat erlassene Lotterieverordnung innert dreissig Tagen seit ihrer Veröffentlichung direkt beim Bundesgericht hätte angefochten werden müssen. Das Normenkontrollverfahren nach §§ 68 ff. VRPG sei ein subsidiäres, an keine Frist gebundenes Verfahren, dessen Durchführung zur Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht notwendig sei. Auf die erst im Anschluss gegen einen Normenkontrollentscheid des Verwaltungsgerichtes erhobene staatsrechtliche Beschwerde könne nicht eingetreten werden.
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Dieser Betrachtungsweise ist nicht beizupflichten. Zunächst ist festzuhalten, dass der in Art. 86 Abs. 2 OG enthaltene Grundsatz, wonach vor Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen ist, auch dann gilt, wenn es sich beim angefochtenen kantonalen Hoheitsakt nicht um eine Verfügung (Entscheid), ![]() | 6 |
Da keine der soeben erwähnten Ausnahmen hier zutrifft, musste der Beschwerdeführer zuerst die zur Verfügung stehenden kantonalen Rechtsmittel ergreifen, bevor er die beanstandeten Vorschriften der Lotterieverordnung mit staatsrechtlicher Beschwerde anfocht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist das aargauische Normenkontrollverfahren nach §§ 68 ff. VRPG einem Rechtsmittelverfahren im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG gleichzustellen. Wohl ist die Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens unbefristet, doch besitzt jeder legitimierte Antragsteller - anders als etwa bei einer blossen Aufsichtsbeschwerde - einen Rechtsanspruch auf materielle Überprüfung und gegebenenfalls auf Aufhebung der angefochtenen Vorschriften. Es handelt sich um einen durchaus zumutbaren kantonalen Rechtsbehelf, der ![]() | 7 |
Wieweit ein kantonaler Erlass in dieser Weise auch dann noch unmittelbar mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann, wenn das vorgängig durchzuführende kantonale Normenkontrollverfahren nicht sofort nach Erlass der Norm, sondern erst Monate oder Jahre später eingeleitet worden ist, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Im vorliegenden Falle wurde das Normenkontrollbegehren beim Verwaltungsgericht elf Tage nach der Publikation des Erlasses im Amtsblatt gestellt, d.h. innerhalb einer Frist, die sich im Rahmen der üblichen Rechtsmittelfristen hält. Es besteht kein Grund, die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde anders zu behandeln als eine solche, die rechtzeitig im Anschluss an ein gewöhnliches, befristetes kantonales Rechtsmittel eingelegt worden ist.
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b) Dass der Beschwerdeführer, wiewohl er nicht im Kanton Aargau wohnt, legitimiert ist, den ihn in seiner Berufs- oder Erwerbstätigkeit treffenden Erlass mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, steht ausser Zweifel (BGE 102 Ia 205/6 mit Hinweisen).
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2. Materiell erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Nach dem eidgenössischen Lotteriegesetz sind "Lotterien, die bei einem Unterhaltungsanlass veranstaltet werden, deren Gewinne nicht in Geldbeträgen bestehen und bei denen die Ausgabe der Lose, die Losziehung und die Ausrichtung der Gewinne im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unterhaltungsanlass erfolgen (Tombola)" ausschliesslich dem kantonalen Recht unterstellt; die Kantone können diese Lotterien zulassen, beschränken oder untersagen (Art. 2 LG). Der beanstandete § 5 Abs. 1 lit. a der neuen aargauischen Lotterieverordnung bezieht sich auf diese dem kantonalen Recht unterworfenen ![]() | 10 |
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass der Regierungsrat zum Erlass der Verordnung bzw. einer solchen Vorschrift nicht zuständig gewesen sei. Er ficht die Vorschrift nur inhaltlich an, wobei er sich auf Art. 4 und 31 BV beruft. Dazu ist vorab zu bemerken, dass Art. 2 Abs. 2 LG, der die Kantone ermächtigt, Lotterieveranstaltungen der fraglichen Art zuzulassen, zu beschränken oder zu untersagen, für das Bundesgericht verbindlich ist (Art. 113 Abs. 3 BV). Gestützt auf die bundesgesetzliche Ermächtigung könnte der Kanton die betreffenden Lotterieveranstaltungen überhaupt untersagen, ohne dass sich jemand gegenüber einem solchen Verbot mit Erfolg auf Art. 4 oder Art. 31 BV zu berufen vermöchte. Auch dann, wenn ein Kanton - wie hier - statt einem vollständigen Verbot lediglich einschränkende Bestimmungen erlässt, kann die Zulässigkeit einer derartigen Einschränkung im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 2 LG enthaltene Ermächtigung dem Grundsatz nach nicht in Frage gestellt werden. Für eine verfassungsrichterliche Kontrolle bleibt somit wenig Raum. Es müssen hier ähnliche Grundsätze gelten wie bei der Überprüfung von auf Gesetzesdelegation beruhenden bundesrätlichen Verordnungen (vgl. dazu BGE 101 Ib 144 ff., insbesondere 151; BGE 99 Ib 165; betreffend Überprüfung von auf bundesgesetzlicher Delegation beruhenden kantonalen Erlassen vgl. BGE 95 I 332 ff.). Ist der durch die angefochtene kantonale Vorschrift verfolgte Zweck durch Art. 2 LG gedeckt, ![]() | 11 |
Das Verwaltungsgericht führt zur Rechtfertigung der angefochtenen Vorschrift aus, der Berufslottier habe ein Interesse daran, von möglichst vielen Vereinen mit der Durchführung von Lottos beauftragt zu werden. Es sei sodann bekannt, dass die Lottiers an die von ihnen durchgeführten Lottos immer ihre "Stammkunden" mitbrächten, welche, vom Lottier über den jeweiligen Durchführungsort auf dem Laufenden gehalten, zu ihrem Freizeitvergnügen von Lotto zu Lotto zögen und auch vor beträchtlichen Anfahrtswegen nicht zurückschreckten. Es sei nicht übertrieben, von einem "praktisch als Dauerlotto aufgezogenen Lotterieunternehmen" zu sprechen, wobei sich die Rolle des veranstaltenden Vereins darauf beschränke, als Vehikel für die Tombolabewilligung zu dienen. Mit dem Tätigwerden von professionellen Lottiers sei ein Element hochgekommen, welches den Lottoveranstaltungen den Charakter eines blossen Unterhaltungsanlasses nehme. Es werde aus purem Erwerbsstreben die Spielsucht der Leute angefacht und gefördert.
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Der Beschwerdeführer wendet ein, ein "Unterhaltungsanlass" liege auch dann vor, wenn ein Verein, der ein Lotto veranstalten wolle, mit der Organisation und Durchführung desselben eine Person beauftrage, die diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausübe. Die Gewerbsmässigkeit der Darbietung schliesse den Unterhaltungscharakter des Anlasses nicht aus.
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Das mag zutreffen, hindert den Kanton aber nicht, Unterhaltungszwecken dienende Lotterieveranstaltungen im Sinne von Art. 2 LG nur zuzulassen, wenn sie nicht durch Personen organisiert oder durchgeführt werden, die diese Tätigkeit berufs- oder gewerbsmässig ausüben. Eine derartige Einschränkung dient einem legitimen, durch Art. 2 Abs. 2 LG gedeckten Zweck. Es liegt auf der Hand, dass die Zulassung von Lottospielen unter der Leitung berufsmässiger Lottiers, gerade weil diese das Lotto "besser und attraktiver gestalten", zu einer Häufung solcher Veranstaltungen führen würde und damit eine Förderung der Spielleidenschaft zur Folge hätte. Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, die Ausführungen ![]() | 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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