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8. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Mai 1979 i.S. Clausen gegen Staat Wallis (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Staats- und Beamtenhaftung. | |
Sachverhalt | |
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"1 Die Behörden und öffentlichen Beamten sind für ihre Amtsverrichtungen
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verantwortlich.
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2 Für die Amtsverrichtungen der vom Staate ernannten Beamten ist dieser
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subsidiarisch haftbar.
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3 Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche eine Amtsbürgschaft zu
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leisten haben."
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Ein Gesetz vom 21. Mai 1840 regelte die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Staatsrates. Die externe Haftung der übrigen Beamten richtete sich nach dem OR.
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In einer Volksabstimmung vom 26. September 1976 nahmen die kantonalen Stimmbürger folgende neue Fassung von Art. 21 KV an:
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"1 Der Staat, die Gemeinden und die mit Rechtspersönlichkeit
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ausgestatteten Gemeindeverbände des öffentlichen Rechts haften
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gegenüber Dritten für die Handlungen ihrer Agenten.
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Dienst er sich befindet, für den Schaden, den er ihm in Ausübung seiner
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amtlichen Tätigkeit durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung
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seiner Dienstpflicht direkt oder indirekt zufügt.
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3 Das Gesetz regelt die Anwendung dieser Grundsätze."
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Mit Beschluss vom 22. Dezember 1976 setzte der Staatsrat des Kantons Wallis den revidierten Art. 21 KV auf den 1. Januar 1977 in Kraft.
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Am 10. Mai 1978 beschloss der Grosse Rat des Kantons Wallis ein Gesetz über "die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gemeinwesen und ihrer Amtsträger" (im folgenden: Verantwortlichkeitsgesetz), das die im revidierten Art. 21 KV vorgesehene Regelung näher ausführt. Art. 22 lit. b des neuen Gesetzes hebt das frühere Gesetz vom 21. Mai 1840 auf. Im übrigen fehlt es an einer Übergangsregelung. Das neue Verantwortlichkeitsgesetz wurde in der kantonalen Volksabstimmung vom 24. September 1978 angenommen und am 1. Januar 1979 in Kraft gesetzt.
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Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich im Jahre 1975 im Kanton Bern ereignet hatte, entzog das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Wallis mit Verfügung vom 15. Oktober 1975 dem Beschwerdeführer Leo Clausen den Führerausweis für einen Monat. Der Staatsrat des Kantons Wallis wies eine hiegegen erhobene Beschwerde am 5. Mai 1976 ab. Clausen focht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Nachdem in der Zwischenzeit der zuständige bernische Strafrichter mit Urteil vom 14. Juli 1976 Clausen vom Vorwurf der Verletzung von Verkehrsregeln freigesprochen hatte, weil dieser durch eine falsch angebrachte Signalisation und Markierung irregeführt worden sei, widerrief der Staatsrat des Kantons Wallis am 3. November 1976 seinen Beschwerdeentscheid vom 5. Mai 1976 und hiess die gegen den Führerausweisentzug erhobene Beschwerde gut. Das bundesgerichtliche Verfahren wurde daraufhin abgeschrieben.
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Am 14. Juli 1978 reichte Leo Clausen beim Instruktionsrichter des Bezirkes Sitten gegen den Staat Wallis wegen der ihm durch den Führerausweisentzug entstandenen Nachteile eine Schadenersatzklage ein. Der Staat Wallis erhob die Einrede der fehlenden Passivlegitimation, die vom Instruktionsrichter mit Entscheid vom 14. November 1978 geschützt wurde. Das Kantonsgericht des Kantons Wallis bestätigte diesen ![]() | 21 |
Leo Clausen erhebt gegen dieses Urteil des Kantonsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde. Er rügt, das Kantonsgericht habe Art. 21 KV willkürlich angewendet und dadurch Art. 4 BV verletzt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
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2. Der bereits zwei Jahre vor dem Verantwortlichkeitsgesetz in Kraft gesetzte revidierte Art. 21 KV stellt wohl den Grundsatz auf, dass ein durch Handlungen staatlicher Organe geschädigter Dritter nunmehr direkt den Staat belangen kann (Abs. 1), dem unter gewissen Voraussetzungen ein Rückgriffsrecht auf den fehlbaren Funktionär zusteht (Abs. 2). Die Frage, wann eine solche Schadenshaftung des Gemeinwesens besteht (Kausal- oder Verschuldenshaftung, allenfalls Grad des Verschuldens), wird jedoch durch Art. 21 Abs. 1 KV nicht beantwortet. Ihre Regelung wurde dem Gesetzgeber überlassen (vgl. auch Botschaft zur bundesrechtlichen Gewährleistung der Verfassungsänderung, BBl 1977 II 260). Solange nicht wenigstens diese elementare Frage durch Art. 4 des Verantwortlichkeitsgesetzes verbindlich geregelt war, konnte das System ![]() | 24 |
Dass die rückwirkende Anwendbarkeit der neuen Haftungsordnung auf den vorliegenden Tatbestand aus dem inzwischen erlassenen Verantwortlichkeitsgesetz hervorgehe und dass das Kantonsgericht verpflichtet gewesen wäre, dies bei der Beurteilung der noch vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erhobenen Klage zu berücksichtigen, wird nicht geltend gemacht, so dass sich diesbezügliche Erörterungen erübrigen. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde einzig auf die These, dass das Kantonsgericht dem neuen Art. 21 KV zu Unrecht keine rückwirkende Geltung zuerkannt habe, und dieser Einwand ist nach dem Gesagten unbehelflich.
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Wie es sich verhielte, wenn die fragliche Klage unter der Geltung des am 1. Januar 1979 in Kraft gesetzten Verantwortlichkeitsgesetzes eingereicht worden wäre bzw. ob eine solche Klage gegen den Staat heute nochmals eingereicht werden könnte, ist hier nicht zu prüfen.
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Es sind in einem Fall der vorliegenden Art verschiedene Übergangsregelungen denkbar. Das eidgenössische Verantwortlichkeitsgesetz ![]() | 28 |
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