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35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Dezember 1980 i.S. Krönert gegen Gemeinde Herisau und Obergericht des Kantons Appenzell-Ausserrhoden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 22ter BV sowie Art. 19 und 20 GSchG (in der bis Ende 1979 geltenden Fassung); Entschädigung aus materieller Enteignung. | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Für die Beantwortung dieser Frage ist in erster Linie auf die rechtlichen Gegebenheiten abzustellen. Dabei kommt dem Bundesrecht Vorrang zu. Es ist daher zu prüfen, ob am 20. Mai 1975 die Voraussetzungen des am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen Gewässerschutzgesetzes (GSchG) erfüllt waren, um die fragliche Parzelle mit den geplanten Einfamilienhäusern zu überbauen.
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bb) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass sich die Parzelle der Beschwerdeführer in keiner rechtsgültigen Bauzone befand, da die Gemeinde Herisau am 20. Mai 1975 über keinen Zonenplan - dieser trägt im Recht des Kantons Appenzell Ausser-Rhoden die Bezeichnung Bebauungsplan (Art. 112 Abs. 2 lit. e EG zum ZGB) - verfügte. Ein früherer, dem Baureglement vom 18. Mai 1914 beigegebener rudimentärer Zonenplan wurde mit dem Baureglement vom 13. Dezember 1970 aufgehoben (Art. 135), ohne dass gleichzeitig ein Bebauungsplan erlassen werden konnte.
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Im Zeitpunkt der Annahme des Schutzzonenplanes Lutzenland lag lediglich der Entwurf eines Bebauungsplanes vor. Nach diesem befand sich das von den Beschwerdeführern erworbene Land am Rande der Bauzone in der Ein- und Zweifamilienhauszone. Aus einem vom zuständigen Gemeindeorgan noch nicht angenommenen und vom Regierungsrat noch nicht ![]() | 6 |
cc) Unbestritten ist ferner, dass die Parzelle der Beschwerdeführer ausserhalb des vom Regierungsrat am 19. Dezember 1960 genehmigten generellen Kanalisationsprojekts liegt. Der Gemeinderat beantragte zwar mit Schreiben vom 6. Januar 1971 an die kantonale Baudirektion dessen Erweiterung, worauf diese am 26. März 1971 antwortete, sie sei bereit, "die vorgesehene Zonenerweiterung amtsintern anzuerkennen und die Baugesuche im erweiterten Gebiet gleich denjenigen innerhalb genehmigtem GKP zu behandeln". Da jedoch der Bauzonenplan der Gemeinde Herisau noch nicht rechtskräftig und daher auch die Zonenerweiterung des GKP nicht endgültig sei, wolle sie auf das Begehren des Gemeinderates, die Genehmigung des Regierungsrates für die provisorische Zonenerweiterung des GKP einzuholen, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eintreten.
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Gemäss der vom Gemeinderat beantragten Erweiterung des GKP wäre - was ebenfalls unbestritten ist - die Parzelle der Beschwerdeführer in das vom GKP erfasste Gebiet einbezogen worden. Die Beschwerdeführer sind daher der Meinung, zufolge der amtsinternen Anerkennung der vorgesehenen Erweiterung des GKP wäre der Erteilung der Baubewilligung ohne das Dazwischentreten der Lutzenland-Initiative nichts im Wege gestanden. Sie übersehen jedoch, dass am 1. Juli 1972 das neue eidgenössische Gewässerschutzgesetz in Kraft trat. Die im Jahre 1971 erfolgte amtsinterne Anerkennung der beantragten Erweiterung des GKP, die ausdrücklich als noch nicht endgültig bezeichnet wurde, vermochte keinesfalls von der Einhaltung der klaren Regeln des Gewässerschutzgesetzes über den Ausschluss der Überbaubarkeit des ausserhalb des GKP gelegenen Gebietes mit nicht standortgebundenen Bauten zu befreien.
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Ein von dieser Rechtslage abweichendes Ergebnis wäre höchstens dann in Erwägung zu ziehen, wenn eine feste Praxis nachgewiesen wäre, dass die Behörden nach Inkrafttreten des GSchG auch ausserhalb des GKP von 1960 im Gebiet, dessen Einbezug der Gemeinderat in das GKP beantragt hatte, Baubewilligungen für andere als standortgebundene Bauten erteilt hätten. Dies trifft jedoch nicht zu, wie die von der bundesgerichtlichen Instruktionskommission verlangten Abklärungen ergeben haben. Gemäss der Auskunft des Gemeindebauamtes Herisau, an deren Vollständigkeit zu zweifeln entgegen der Meinung der Beschwerdeführer kein Anlass besteht, wurden im fraglichen Erweiterungsgebiet in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Gewässerschutzgesetzes und der Rechtskraft des Bebauungsplanes (12. August 1975) einzig drei Bewilligungen erteilt, wovon die eine - freilich aus Gründen, die nicht mit dem GKP zusammenhängen - erst am 10. April 1976 rechtsgültig wurde. Die von den Beschwerdeführern angeführten drei weiteren Bewilligungen liegen in Gebieten mit Überbauungsplänen, welche der Gemeinderat aufgrund des früheren Baureglementes von 1914 rechtsverbindlich festsetzen konnte und die gemäss dem in der Gemeindeabstimmung vom 13. Dezember 1970 angenommenen neuen Baureglement ausdrücklich in Kraft blieben (Art. 135 Abs. 1). Derartige Überbauungspläne genügen, wie die Gemeinde zutreffend dargelegt hat, dem Begriff der Bauzone im Sinne des Gewässerschutzgesetzes. Sie kommen einer gemäss kantonalem Recht räumlich begrenzt angeordneten Bauzone gleich und entsprechen damit der raumplanerischen Zielsetzung der Art. 19 f. GSchG.
