BGE 106 Ia 52 | |||
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11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. Februar 1980 i.S. Rähmi gegen Gemeinde Marthalen und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges; anfechtbare Verfügung. |
Ist die Prüfungsbefugnis eines kantonalen Verwaltungsgerichts bezüglich Rechtsfragen frei, hinsichtlich der Ermessensbetätigung aber auf Ermessensüberschreitung oder -missbrauch beschränkt, so kann der Beschwerdeführer nur dann zusammen mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichts auch denjenigen der unteren Instanz anfechten, wenn die Ermessenskontrolle überhaupt in Betracht fiel. War dagegen einzig eine Rechtsfrage streitig, kann sich die Beschwerde nur gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid richten (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 2). | |
Sachverhalt | |
Reinhard Rähmi ist Eigentümer der Grundstücke Kat. Nrn. 1730 und 1746, welche durch die neue Bauordnung der Gemeinde Marthalen vom 4. Februar/4. März 1965 betroffen wurden. Er reichte am 28. Februar 1970 für das Grundstück Kat. Nr. 1746 beim Gemeinderat ein Entschädigungsbegehren wegen materieller Enteignung ein. Die Schätzungskommission IV wies das Begehren am 10. April 1978 ab. Rähmi erhob dagegen Einsprache; er verlangte eine Entschädigung für die Parzelle Kat. Nr. 1730, für die er versehentlich kein solches Begehren gestellt habe. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, das die Einsprache behandelte, trat mit Entscheid vom 4. September 1979 auf das Entschädigungsbegehren Rähmis für das Grundstück Kat. Nr. 1730 nicht ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Schätzungskommission IV habe über ein solches Begehren nicht entschieden, da ihr kein entsprechender Anspruch unterbreitet worden sei. Liege aber kein Entscheid der Schätzungskommission Vor, so könne auch kein solcher des Verwaltungsgerichtes ergehen.
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Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid führt Rähmi staatsrechtliche Beschwerde. Er macht eine Verletzung von Art. 4 BV geltend, wobei er sich auf Rechtsverweigerung, begangen durch Nichtbestellung eines Prozessbeistandes und Nichtwiederherstellung einer Frist, auf Verletzung der Offizialmaxime, überspitzten Formalismus, rechtsungleiche Behandlung und auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Das Verwaltungsgericht vertritt in seiner Vernehmlassung den Standpunkt, der Beschwerdeführer hätte fast alle der hier erhobenen Rügen durch Revisionsgesuch im Sinne von § 67 lit. a des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) beim Verwaltungsgericht selbst vorbringen können; der kantonale Instanzenzug sei daher nicht erschöpft, weshalb auf die Beschwerde gemäss Art. 87 OG nicht einzutreten sei.
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Es ist richtig, dass das Bundesgericht in zwei veröffentlichten Entscheiden dargelegt hat, die Revision gemäss § 67 lit. a und b VRG ersetze im zürcherischen Recht die Nichtigkeitsbeschwerde, weshalb sie vor der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben werden müsse, sofern mit dieser eine formelle Rechtsverweigerung gerügt werde (BGE 101 Ia 299 f.; BGE 100 Ia 34). Nachdem diese Auffassung in einer Publikation als zu absolut kritisiert worden war (R. LEVI, Zum Zeitpunkt der Anfechtung von Entscheiden des zürcherischen Verwaltungsgerichtes mittels staatsrechtlicher Beschwerde, in ZBl 79/1978, S. 245 ff.), hat sich das Bundesgericht in einem nicht veröffentlichten Entscheid im wesentlichen dieser Meinung angeschlossen. Es stellte fest, ein Revisionsgesuch im Sinne von § 67 lit. a VRG sei dann nicht erforderlich, wenn die streitige prozessuale Frage bereits behandelt worden sei und das Gesuch demgemäss auf eine Wiedererwägung hinausliefe (Urteil vom 25. Oktober 1978 i.S. Sportfischerverein Glattal). Dies entspricht der vom