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27. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1978 i.S. Dr. X. gegen Gemeinde Z., Kantons und Kassationsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 4 BV; administrative Entlassung eines Beamten. |
2. Verhältnis administrativer und disziplinarischer Entlassung eines Beamten (E. 3a). |
Weiterbeschäftigung des Beamten während einer beschränkten Zeit trotz administrativer Entlassung (E. 3b). | |
Sachverhalt | |
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Klinik des Spitals in Z. Das Anstellungsverhältnis wurde durch einen schriftlichen Vertrag geregelt; die kommunale Dienst- und Besoldungsordnung als ergänzend anwendbar erklärt.
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Schon bald nach dem Stellenantritt von Dr. X. kam es zu Spannungen zwischen ihm und dem Verwaltungsdirektor und in der Folge auch mit der vorgesetzten Behörde. Diese sah sich deshalb ![]() | 3 |
Dr. X. stellte seine Tätigkeit am Spital in Z. Ende September 1971 ein, bot jedoch seine Dienste bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an und erhob für diese Zeit Anspruch auf volle Entschädigung einschliesslich der Nebenbezüge. Die vorgesetzte Behörde erklärte, im Hinblick auf eine von Dr. X. veranlasste Pressekampagne würden sämtliche finanziellen Leistungen an ihn eingestellt.
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Dr. X. erhob in der Folge beim Bezirksgericht Z. gegen die Gemeinde Z. Klage auf Bezahlung von Fr. 50'000.- als Entschädigung für die ihm während der Kündigungszeit entgangenen Bezüge. Das Bezirksgericht hiess diese Klage teilweise gut. Dr. X. erklärte Berufung an das Kantonsgericht; die Gemeinde Z. erhob Anschlussberufung.
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Das Obergericht wies die Klage in vollem Umfange ab. Dagegen führte Dr. X. sowohl Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen als auch zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht. Das kantonale Kassationsgericht wies die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes behandelte die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde als Berufung und wies diese gleichfalls ab, soweit darauf einzutreten war.
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Gegen das Urteil des Kassationsgerichtes des Kantons St. Gallen und gleichzeitig gegen dasjenige des Kantonsgerichts führt Dr. X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Der Beschwerdeführer erblickt eine formelle Rechtsverweigerung zunächst darin, dass das Kassationsgericht auf die Rüge der Verletzung der Dienst- und Besoldungsordnung für ![]() | 8 |
Diese Begründung erweckt Bedenken. Zwar ist es richtig, dass die ZPO als ersten der beiden in Art. 427 vorgesehenen Nichtigkeitsgründe die Verletzung oder Umgehung einer "Gesetzesbestimmung des Kantons oder des Bundes" nennt und Verordnungen in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Indessen ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die Verletzung von Normen höherer Ordnung mit der Nichtigkeitsbeschwerde sollte gerügt werden können, diejenige von Verordnungen indessen nicht. LUTZ bemerkt in seinem Kommentar zur ZPO (lit. a zu Art. 427 Ziff. 1) unter Hinweis auf die Rechtsprechung, als "Gesetzesbestimmungen" im Sinne der erwähnten Norm seien auch "Rechtsverordnungen" zu betrachten. "die materiell zur Gesetzgebung gehörten".
