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56. Auszug aus dem Urteil vom 15. November 1978 i.S. Banque Centrale de la République de Turquie gegen Weston Compagnie de Finance et d'Investissement S.A. und Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich | |
Regeste |
1. Voraussetzungen für die vollstreckungsrechtliche Immunität fremder Staaten (Erw. 2). |
3. Staatliche Zahlungsrestriktionen, die einen Darlehensnehmer verpflichten, die Rückzahlung über die Staatsbank zu leiten, ändern an der privatwirtschaftlichen Natur des Geschäftes und damit der Rückzahlungsforderung nichts (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Am 30. Juni 1978 erliess der zuständige Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich auf Begehren der Weston Cie. gegen die Banque Centrale de la République de Turquie einen ersten Arrestbefehl für die Forderungssumme von Fr. 1'000'000.- nebst Zinsen und Kosten. Als Forderungsgrund wurde angegeben: "Time Deposit Nr. 100034/086 gemäss Communiqué No. 176 des türkischen Gesetzes". Der Arrest, der sich auf Guthaben der Arrestschuldnerin bei drei schweizerischen Grossbanken in Zürich erstreckte, wurde vollzogen und die Arresturkunde am 7. Juli 1978 ausgestellt. Mit Zahlungsbefehl vom 28. Juli 1978 prosequierte die Weston Cie. den Arrest. Am 25. Juli 1978 erging ein zweiter Arrestbefehl für die nämliche Forderung, gerichtet auf sämtliche Vermögenswerte der Arrestschuldnerin in den Räumen ihrer Repräsentanz in Zürich. Der Vollzug erfolgte am 26. Juli 1978, die Arresturkunde wurde am 31. Juli 1978 ausgestellt. Die Banque Centrale de la République de Turquie erhob hierauf staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher sie beantragte, die beiden Arrestbefehle wie deren Vollzug und der Zahlungsbefehl vom 28. Juli 1978 seien aufzuheben. Sie macht geltend, die angefochtenen betreibungsrechtlichen Verfügungen verletzten ihre völkerrechtliche Immunität. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
2. a) Zwischen der Schweiz und der Türkischen Republik besteht kein Staatsvertrag, der sich auf die Frage der ![]() | 3 |
b) Sollen gegen einen fremden Staat prozessuale oder Zwangsvollstreckungsmassnahmen getroffen werden, so stehen sich zunächst zwei völkerrechtliche Prinzipien gegenüber:
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- nach dem Grundsatz der Territorialität untersteht der Gerichtsbarkeit des Staates all das, was sich auf seinem Hoheitsgebiet befindet;
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- nach dem Grundsatz der Souveränität kann die Hoheit des einen Staates nicht durch einen andern eingeschränkt werden (DIEZ, Arrest- und Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegen Vermögen ausländischer Staaten, in SJZ 52/1956, S. 353).
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Lehre und Rechtsprechung vieler zum europäisch/amerikanischen Kulturkreis gehörenden Staaten haben seit Beginn des 19. Jahrhunderts versucht, zwischen diesen beiden Extremen für die Praxis brauchbare Mittellösungen zu finden. Es ist nicht notwendig, hier diese historische Entwicklung des näheren darzustellen, sondern es kann verwiesen werden auf die Arbeiten von E.A. GMÜR (Zur Frage der gerichtlichen Immunität fremder Staaten und Staatsunternehmungen, in: Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht, Band VII/1950, S. 9 ff.); J.-F. LALIVE (L'Immunité de juridiction des Etats et des organisations internationales, in: Recueil des Cours de l'Académie de droit international 1953/III, S. 209 ff.) und E. DIEZ (vorstehend zitiert). Näher einzutreten ist hier dagegen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes und auf neueste internationale Tendenzen.