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dd) Die Parzelle der Beschwerdeführer liegt somit gewässerschutzrechtlich weder in einer Bauzone noch innerhalb des GKP und ist daher aufgrund der Art. 19 und 20 GSchG, wie das Obergericht zutreffend festgestellt hat, mit andern als ![]() | 11 |
c) Es kann sich daher nur fragen, ob bei Inkrafttreten des Schutzzonenplanes Lutzenland besondere Umstände vorlagen, welche die Einzonung zwingend geboten hätten, so dass im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft die Überbauungsmöglichkeit zu bejahen war. In BGE 105 Ia 338 E. 3d wurde festgestellt, die Anwendung des Gewässerschutzgesetzes könne möglicherweise dann zu einer enteignungsähnlichen Wirkung führen, wenn baureifes oder grob erschlossenes Land, das innerhalb des mit den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes übereinstimmenden GKP liegt, nicht eingezont werde. Müsste im vorliegenden Fall angenommen werden, das Gewässerschutzgesetz gebiete eine Erweiterung des GKP im Sinne des vom Gemeinderat gestellten Antrages, so wäre möglicherweise die Nichteinzonung dem vom Bundesgericht erwähnten Ausnahmefall gleichzusetzen. Es fragt sich daher, ob das GKP den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes entspricht.
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Aus dem von der bundesgerichtlichen Instruktionskommission verlangten technischen Bericht über das GKP ergibt sich, dass Herisau im Jahre 1960 eine Bevölkerung von rund 14'800 Einwohnern aufwies und dass bei voller Überbauung des angenommenen Baulandes eine Einwohnerzahl von 27'000 erreicht werden kann. Gewiss muss bei der Würdigung derartiger Berechnungen berücksichtigt werden, dass das Mass der wirklichen Überbauung erfahrungsgemäss oft erheblich unter der möglichen Vollüberbauung bleibt. Dennoch erlauben die dem GKP zugrunde liegenden Annahmen die Folgerung, dass dieses keineswegs zu eng bemessen ist, soll es doch gemäss Art. 15 AGSchV, sofern keine Zonenplanung besteht, das überbaute und das innert höchstens 15 Jahren zur Erschliessung vorgesehene Baugebiet erfassen, dabei darf höchstens eine Verdoppelung der vorhandenen Bevölkerungszahl berücksichtigt werden. Dass Herisau mit einer besonders starken Bevölkerungszunahme rechnen müsste, kann aufgrund der Entwicklung der Vergangenen Jahre nicht angenommen werden, wies doch die Gemeinde nach den Angaben der Einwohnerkontrolle im Jahre ![]() | 13 |
d) Diese Erwägungen schliessen auch die Annahme aus, eine Festlegung der Bauzone gemäss dem aufgelegten Bebauungsplan hätte sich aufgrund der baulichen und bevölkerungsmässigen Entwicklung der Gemeinde zwingend aufgedrängt. Der Behauptung der Beschwerdeführer, in Herisau sei zuwenig Land für Ein- und Zweifamilienhäuser ausgeschieden, kann angesichts der im GKP und dem angenommenen Bebauungsplan enthaltenen Reserven nicht gefolgt werden. Freilich begründete der Antrag des Gemeinderates, wie er im aufgelegten Bebauungsplan zum Ausdruck kam, die Hoffnung auf Einzonung des von den Beschwerdeführern erworbenen Landes. Doch vermag ein Antrag den Entscheid der für die Beschlussfassung über den Bebauungsplan zuständigen Stimmberechtigten der Gemeinde nicht zu binden. Muss zunächst ein Zonenplan angenommen werden, so schliesst dies in der Regel die Annahme aus, ein Grundstück sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu überbauen (unveröffentlichtes Urteil Schmid vom 11. Juli 1979, E. 6, S. 17). Wer Land in der Hoffnung erwirbt, die Stimmberechtigten würden den gestellten Antrag annehmen, handelt auf eigenes Risiko. Eine abweichende Annahme wäre mit der den Beschwerdeführern bekannten demokratischen Grundordnung der Gemeinden nicht vereinbar.
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Dass die mit dem Schutzzonenplan Lutzenland vorgenommene Begrenzung des Baugebietes in ortsplanerischer Sicht als sachgerecht zu bezeichnen ist, hat der Augenschein bestätigt. Das von den Beschwerdeführern erworbene Land liegt inmitten von landwirtschaftlich genutztem Areal. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegen daher keine zwingenden Gründe vor, welche die Einzonung des von den Beschwerdeführern erworbenen Landes geboten hätten.
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