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20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. September 1981 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; § 494 der zürcherischen Strafprozessordnung. | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
3. a) Das Bundesgericht hatte sich vor einiger Zeit bereits mit der Frage zu befassen, ob Entscheide betreffend ein Begnadigungsgesuch von Bundesrechts wegen einer Begründung bedürften. Es hat dies abgelehnt, wobei es in den Erwägungen ausführte, Entscheide dieser Art gingen nicht vom Richter aus, sondern stellten einen Hoheitsakt dar, der ausserhalb des prozessualen Rechtsganges gewährt werde; eine schriftliche Begründung sei daher nicht notwendig. Angesichts der für den Entscheid massgebenden Gesichtspunkte wäre dessen Begründung auch nicht leicht möglich (BGE 95 I 546). Seither wurde die Frage, soweit ersichtlich, vor Bundesgericht nicht mehr aufgeworfen. Dagegen haben sich mehrere schweizerische Autoren damit befasst. SCHLATTER (Die Begnadigung im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1970, S. 71) hält § 494 StPO als mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs schwer vereinbar. Er glaubt, der Gesuchsteller benötige die Begründung, wenn er ein Wiedererwägungsgesuch stellen wolle, und er verweist im gleichen Zusammenhang auch auf die Möglichkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die aber nicht in Betracht fällt. REAL (Die Begnadigung im Kanton Aargau, Diss. Zürich 1981, S. 202 f.) gelangt zum gleichen Ergebnis. Er stützt sich darauf, dass nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung jeder eine Person belastende Verwaltungsakt mindestens summarisch zu begründen sei, SCHULTZ (Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 3. A., Bd. I, S. 232 f.) behandelt die ![]() | 2 |
b) Prüft man die hier streitige Frage unter Berücksichtigung der erwähnten Literatur und Rechtsprechung, so gelangt man zu folgenden Schlüssen:
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Es ist unbestritten, dass der schweizerische Gesetzgeber - wie übrigens die Gesetzgeber aller einer verwandten Rechtsauffassung verpflichteten Staaten - die Begnadigung als Eingriff einer hohen politischen Behörde in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung ausgestaltet hat, wobei es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist, ob das Begnadigungsrecht dem Parlament oder der Kantonsregierung zusteht (vgl. zu dieser Frage BGE 95 I 542 ff.). Aus der Natur des Institutes sowie aus dem Schweigen des Gesetzgebers hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der Begnadigung lässt sich schliessen, dass diese nicht nach abstrakt formulierbaren, einheitlichen Regeln zugelassen oder ausgeschlossen werden sollte. Die Beschwerdeführerin macht dies selbst nicht geltend. Bei der Ausübung des Begnadigungsrechtes steht der zuständigen Behörde vielmehr ein praktisch kaum begrenzbares freies Ermessen zu. Sie kann dieses Ermessen nicht nur unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers ausüben, sondern sie darf daneben z.B. auch politische Gesichtspunkte in Betracht ![]() | 4 |
Damit kann sich allein noch die Frage stellen, ob eine Begründungspflicht auch dann noch einen praktischen Sinn habe, wenn davon ausgegangen wird, dass gegen den Entscheid ein Rechtsbehelf nicht zur Verfügung steht. Dies ist zu verneinen. Als einziger Fall, in dem es unter Umständen wünschbar sein könnte, die Gründe der Abweisung des Gesuches zu kennen, kommt jener eines zweiten Begnadigungsverfahrens in Frage. Indessen ist auch hier von grundlegender Bedeutung, dass die Begnadigung ein besonderes, von der Rechtsprechung unabhängiges Institut ist, über das eine politische Behörde mit praktisch unbegrenzt freiem Ermessen entscheidet. Die Gründe für den früheren Entscheid können zwar von Interesse sein, binden aber die Behörde in keiner Weise. Auch dieser Gesichtspunkt führt somit nicht zur Annahme einer Begründungspflicht. Abgesehen davon weiss der Gesuchsteller sehr wohl, mit welcher Begründung er um Begnadigung nachsucht. Er ist daher bei Ablehnung seines Gesuches selbst in der Lage, die Entscheidungsgründe der Behörde zu ermessen. Schliesslich liegt in der Regel auch ein begründeter Antrag der vorprüfenden Stelle bei den Akten, auf den nötigenfalls zurückgegriffen werden könnte. Aus der nahezu vollkommenen Ermessensfreiheit der Begnadigungsbehörde ergibt sich, dass ein praktisches Interesse der Beschwerdeführerin an einer Begründung des Entscheids zu verneinen ist.
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Damit liesse sich eine Begründungspflicht für Entscheide in Begnadigungssachen höchstens noch mit abstrakten Erwägungen (etwa im Sinne der angeführten Ausführungen von GEORG MÜLLER) ![]() | 6 |
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