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c) Das Bundesgericht hat bereits in BGE 44 I 49 ff. (Fall Dreyfus) in Anlehnung an die italienische und belgische Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, es sei hinsichtlich ![]() ![]() | 8 |
d) Was die Praxis des Auslandes betrifft, sei auf ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1963 betreffend die Kosten einer Reparatur der Heizungsanlage im Gebäude der iranischen Botschaft in Köln hingewiesen (BVerfGE 16, 27 ff.). Nach diesem Entscheid deckt sich die Praxis der Bundesrepublik Deutschland zur streitigen Frage im wesentlichen mit der schweizerischen. Auch wird dort festgestellt, dass die Gerichte Italiens, Belgiens, Österreichs, Frankreichs, Griechenlands, Ägyptens und Jordaniens Immunität eindeutig nur für Hoheitsakte fremder Staaten gewährten, wogegen in Grossbritannien und in den Vereinigten Staaten sowie in Japan, den Philipinen und den Staaten Osteuropas sowohl für hoheitliche als auch für nicht-hoheitliche Akte Immunität gewährt werde; in den Vereinigten Staaten und in Grossbritannien sei immerhin eine Tendenz feststellbar, von der unbeschränkten Staatsimmunität abzugehen (vgl. Zusammenfassung bei MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, S. 300 ff.). Im "Bulletin d'information sur les activités juridiques" des Europarates, Juni-Heft 1978, S. 15, findet sich eine kurze Zusammenfassung eines Urteils des englischen Court of Appeal vom 19. April 1977. Es ging dort um die Geltendmachung ![]() | 9 |
e) Die erwähnte, hier nicht anwendbare "Convention européenne sur l'immunité des Etats" vom 16. Mai 1972 (veröffentlicht im Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht XXXI/1975 S. 273 ff.) regelt die staatliche Immunität zur Hauptsache in der Form, dass eine ganze Reihe von Tatbeständen umschrieben sind, in denen die Immunität gegenüber einem anderen Staat nicht angerufen werden kann. Für den hier zu entscheidenden Fall sind die Art. 4 und 27 von Interesse. Sie lauten (im französischen Originaltext) wie folgt:
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"Article 4
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1. Sous réserve des dispositions de l'article 5, un Etat Contractant ne peut invoquer l'immunité de juridiction devant un tribunal d'un autre Etat Contractant si la procédure a trait à une obligation de l'Etat qui, en vertu d'un contrat, doit être exécutée sur le territoire de l'Etat du for.
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2. Le paragraphe 1 ne s'applique pas:
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(a) lorsqu'il s'agit d'un contrat conclu entre Etats;
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(b) lorsque les parties au contrat en sont convenues autrement;
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(c) lorsque l'Etat est partie à un contrat conclu sur son territoire et que l'obligation de l'Etat est régie par son droit administratif."
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"Article 27
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1. Aux fins de la présente Convention, l'expression "Etat Contractant" n'inclut pas une entité d'un Etat Contractant distincte de celui-ci et ayant la capacité d'ester en justice, même lorsqu'elle est chargée d'exercer des fonctions publiques.
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2. Toute entité visée au paragraphe 1 peut être attraite devant les tribunaux d'un autre Etat Contractant comme une personne privée; toutefois, ces tribunaux ne peuvent pas connaître des actes accomplis par elle dans l'exercice de la puissance publique (acta iure imperii).
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3. Une telle entité peut en tout cas être attraite devant ces tribunaux lorsque ceux-ci, dans des circonstances analogues, auraient pu connaître de la procédure si elle avait été engagée contre un Etat Contractant."
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Die Konvention, die als Ausdruck moderner westeuropäischer Rechtsauffassungen betrachtet werden kann, entfernt sich somit im Ergebnis kaum von der herrschenden ![]() | 21 |
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4. Von der Sache her bleiben somit die beiden Fragen zu entscheiden, ob die mit dem angefochtenen Arrest geltend gemachte ![]() | 23 |
a) Bei der Unterscheidung zwischen Verpflichtungen iure imperii und solchen iure gestionis ist nicht auf den Zweck, sondern auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen. Es ist zu prüfen, ob ein für die öffentliche Gewalt kennzeichnender Akt vorliege oder ein Rechtsverhältnis, wie es in gleicher oder ähnlicher Form auch zwischen Privaten eingegangen werden könnte (BGE 86 I 29 E. 2 a.E.). Im vorliegenden Falle geht es um die Rückforderung eine s sogenannten "Time Deposit". Die Beschwerdeführerin hat sich über die Rechtsnatur dieses Institutes nicht ausgesprochen. Nach der Natur der Sache kann es sich im Sinne des schweizerischen Rechtes nur um ein depositum irregulare (Art. 481 OR) oder um ein Darlehen handeln, wobei die Interessenlage eher für ein Darlehen zu sprechen scheint. Es handelt sich um ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Handelsbanken, nämlich der Lloyds Bank in Zürich und der Türkiye Garanti Bankasi in Istanbul, wie es in ähnlicher Weise zwischen Banken der ganzen Welt abgeschlossen zu werden pflegt. Der türkische Staat war nicht Vertragspartei, so dass sich die Frage, ob ein Akt iure imperii vorgelegen haben könnte, hinsichtlich des Geschäftes als solches überhaupt nicht stellt.
