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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Juli 1979 i.S. X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich, Ersatzrichter Dr. V. und Bezirksgericht Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 und 58 BV; §§ 19 und 28 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes. |
Ein durch diese Kommission ernannter Ersatzrichter eines Bezirksgerichts kann nur dann einzelrichterliche Funktionen ausüben, wenn er ausdrücklich zum ausserordentlichen Einzelrichter ernannt worden ist. Ist das nicht der Fall und amtet er gleichwohl als Einzelrichter, so liegt eine Verletzung der Art. 4 und 58 Abs. 1 BV vor (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Wäre auf die Rüge einzutreten, so erwiese sie sich als unbegründet. In § 40 GVG sind die Stellen aufgezählt, die das Obergericht nach seiner Gesamterneuerung durch Wahl auf Amtsdauer zu besetzen hat; die Ersatzrichter der Bezirksgerichte fallen nicht darunter. Es handelt sich somit bei deren Bestellung um ein anderes Geschäft der Justizverwaltung. Solche Geschäfte können gemäss § 49 GVG durch eine Verordnung, welche der Genehmigung des Kantonsrates bedarf, ständigen Kommissionen übertragen werden. Die am 30. Juni 1976 gestützt auf diese Bestimmung vom Obergericht selbst erlassene und vom Kantonsrat am 6. Dezember 1976 genehmigte Verordnung über die Organisation des Obergerichtes enthält in den §§ 17 ff. Vorschriften über die Zusammensetzung und die Befugnisse der Verwaltungskommission. Gemäss § 18 untersteht dieser Kommission die gesamte Justizverwaltung, soweit sie nicht anderen Behörden vorbehalten ist. Sie ist zur Behandlung ![]() | 3 |
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a) Der Beschwerdeführer glaubt, die Betrauung von Ersatzrichtern mit einzelrichterlichen Funktionen verstosse schon gegen das Prinzip der direkten Demokratie. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die Bundesverfassung schreibt die Volkswahl der Richter nicht vor (im Kt. Waadt werden z.B. die Richter der ersten Instanz durch das Kantonsgericht ernannt; Loi sur l'organisation judiciaire Art. 10), und auch die Verfassung des Kantons Zürich enthält keine Vorschrift in dieser Richtung. Die Oberrichter und die Kassationsrichter werden vom Kantonsrat gewählt, und die Verfassungsbeständigkeit der gesetzlichen Bestimmungen, die dem Obergericht die Ernennung von Ersatzrichtern sowohl für das Obergericht selbst als auch für die Bezirksgerichte erlaubt, wird mit Recht nicht in Frage gestellt. Die Ernennung der Einzelrichter aus der Mitte der Bezirksrichter erfolgt ohnehin nicht durch Volkswahl. Das demokratische Prinzip ist somit in keiner Weise berührt, wenn ausnahmsweise ein Ersatzrichter vom Obergericht mit der Ausübung auch einzelrichterlicher Funktionen betraut wird. Eine solche Lösung kann sogar unumgänglich werden, wenn in einem kleineren Bezirksgericht, bei dem nur der Präsident über eine juristische Ausbildung verfügt oder mit Rücksicht auf die Geschäftszahl mindestens sämtliche juristisch geschulten Mitglieder einzelrichterliche Funktionen ausüben (z.B. Winterthur, Bülach, Hinwil, Meilen, Uster), einer dieser Richter wegen Krankheit oder aus anderen Gründen für einige Zeit ![]() | 5 |
b) Damit hängt der Entscheid über die vorliegende Beschwerde einzig noch davon ab, ob Dr. Y. sich ohne Willkür als auch zum Ersatzmann für den Einzelrichter bestellt betrachten durfte, obschon davon im Ernennungsbeschluss nichts gesagt wird. Er hat dazu im angefochtenen Urteil ausgeführt, die Ersatzrichter könnten die Funktionen der ordentlichen Bezirksrichter übernehmen, zu denen auch diejenigen eines Einzelrichters gehörten. Dass Ersatzrichter auch als Einzelrichter amten könnten, entspreche im übrigen ständiger Praxis. Eine Bestimmung, wonach dies unzulässig wäre, finde sich im GVG nicht. Den nämlichen Standpunkt vertritt auch der Präsident des Bezirksgerichtes Zürich in einem Schreiben an den Anwalt des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 1978. Demgegenüber hält der Beschwerdeführer gestützt auf die §§ 19 und 28 GVG eine besondere Ernennung zum Einzelrichter für unumgänglich.
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Der zum Abschnitt über die Einzelrichter gehörende § 19 GVG lautet:
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"Jeder Bezirk hat einen oder mehrere Einzelrichter. Ihre Zahl wird vom Obergericht bestimmt. Das Bezirksgericht überträgt die Geschäfte des Einzelrichters dauernd dem Präsidenten oder, mit Bewilligung des Obergerichtes, einem oder mehreren Mitgliedern."
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Im Abschnitt über die Bezirksgerichte wird sodann in § 28 GVG ausgeführt:
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"Das Bezirksgericht wählt nach seiner Gesamterneuerung für den Rest des Kalenderjahres und sodann je am Jahresende für das folgende Jahr aus seiner Mitte einen oder mehrere Vizepräsidenten, deren Zahl vom Obergericht festgesetzt wird, sowie die Einzelrichter."
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Dr. Y. ist somit darin beizupflichten, dass das GVG keine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält, ob und unter welchen formellen Voraussetzungen Ersatzrichter befugt sind, auch als Einzelrichter zu amten. Anderseits enthalten die angeführten Bestimmungen doch ausreichende Anhaltspunkte zur Ermittlung des Willens des Gesetzgebers. Vor allem geht daraus eindeutig hervor, dass die Bezirksgerichte ihre Einzelrichter jeweils für ein Jahr zu bestellen haben und dass es der Zustimmung des Obergerichtes bedarf, wenn - wie dies bei allen ![]() ![]() | 11 |
Aus allen diesen Gründen muss in Anwendung der §§ 19 und 28 GVG gefordert werden, dass ein Ersatzrichter, dem einzelrichterliche Funktionen übertragen werden sollen, ausdrücklich zum a.o. Einzelrichter ernannt wird, und zwar entweder aufgrund von § 27 Satz 2 GVG direkt bei seiner Ernennung durch das Obergericht oder dann nachträglich aufgrund von § 19 Abs. 2 GVG durch das Bezirksgericht mit Bewilligung des Obergerichts. Da der Text des Gesetzes zwingend zu diesem Ergebnis führt, ist ein anderer Schluss mit sachlichen Gründen nicht vertretbar. Ersatzrichter Dr. Y. war demnach nicht berechtigt, in der vorliegenden Sache als Einzelrichter zu handeln. Das angefochtene Urteil ist daher wegen Verletzung von Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV aufzuheben.
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