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Das Kassationsgericht hat dies auch nicht verkannt, indessen angenommen, bei der DBO handle es sich um eine blosse Verwaltungsverordnung. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
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Das Bundesgericht versteht unter Verwaltungsverordnungen Anweisungen an das öffentliche Personal bei der Erfüllung ihrer Dienstpflichten (Dienstanweisungen; BGE 98 Ia 510 f. E. 1). A. GRISEL (Droit administratif suisse, S. 82) führt aus, die Verwaltungsverordnungen ![]() | 11 |
Ob das gegenteilige Vorgehen geradezu unhaltbar und damit willkürlich war, kann indessen dahingestellt bleiben. Tatsächlich ![]() | 12 |
3. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, das Kantonsgericht habe willkürlich gehandelt, indem es ausgeführt habe, es sei einem blossen gesetzgeberischen Versehen zuzuschreiben, dass in der DBO nur die disziplinarische, nicht aber die administrative Entlassung vorgesehen sei. Die Willkürrüge konnte gemäss Art. 427 Ziff. 2 ZPO im Verfahren vor dem Kassationsgericht vorgebracht werden und wurde dort tatsächlich auch erhoben. Auf die nicht weiter begründete Rüge ist daher grundsätzlich einzutreten, wobei die Auffassung als solche, nicht die Erwägungen des Kassationsgerichtes unter dem eingeschränkten Gesichtswinkel der Willkür der Beurteilung nach Art. 4 BV unterliegen. Indessen ist die Meinung der kantonalen Instanzen mit sachlichen Gründen vertretbar. Es genügt, den Text von Art. 16 Abs. 2 DBO zu lesen, um festzustellen, dass er im wesentlichen demjenigen von Art. 337 Abs. 2 OR entspricht. Damit war es nicht unhaltbar, anzunehmen, auch der Sinn jener Bestimmung des kommunalen Rechtes entspreche demjenigen der genannten Bestimmung des OR, welche die Entlassung aus wichtigen Gründen nicht von einem Verschulden des Entlassenen abhängig macht. Verhält es sich aber so, dann kann das Nebeneinanderbestehen von Gründen, die allenfalls eine disziplinarische Entlassung hätten rechtfertigen können, und von solchen, die zu einer administrativen Entlassung führen mussten, die Möglichkeit der administrativen Entlassung nicht einschränken, würde doch sonst der öffentliche Funktionär, der aus objektiven Gründen untragbar geworden ist, bevorzugt, wenn ihm daneben noch ein Verschulden zur Last fällt, was nicht der Sinn ![]() | 13 |
Wollte man annehmen, die Rüge sei sinngemäss erhoben worden, so zöge dies nicht die Nichtigkeit der Entlassung nach sich, sondern es wäre allenfalls nachträglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine disziplinarische Entlassung gegeben waren (BGE 100 Ib 26 E. 1b, mit Hinweisen). Die Frage, in welchem Verfahren und bis zu welchem Zeitpunkt eine solche Überprüfung hätte verlangt werden können, wird im folgenden zu untersuchen sein.
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b) Der Beschwerdeführer erblickt ein widersprüchliches Verhalten und damit Willkür darin, dass das Kassationsgericht in Übereinstimmung mit dem Kantonsgericht es nicht als unzulässig erklärt habe, ihn aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu entlassen und ihn trotzdem vom Entlassungsschreiben bis zum 30. September 1971, also während 21 Tagen, in seiner Stellung zu belassen. Die kantonalen Instanzen haben sich mit dieser Frage einlässlich auseinandergesetzt und dargelegt, dass es im Interesse der Patienten notwendig gewesen sei, den Beschwerdeführer noch so lange zu beschäftigen, bis die Nachfolge wenigstens provisorisch geregelt gewesen sei. Weshalb diese Erwägung falsch oder gar geradezu willkürlich gewesen sein soll, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Eine solche Rüge wäre auch offensichtlich unbegründet. Es kann durchaus notwendig sein, einen grundsätzlich für das Spital untragbar gewordenen Arzt noch für eine kurze Übergangszeit weiterzubeschäftigen, wenn die medizinische Versorgung der Kranken nicht anders gesichert werden kann, ohne dass der Arzt daraus ableiten könnte, seine Weiterbeschäftigung wäre dem Staat oder der Gemeinde während der ganzen rechtlichen Dauer der Kündig ungsfrist, also noch während fünf weiterer Monate, zuzumuten gewesen. Anders zu entscheiden wäre einzig dann, wenn jede auch noch so kurzfristige Weiterbeschäftigung Leben und Gesundheit der Patienten einer ernsthaften Gefahr aussetzen würde, also vor allem dann, wenn fachliche Inkompetenz Grund der Entlassung ist.
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