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7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. Februar 1981 i.S. Faes gegen Obergericht des Kantons Aargau und Bezirksgericht Kulm (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Kanzleigebühr. | |
Sachverhalt | |
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Gegen den Entscheid des Bezirksgerichts führte Elise Faes Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Sie beantragte, der in der Gebührenrechnung enthaltene Anteil für Fotokopien sei ![]() | 2 |
Elise Faes führt staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Inspektionskommission des Obergerichts und beantragt darin die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Sie macht geltend, der Ansatz von Fr. 2.-- pro Seite Fotokopie und der sich daraus ergebende Gebührenbetrag von Fr. 1'888.-- seien willkürlich. Zur Begründung wird in der Beschwerde vorgebracht, das Obergericht habe angenommen, die Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971 könne sich auf das Dekret des Grossen Rates über die vom Staate zu beziehenden Gebühren vom 10. Januar 1967 stützen; dieses Dekret sei aber durch das gleichnamige Dekret vom 23. November 1977 aufgehoben worden. Die Verordnung des Regierungsrates, worauf sich der angefochtene Entscheid stütze, entbehre somit einer gesetzlichen Grundlage. Nach Art. 33 Abs. 1 lit. e KV sei zudem der Grosse Rat zur Festsetzung der dem Staat zukommenden Gebühren und Taxen zuständig. Der Grosse Rat habe in § 7 des Dekretes über die Gebühren in Zivil- und Strafsachen vom 9. Januar 1968 festgehalten, als Kanzleigebühr für die Erstellung von Kopien auf technischem Wege seien pro Seite Fr. 1.50 zu verlangen. Dieses Dekret müsse entgegen der Auffassung des Obergerichtes auf den vorliegenden Fall angewandt werden. Im übrigen bringt die Beschwerdeführerin vor, der Ansatz von Fr. 2.-- pro Seite Fotokopie stehe - abgesehen von der Frage des anwendbaren Rechtes - zum objektiven Wert der Leistung in einem offensichtlichen Missverhältnis und halte sich im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip nicht mehr in vernünftigen Grenzen.
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Die Inspektionskommission des Obergerichts verzichtete darauf, eine Vernehmlassung einzureichen. Das Bezirksgericht Kulm ![]() | 4 |
Kosten für Papier, Strom und Miete des Gerätes Fr. -.20
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Miete und Heizung des Fotokopierraumes Fr. -.06
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Lohnkosten des Kanzleibeamten (Verrechnungsansatz
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Fr. 32.-- pro Stunde) für einen Zeitaufwand von 3 Minuten
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(Anmarsch, Inbetriebsetzen des Gerätes, Kopieren,
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Einordnen der Kopie) Fr. 1.60
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Herstellungskosten einer einzelnen Kopie Fr. 1.86
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Der Regierungsrat macht in weiteren geltend, diese Kosten pro Kopie erhöhten sich auf Fr. 2.26, wenn der Gerichtskassier (Verrechnungsansatz Fr. 40.-- pro Stunde) mit der Herstellung der Fotokopien betraut werde. Im Hinblick auf die gerügte Verletzung des Äquivalenzprinzips führt der Regierungsrat aus, die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen sei im vorliegenden Fall eine aufwendige Arbeit gewesen. Es hätten 73 verschiedene Ausfertigungen erstellt werden müssen; der Rationalisierungseffekt könne unter diesen Umständen nicht als gross betrachtet werden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. a) Die vom Bezirksgericht Kulm angewandte Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971 sieht in § 1 lit. c für die Erstellung von Fotokopien einen Ansatz von Fr. 2.-- vor. Diese Bestimmung steht im Gegensatz zu § 7 des Dekretes des Grossen Rates über die Gebühren in Zivil- und Strafsachen und die Entschädigung der Parteien, Zeugen und Sachverständigen vom 9. Januar 1968, denn nach dieser Bestimmung haben die Gerichte für die Erstellung von Fotokopien nur Fr. 1.50 zu erheben. Die regierungsrätliche Verordnungsbestimmung war somit im Anwendungsbereich des genannten Dekretes ungültig, solange in § 7 dieses Dekrets für Fotokopien ein Ansatz von Fr. 1.50 vorgesehen war. Am 19. Dezember 1973 änderte der Grosse Rat jedoch diese Bestimmung ab und legte im neuen Text ![]() | 15 |
