BGE 104 Ia 181 | |||
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31. Urteil vom 20. September 1978 i.S. Hitz gegen Gemeinde Parpan sowie Regierung und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | |
Regeste |
Art. 4 BV; Ausgestaltung des kantonalen Rechtsmittelverfahrens gegen Zonenpläne. | |
Sachverhalt | |
Frau E. Hitz erhob gegen einen von der Gemeinde Parpan beschlossenen neuen Zonenplan, der einen Teil ihres Areals dem übrigen Gemeindegebiet zuwies, bei der Regierung des Kantons Graubünden Beschwerde. Die Regierung wies diese, soweit sie darauf eintrat, ab und genehmigte den Zonenplan und das dazugehörige Baugesetz. Frau Hitz erhob gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde. Gleichzeitig focht sie den Zonenplan, wie dies nach bündnerischer Praxis möglich ist, auch mit Rekurs beim Verwaltungsgericht an. Die eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wurde im Hinblick hierauf sistiert. Das Verwaltungsgericht wies in der Folge den Rekurs ab, soweit es darauf eintrat. Mit einer zweiten staatsrechtlichen Beschwerde ficht Frau Hitz auch den Entscheid des Verwaltungsgerichts an. Sie rügt u.a., dass die in Graubünden vorgenommene Aufspaltung des Beschwerdeverfahrens gegen Zonenpläne unzulässig sei. Das Bundesgericht schützt diesen Einwand und heisst die beiden Beschwerden gut, im wesentlichen aus folgenden
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Erwägungen: | |
2. a) Nach dem bündnerischen System der Verwaltungsrechtspflege sind Entscheide (Verfügungen) der Gemeinden mit Rekurs beim Verwaltungsgericht anfechtbar (Art. 13 Abs. 1 lit. a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 9. April 1967, VGG), während gegen rechtsetzende Erlasse der Gemeinden die verfassungsrechtliche Beschwerde an die Regierung vorgesehen ist (Art. 4 lit. a der Verordnung des Grossen Rates vom 30. November 1966 über das Verfahren in Verfassungs- und Verwaltungsstreitsachen vor der Regierung, VVV). Über die Anfechtung von Plänen, insbesondere von kommunalen Zonenplänen, enthält die bündnerische Gesetzgebung keine ausdrückliche Vorschrift. Nach Art. 37 Abs. 2 des kantonalen Raumplanungsgesetzes vom 20. Mai 1973 (KRPG) bedürfen kommunale Baugesetze, Zonenpläne, generelle Erschliessungs- und Gestaltungspläne wie auch Änderungen dieser "Erlasse" der (konstitutiven) Genehmigung durch die Regierung. Laut Art. 59 Abs. 1 KRPG können die aufgrund des KRPG oder der darauf beruhenden Erlasse und Verfügungen ergangenen "Beschlüsse" der Gemeinden an das kantonale Verwaltungsgericht weitergezogen werden.
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b) Nach der heutigen, auf einer Absprache zwischen Regierung und Verwaltungsgericht beruhenden Praxis kann ein Grundeigentümer einen Zonenplan sowohl mit verfassungsrechtlicher Beschwerde bei der Regierung als auch mit Rekurs beim Verwaltungsgericht anfechten. Die Frist für die Einreichung des letzteren Rechtsmittels beginnt aber erst zu laufen, wenn die Regierung den betreffenden Zonenplan genehmigt und eine allfällig dagegen erhobene verfassungsrechtliche Beschwerde beurteilt hat. Mit beiden Rechtsmitteln kann eine Korrektur des Zonenplans verlangt werden, doch prüft weder die Regierung noch das Verwaltungsgericht die Rechtmässigkeit der angefochtenen Zoneneinteilung vollumfänglich, sondern es besteht zwischen den beiden Beschwerdeinstanzen eine Aufteilung der Überprüfungszuständigkeit, wobei zur Abgrenzung sowohl auf den Charakter der Rüge als auch auf das Ausmass der verlangten Änderung abgestellt wird. Die heutige - im einzelnen immer noch unklare und von Fall zu Fall etwas anders umschriebene - Praxis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Regierung prüft auf eine verfassungsrechtliche Beschwerde hin - in Anlehnung an die ihr im Genehmigungsverfahren nach Art. 37 Abs. 2 KRPG obliegende Aufgabe - lediglich, ob der angefochtene Zonenplan seiner Konzeption nach im öffentlichen Interesse liegt bzw. dieses richtig wahrt.