Verwaltungsgericht und auch in der zürcherischen Verwaltungsrechtslehre vertretenen Ansicht, die Revision wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (§ 67 lit. a VRG) bezwecke die Berichtigung prozessualer Versehen, erlaube aber nicht ein Zurückkommen auf prozessuale Fragen, die im angefochtenen Entscheid beantwortet worden sind (Rechenschaftsbericht des Verwaltungsgerichts 1970, Nr. 15; A. KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 1978, N. 2 zu § 67 VRG). Im hier zu beurteilenden Fall betreffen die Rügen des Beschwerdeführers - soweit sie sich materiell überhaupt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richten, was in der nachfolgenden Erwägung zu behandeln sein wird - alle nur die eine prozessuale Frage, ob auf den Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers für die Parzelle Kat. Nr. 1730 hätte eingetreten werden müssen. Dazu hat jedoch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid Stellung genommen, so dass ein Revisionsbegehren im Sinne von § 67 lit. a VRG auf ein Wiedererwägungsgesuch hinausgelaufen wäre und eine leere Formalität dargestellt hätte (vgl. BGE 97 I 290). Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist demnach als letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid zu betrachten, weshalb gemäss Art. 87 OG mit der unter Erwägung 1a erwähnten Einschränkung auf die Beschwerde einzutreten ist.
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2. Steht der letzten kantonalen Instanz eine umfassende Überprüfungsbefugnis zu, so ersetzt ihr Entscheid denjenigen der unteren Instanz und kann demgemäss nur er allein mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Dagegen kann der Entscheid der unteren Instanz dann mitangefochten werden, wenn der oberen Instanz nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis zustand (BGE 104 Ia 204 ff.; BGE 100 Ia 267; BGE 97 I 119 mit Verweisungen). Im neuesten dieser Urteile wurde insbesondere die Frage untersucht, wie es sich verhalte, wenn die obere Instanz zwar über eine behauptete Überschreitung oder einen Missbrauch des Ermessens durch die untere Instanz entscheiden, die Handhabung des Ermessens an sich aber nicht überprüfen könne, wie dies bei kantonalen Verwaltungsgerichten die Regel bildet. Es wurde dort festgestellt, dass verwaltungsgerichtliche Entscheide dieser Art als solche einer Instanz mit beschränkter Überprüfungsbefugnis zu gelten hätten, so dass mit ihnen zusammen auch diejenigen der unteren Instanz angefochten werden könnten (BGE 104 Ia 205 ff. E. 1c).
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Das zürcherische Verwaltungsgericht ist wie die Verwaltungsgerichte der meisten übrigen Kantone darauf beschränkt, die Entscheide unterer Instanzen auf Rechtsverletzungen hin zu überprüfen, zu denen auch Ermessensüberschreitung und Ermessensmissbrauch gehören; dagegen steht ihm eine Überprüfung der reinen Ermessensbetätigung nicht zu (§ 50 VRG). Nach der angeführten neuesten Rechtsprechung könnte somit zusammen mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichts auch derjenige der unteren Instanz angefochten werden. Es erscheint jedoch als geboten, diese Möglichkeit auf Fälle zu beschränken, in denen die Ermessenskontrolle konkret überhaupt in Betracht fällt. Geht es - wie hier - nicht um eine Schätzung, sondern um eine reine Rechtsfrage, nämlich darum, ob aus prozessualen Gründen auf ein nachträglich gestelltes Entschädigungsbegehren einzutreten sei, so steht dem Verwaltungsgericht klarerweise eine umfassende Überprüfungsbefugnis zu. Es ist daher nicht gerechtfertigt, die staatsrechtliche Beschwerde in solchen Fällen auch noch gegen den Entscheid der Schätzungskommission als unterer Instanz zuzulassen. Auf die vorliegende Beschwerde ist daher nur insoweit einzutreten, als sie sich gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 4. September 1979 richtet.
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