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64. Urteil vom 22. Dezember 1978 i.S. Walcher und Zimmermann gegen Landsgemeinde des Kantons Glarus | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG; Abstimmungsverfahren an der Landsgemeinde. | |
Sachverhalt | |
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"1 Den Vorsitz an der Landsgemeinde führt der im Amte stehende
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Landammann, in seiner Verhinderung der Landesstatthalter, beziehungsweise
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das nächstfolgende Mitglied des Regierungsrates.
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2 Das Protokoll wird von einem durch den Regierungsrat hiefür
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bezeichneten Ratsschreiber geführt.
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3 Die Erwahrung der Mehrheit geschieht durch Abschätzung seitens
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des Vorsitzenden, in zweifelhaften Fällen mit Beiziehung von vier
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Mitgliedern des Regierungsrates.
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4 Der von ihnen abgegebene Entscheid ist unanfechtbar."
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Zwei Stimmberechtigte aus dem Kanton Glarus führen gestützt auf Art. 85 lit. a OG staatsrechtliche Beschwerde. Sie vertreten den Standpunkt, dass der Memorialsantrag gemäss dem zuerst verkündeten Entscheid von der Landsgemeinde angenommen und die Wiederholung der Abstimmung unzulässig gewesen sei.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
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b) Die Auslegung der kantonalen Vorschriften über die Feststellung des Abstimmungsergebnisses bei Landsgemeinden prüft das Bundesgericht im Rahmen der vorliegenden Stimmrechtsbeschwerde grundsätzlich frei, die Feststellung des Sachverhaltes durch die kantonalen Behörden dagegen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 102 Ia 269; BGE 101 Ia 240; BGE 98 Ia 78, 621).
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Die Beschwerdeführer führen aus, Art. 34 KV stelle es ins Ermessen des Landammannes, darüber zu entscheiden, ob er das Ergebnis einer Abstimmung allein feststellen könne oder ob er die Mithilfe von vier Regierungsratsmitgliedern beanspruchen wolle. Wenn Art. 34 Abs. 4 KV den unter Beizug von vier Regierungsratsmitgliedern gefällten Entscheid als unanfechtbar erkläre, so müsse dies auch für den vom Landammann allein gefällten Entscheid gelten. Es sei daher unzulässig gewesen, dass der Landammann, nachdem er über das Ergebnis der ersten Abstimmung über das Geschäft § 15 B entschieden habe, unter dem Eindruck der laut gewordenen Reklamationen eine zweite Abstimmung habe durchführen lassen, bei der er ein gegenteiliges Ergebnis ermittelte. Die im Kanton Glarus geltende Regelung sehe keine Zählung der Stimmen, sondern nur eine Schätzung vor. Bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses entscheide daher grundsätzlich die Autorität des Landammannes und nicht die genaue Zahl. Der Stimmbürger an der Landsgemeinde müsse sich auf den durch den Landammann gefällten Entscheid verlassen können. Es habe sich nicht um ein blosses Sichversprechen gehandelt, da der Landammann in diesem Fall keine zweite Abstimmung durchgeführt hätte.
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Das Protokoll der Landsgemeinde vom 21. Mai 1978 gibt über den beanstandeten Vorfall keinen weiteren Aufschluss; es wird (S. 22) lediglich festgehalten, dass die Landsgemeinde im fraglichen Geschäft dem Ablehnungsantrag des Landrates "mehrheitlich zugestimmt" habe.
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Der Regierungsrat des Kantons Glarus vertritt in seiner Vernehmlassung die Auffassung, dass sich der Landammann bei der Abstimmung über Traktandum § 15 B geirrt habe, als er das zweite Mehr als das grössere bezeichnete. Art. 34 Abs. 4 KV schliesse jedoch nicht aus, dass er aus wichtigen Gründen wie Irrtum auf seinen Entscheid zurückkommen könne. Entscheidend sei, dass bei der Abschätzung des Mehrs dem Volkswillen ![]() | 19 |
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b) Wenn Art. 34 Abs. 4 KV den Entscheid über das Abstimmungsergebnis als "unanfechtbar" bezeichnet, so will dies zunächst nichts anderes sagen, als dass der Entscheid mit keinem kantonalen Rechtsmittel weitergezogen bzw. von keiner andern kantonalen Behörde umgestossen werden kann (H. RYFFEL, Die schweizerischen Landsgemeinden, S. 314). Ob sich Art. 34 Abs. 4 KV nur auf jene Zweifelsfälle bezieht, in denen das Stimmenmehr unter Mitwirkung weiterer Regierungsratsmitglieder ermittelt worden ist, oder auch auf die vom Landammann allein getroffenen Entscheide, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ganz klar. Es wird an sich vorausgesetzt, dass der Landammann in Zweifelsfällen nicht allein entscheidet, sondern gemäss Art. 34 Abs. 3 KV verfährt, und dass in den übrigen Fällen, in denen das Mehrheitsverhältnis leicht feststellbar ist, das Abstimmungsergebnis vom Vorsitzenden richtig wiedergegeben wird und hierüber kein Streit entsteht. Art. 34 Abs. 4 KV dürfte aber doch dahin auszulegen sein, dass auch eine vom Landammann allein getroffene Feststellung in gleicher Weise unanfechtbar ist wie ein unter Mitwirkung von vier weiteren Behördemitgliedern gefällter Entscheid.
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Wieweit die das Abstimmungsergebnis feststellende Behörde ihren Entscheid selber in Wiedererwägung ziehen darf, ist ![]() | 22 |
c) Die Wiederholung der Abstimmung hatte unter den vorliegenden Umständen praktisch die Funktion einer Nachzählung. Eine solche kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch ohne entsprechende kantonale Vorschrift angeordnet werden, wenn sie zur zuverlässigen Feststellung des Abstimmungsresultates als geboten erscheint (BGE 101 Ia 245; BGE 98 Ia 85). Im zu beurteilenden Fall bestand für den Landammann Anlass, an der Richtigkeit des von ihm festgestellten Abstimmungsergebnisses zu zweifeln, nachdem dessen Verkündung unter den Stimmbürgern Protest hervorgerufen hatte und offenbar auch seitens der Protokollführer auf das Vorliegen eines Irrtums hingewiesen worden war. In einer derartigen Situation war es dem Landammann nicht verwehrt, eine Wiederholung der Abstimmung anzuordnen, um das Stimmenverhältnis - nötigenfalls unter Beihilfe von vier Regierungsratsmitgliedern - nochmals abschätzen zu können. Auf Grund des bundesrechtlichen Anspruches auf richtige Feststellung des Abstimmungsergebnisses war er zu einem solchen Vorgehen berechtigt.
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d) Dass das Ergebnis der zweiten Abstimmung unrichtig festgestellt worden sei, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Sie wenden jedoch ein, es habe sich um das letzte Geschäft der Landsgemeinde gehandelt, weshalb erfahrungsgemäss angenommen werden müsse, dass eine ganze Anzahl von Stimmbürgern nach Durchführung der ersten Abstimmung den Landsgemeindering bereits verlassen und an der zweiten ![]() | 24 |
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