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Rügen "individuell-konkreter Natur" (wie Verletzung von Treu und Glauben, Verstoss gegen die Rechtsgleichheit), die auf eine örtlich beschränkte Plankorrektur im Bereiche einzelner Grundstücke abzielen, sind mit Rekurs an das Verwaltungsgericht vorzubringen (BGE 104 Ia 121 ff. E. 1a; BGE 102 Ia 334; zur Vorgeschichte der jetzigen Bündner Rechtsprechung: PVG 1969 Nr. 47 S. 99; 1970 Nr. 57 S. 128; 1973 S. 148). Auch in dem an den Regierungsentscheid anschliessenden verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahren bildet nur der Zonenplan der Gemeinde Anfechtungsobjekt. Eine von der Regierung angeordnete Änderung des Zonenplanes kann vom Verwaltungsgericht, welches seine Zuständigkeit nur aus Art. 13 Abs. 1 lit. a VGG und nicht etwa aus lit. b dieser Bestimmung herleitet, nicht überprüft werden.
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c) Dass eine derartige Aufspaltung des Anfechtungsverfahrens mit erheblichen Nachteilen verbunden ist, wurde vom Bundesgericht schon in früheren Urteilen festgestellt (so namentlich in BGE 104 Ia 121 ff.), doch hatte es bisher mangels einer dahingehenden Rüge über die Verfassungsmässigkeit dieser Praxis nicht zu entscheiden. Sachlich lässt sich vor allem folgendes einwenden:
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aa) Das verwendete Abgrenzungskriterium ist unklar und unbestimmt. Wie es von den kantonalen Rechtsmittelinstanzen im Einzelfall gehandhabt wird, lässt sich nur schwer voraussehen. Die beiden Behörden können den konkreten Umfang ihrer Überprüfungszuständigkeit, soweit er nicht durch einen in der gleichen Angelegenheit bereits ergangen en Entscheid präjudiziert ist, von Fall zu Fall weitgehend nach eigenem Ermessen selber festlegen. Der rechtsuchende Bürger muss vorsichtshalber jeweils immer beide kantonalen Rechtsmittel ergreifen (und dementsprechend gegebenenfalls auch zwei staatsrechtliche Beschwerden einreichen), was unnötige Kosten zur Folge hat.
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bb) Von diesen prozessualen Nachteilen abgesehen, wird durch die dargelegte Aufspaltung des Anfechtungsverfahrens auch eine wirksame materiellrechtliche Überprüfung der beanstandeten Zoneneinteilung erschwert. Als Beschwerdegrund fällt für den betroffenen Grundeigentümer - auch im kantonalen Verfahren - in erster Linie eine Verletzung der Eigentumsgarantie in Betracht. Zur Abklärung der Frage, ob die einem Eigentümer auferlegte Nutzungsbeschränkung mangels eines überwiegenden öffentlichen Interesses oder wegen Unverhältnismässigkeit gegen Art. 22ter BV verstosse, sind sämtliche für und gegen die angefochtene Zoneneinteilung sprechenden Argumente und Gesichtspunkte zu berücksichtigen und abzuwägen, unbekümmert darum, ob sie das Planungskonzept als solches oder nur die Grenzziehung in einem örtlich beschränkten Bereich betreffen. Nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller berührten privaten und öffentlichen Interessen lässt sich beantworten, ob der mit der angefochtenen Zoneneinteilung verbundene Eingriff in die Eigentumsfreiheit zulässig ist, und hierüber kann sinnvollerweise nur in einem Entscheid befunden werden. Selbst wenn nur eine geringfügige, räumlich beschränkte Änderung des Zonenplanes verlangt wird und der Grundeigentümer diesen Anspruch, sei es unter Berufung auf die Eigentumsgarantie oder auf Art. 4 BV (Treu und Glauben, Rechtsgleichheit, Willkürverbot), aus individuell-konkreten Umständen herleitet, setzt ein sachgerechter Entscheid regelmässig eine umfassende, allgemein-konzeptionelle Gesichtspunkte miteinschliessende Prüfung voraus. Durch die bündnerische Praxis, welche zwischen Rügen gegen das Planungskonzept und Rügen individuell-konkreter Natur unterscheidet und deren Beurteilung zwei verschiedenen, einander gleichgeordneten Beschwerdeinstanzen überträgt, wird die verfassungsrechtliche Überprüfung planerischer Eigentumsbeschränkungen in erheblichem Masse erschwert oder zumindest gefährdet. Die Aufteilung der Überprüfung birgt insbesondere die Gefahr in sich, dass jede der beiden Beschwerdeinstanzen unter Hinweis auf die partielle Zuständigkeit der andern Instanz von einer umfassenden Interessenabwägung absieht.