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b) Die Beschwerdeführerin legt entscheidendes Gewicht auf die türkische Devisengesetzgebung. Deren wesentlicher Inhalt lässt sich dahin zusammenfassen, dass Darlehen in ausländischer Währung über die Beschwerdeführerin als Staatsbank geleitet werden müssen. Diese schreibt der kreditnehmenden Bank den Gegenwert in türkischer Währung gut und leistet nach Ablauf der Vertragsdauer die Rückzahlung in ausländischen Devisen, nachdem sie von der Kreditnehmerin Deckung in türkischer Währung erhalten hat. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie handle bei diesem Vorgehen in Ausführung von Weisungen des Finanzministeriums, und sie will daraus ableiten, es liege ihr gegenüber ein Rechtsverhältnis vor, das auf der staatlichen Herrschaftsgewalt beruhe.
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Diesem Standpunkt kann nicht beigepflichtet werden. Entscheidend ist, wie bereits dargetan, die Rechtsnatur des ![]() | 26 |
c) Die Beschwerdeführerin scheint die heutigen Beziehungen zwischen ihr und der Weston Cie. völlig losgelöst vom ursprünglichen Vertragsverhältnis zwischen der Türkiye Garanti Bankasi und der Lloyds Bank betrachten zu wollen. Nur so könnte sich überhaupt die Frage nach einem Akt auf Grund des ius imperii stellen. Diese Betrachtungsweise geht aber am Kern der Sache vorbei; denn die Weston Cie. hat in den angefochtenen Arrestbefehlen klar zum Ausdruck bringen lassen, dass ihre Forderung auf einem bestimmten, auf Grund seiner Ordnungsnummer durch die Beschwerdeführerin ohne weiteres identifizierbaren "Time Deposit" beruhe. Von einem neuen, selbständigen Rechtsverhältnis kann somit keine Rede sein.
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Eine andere Frage ist allerdings die, ob die Beschwerdeführerin zivilrechtlich für die Rückerstattung des Darlehens in Schweizer Franken hafte. Die Weston Cie. hatte dies im Arrestbewilligungsverfahren nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. Der Einzelrichter hielt dieses Erfordernis wohl auf Grund der vorgelegten Auszüge aus der türkischen Devisengesetzgebung und eines Schreibens der Beschwerdeführerin an die Weston Cie. vom 16. März 1978, in dem die ![]() | 28 |
d) Nach der zitierten Rechtsprechung wäre - vorbehältlich der Frage nach den in der Person der Beschwerdeführerin liegenden Voraussetzungen - deren Immunität gegenüber Zwangsvollstreckungsmassnahmen des schweizerischen Rechtes trotz Vorliegens eines auf dem ius gestionis beruhenden Rechtsverhältnisses dann zu bejahen, wenn eine Binnenbeziehung dieses Verhältnisses zur Schweiz fehlen würde. Die Frage dieser Binnenbeziehung ist jedoch im vorliegenden Falle nicht streitig. Es steht vielmehr fest, dass die Darlehenssumme in Schweizer Franken bei einer schweizerischen Bank hätte zurückerstattet werden müssen (vgl. BGE 86 I 30). Auch unter diesem Gesichtswinkel kann sich somit die Beschwerdeführerin nicht auf den Grundsatz der staatlichen Immunität berufen.
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