b) Die Beschwerdeführerin führt ferner aus, in Art. 33 Abs. 1 lit. e KV werde die Festsetzung der dem Staat zukommenden Gebühren und Taxen dem Grossen Rat übertragen. Offenbar will sie damit rügen, die Festsetzung der Kanzleigebühren sei zu Unrecht an den Regierungsrat delegiert worden. Eine Subdelegation von Rechtsetzungsbefugnissen vom Grossen Rat an den Regierungsrat ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und wird auch von Art. 33 KV nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Subdelegation fehlen. Die Rüge der unzulässigen Subdelegation erweist sich somit als ungenügend begründet und ist nicht zu untersuchen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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c) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, es gebe kein Gesetz, das wenigstens die Grundzüge der hier streitigen Gebühr umschreiben würde. Sie rügt somit, die angefochtene Gebühr könne sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen alle öffentlichen Abgaben - mit Ausnahme der Kanzleigebühren - der Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn, d.h. in einem dem Referendum unterstehenden Erlass (BGE 106 Ia 202 E. 2a, BGE 105 Ia 4, 144 ff. E. 5a mit Hinweisen). Unter Kanzleigebühren sind Abgaben für einfache Tätigkeiten der Verwaltung zu verstehen, die ohne besonderen Prüfungs- und Kontrollaufwand erbracht werden und sich in ihrer Höhe in einem bescheidenen Rahmen halten (BGE 104 Ia 115 E. 3 mit Hinweisen). Die Herstellung von Fotokopien für die Eröffnung von letztwilligen Verfügungen stellt eine einfache Tätigkeit der Verwaltung im Sinne dieser Rechtsprechung dar. Die dafür erhobene Abgabe von Fr. 2.-- pro Fotokopie hält ![]() | 18 |
d) Der Umstand, dass Kanzleigebühren auch ohne formell gesetzliche Grundlage erhoben werden dürfen, schliesst nicht aus, dass sich der Bürger zur Anfechtung solcher Gebühren auf das Äquivalenzprinzip, das Kostendeckungsprinzip sowie das Willkürverbot und den Grundsatz der Rechtsgleichheit berufen kann. Im vorliegenden Fall rügt die Beschwerdeführerin in erster Linie, die angefochtene Gebühr verletze das Äquivalenzprinzip.
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Nach dem Äquivalenzprinzip, wie es in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verstanden wird, darf die Gebühr zum objektiven Wert der Leistung nicht in ein offensichtliches Missverhältnis geraten und muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen (BGE 103 Ia 89). Die im vorliegenden Verfahren streitige Gebühr von Fr. 1'888.-- wurde allein für die Herstellung von 944 Seiten Fotokopien erhoben. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Betrag zum objektiven Wert dieser Fotokopien in einem offensichtlichen Missverhältnis steht.
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Der Regierungsrat geht in seiner Vernehmlassung davon aus, dass die Kosten für eine Fotokopie (Papier, Strom, Miete des Kopiergerätes) Fr. 0.20 betragen. Ferner stellt er Fr. 0.06 für die Miete und Heizung des Fotokopierraumes in Rechnung. Diese Beträge bewegen sich im Rahmen der heute üblichen Kosten und sind daher nicht zu beanstanden.
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Der Regierungsrat ist im weiteren der Ansicht, für die Herstellung einer Fotokopie würden drei Minuten benötigt. Bei einem Stundenansatz von Fr. 32.-- ergeben sich somit nach seiner Berechnung Lohnkosten von Fr. 1.60 pro Fotokopie. Bei einem Stundenansatz von Fr. 40.-- erhöhen sich diese Kosten sogar auf Fr. 2.26. Wenn für die Herstellung einer Fotokopie drei Minuten eingesetzt werden, würde die Herstellung der im vorliegenden Fall benötigten 944 Kopien ungefähr 5 Arbeitstage in Anspruch nehmen. Ein solcher Zeitraum wird aber für die Herstellung der ![]() | 22 |
Bei einer grossen Auflage von Fotokopien, wie sie im vorliegenden Fall hergestellt werden musste, wäre ein Gebührenansatz von Fr. 1.-- pro Kopie (der von der kantonalen Finanzkontrolle empfohlen und von der Beschwerdeführerin anerkannt wurde) mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Eine solche Gebühr stünde nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung, insbesondere zum benötigten Arbeitsaufwand. Der im vorliegenden Fall angewandte Gebührentarif von Fr. 2.-- pro Fotokopie wäre hingegen bei kleineren Auflagen möglicherweise gerechtfertigt, da bei solchen Auflagen der Arbeitsaufwand pro Kopie grösser ist als bei grossen Auflagen. Über die Frage des anzuwendenden Gebührenansatzes ist im vorliegenden Verfahren aber nicht zu entscheiden.
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e) Da die Beschwerde bereits aus dem erwähnten Grund gutgeheissen werden muss, ist nicht zu prüfen, ob die angefochtene Gebühr, wie von der Beschwerdeführerin zusätzlich behauptet, auch die Rechtsgleichheit verletzt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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