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d) Die angefochtene bündnerische Praxis beruht denn auch auf einer unzulässigen Auslegung des kantonalen Verfahrensrechtes. Nach den unter E. 2a erwähnten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen sind kommunale Verfügungen beim Verwaltungsgericht und rechtsetzende Erlasse der Gemeinden bei der Regierung anzufechten. Die Anfechtung von Zonenplänen, welche ihrer Rechtsnatur nach zwischen Erlass und Verfügung stehen, ist nicht ausdrücklich geregelt. Daraus lässt sich indessen nicht folgern, die Zuständigkeit zur Beurteilung von Beschwerden gegen Zonenpläne könne, je nach Art der erhobenen Rügen bzw. je nachdem, ob der Rechtssatz- oder der Verfügungscharakter des Planes im Vordergrund stehe, sowohl bei der Regierung als auch beim Verwaltungsgericht liegen. Wohl weist ein Zonenplan gewisse Merkmale beider Normarten auf, doch darf er, da das bündnerische Verfahrensrecht hinsichtlich des Rechtsmittelweges nur zwischen Erlass und Verfügung unterscheidet und keine weitere Differenzierung vorsieht, nur als das eine oder das andere behandelt werden, und es kann für die Frage der Zuständigkeit einzig darauf ankommen, wie der angefochtene Plan als Ganzes einzustufen ist. Eine an den Dualismus der Rechtsnatur von Raumplänen anknüpfende Aufspaltung der Überprüfungszuständigkeit findet in der kantonalen Gesetzgebung keine Grundlage. Jedenfalls bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die komplizierte und mit mancherlei Nachteilen behaftete Praxis der Bündner Behörden dem Sinn der gesetzlichen Ordnung entspricht. Wenn der kantonale Gesetzgeber für die Anfechtung von Zonenplänen keine besondere Regel erlassen hat, so kann dies vernünftigerweise nur dahin ausgelegt werden, dass kommunale Zonenpläne im gleichen Verfahren und vor der gleichen Instanz anzufechten sind wie rechtsetzende Erlasse der Gemeinden. Der Zonenplan bildet einen untrennbaren Bestandteil der dazugehörigen Zonenvorschriften, die, wiewohl sie nur je einen Teil des Gemeindegebietes betreffen, doch grundsätzlich Rechtssatzcharakter haben und demzufolge mittels verfassungsrechtlicher Beschwerde bei der Regierung anfechtbar sind. Es muss alsdann auch der Zonenplan, der den Anwendungsbereich dieser Zonenvorschriften graphisch umschreibt - und gleich wie diese der Genehmigung durch die Kantonsregierung bedarf (Art. 37 Abs. 2 KRPG) -, hinsichtlich des Beschwerdeweges als rechtsetzender Erlass behandelt werden. Dafür spricht übrigens auch der Wortlaut von Art. 37 Abs. 2 KRPG, der Zonenpläne sowie generelle Erschliessungs- und Gestaltungspläne als "Erlasse" bezeichnet. Richtigerweise ist somit die Regierung aufgrund von Art. 4 lit. a VVV als Beschwerdeinstanz befugt und verpflichtet, die Rechtmässigkeit eines angefochtenen Zonenplanes - in dem durch die Regeln der Legitimation und durch die erhobenen Rügen gesetzten Rahmen - vollumfänglich zu prüfen. Erweist sich die angefochtene Zoneneinteilung in irgendeiner Hinsicht als "rechtswidrig" (Art. 4 lit. a VVV), so ist sie von der Regierung aufzuheben oder zu korrigieren.
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Geht man von dieser Rechtslage aus, so ist die nach der heutigen Praxis offenstehende Möglichkeit, den Zonenplan nachträglich noch beim Verwaltungsgericht anzufechten, durch das kantonale Verfahrensrecht ausgeschlossen. Denn ein solches zusätzliches Rekursverfahren, in welchem die im Beschwerdeverfahren vor der Regierung vorgenommene Überprüfung ganz oder teilweise wiederholt wird, liefe auf einen - mangels einer entsprechenden Sondervorschrift - unzulässigen Weiterzug des Regierungsentscheides hinaus (Art. 13 Abs. 1 lit. b VGG).
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Wieweit das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung von Rekursen gegen individuell-konkrete Anwendungsakte der Gemeinden (d.h. namentlich im Baubewilligungsverfahren) vorfrageweise die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit eines Zonenplanes noch überprüfen kann, ist eine andere Frage, die hier nicht zu erörtern ist (vgl. dazu IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I Nr. 11 B/II/c S. 65 f. mit Hinweisen).
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e) Die Rüge, die Aufspaltung des Beschwerdeweges gegen Zonenpläne verstosse gegen Art. 4 BV, erweist sich somit als begründet. Die angefochtenen Beschwerdeentscheide der Regierung und des Verwaltungsgerichtes sind daher in Gutheissung der beiden staatsrechtlichen Beschwerden aufzuheben. Es ist Sache der kantonalen Instanzen, über die gegen den streitigen Zonenplan eingereichten kantonalen Rechtsmittel nach Massgabe der vorstehenden Erwägungen neu zu entscheiden.
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