![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
24. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Oktober 1981 i.S. Seefeld Appartement AG gegen Bausektion II des Stadtrates Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 22ter BV; Abbruch rechtswidriger Gebäudeteile; Verwirkung. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Die Seefeld Appartement AG führt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 22ter BV.
| 2 |
Erwägungen: | |
3 | |
![]() | 4 |
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist dann zu machen, wenn die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes aus baupolizeilichen Gründen im engeren Sinne geboten ist. Wird durch den Fortbestand eines baugesetzwidrigen Gebäudes oder Gebäudeteiles eine konkrete, d.h. ernsthafte und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Bewohner oder der Passanten geschaffen, so können die Behörden den Abbruch dieses Gebäudes oder Gebäudeteiles unbekümmert um den Zeitablauf verfügen. Wie in BGE 105 Ib 268 ausdrücklich festgehalten wurde, ist es undenkbar, im Schutzbereich der Polizeigüter die Verjährung bzw. Verwirkung zuzulassen.
| 5 |
Massnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren für solche Güter dürfen von den Behörden jederzeit getroffen werden.
| 6 |
b) Es bleibt für die Fälle, in denen die Beseitigung des baugesetzwidrigen Zustandes nicht im Sinne der erwähnten Ausnahme stets verlangt werden kann, die Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf die Befugnis der Behörden zur Anordnung des Abbruchs ![]() | 7 |
Die Befristung hat zur Folge, dass der Grundeigentümer des baugesetzwidrigen Gebäudes sozusagen das Recht "ersitzt", den an sich rechtswidrigen Zustand des Gebäudes oder Gebäudeteiles beizubehalten. Diese Überlegung legt es nahe, die zivilrechtlichen Regeln über die Ersitzung heranzuziehen. Der Natur der Sache nach kann hierbei nur die für die ausserordentliche Ersitzung von Grundeigentum geltende Regel des Art. 662 ZGB analog herangezogen werden, denn eine ähnliche Situation, wie sie für einen ungerechtfertigt im Grundbuch eingetragenen Grundeigentümer besteht, liegt nicht vor, wenn jemand Eigentümer eines Grundstückes ist, auf welchem sich ein baugesetzwidriges Gebäude befindet. Die dreissigjährige Frist drängt sich zudem aus praktischen Gründen auf. Auf die Dauer von drei Jahrzehnten zurück kann das geltende kommunale und kantonale Baurecht sowie, was entscheidend ist, die Praxis hiezu noch einigermassen sicher festgestellt werden. Die Frist von dreissig Jahren beginnt mit der Fertigstellung des baugesetzwidrigen Gebäudes bzw. Gebäudeteiles zu laufen (vgl. dazu ähnliche Überlegungen für forstrechtliche Tatbestände in BGE 105 Ib 271 E. 6b).
| 8 |
c) Die dreissigjährige Frist scheint lang, doch wird sie nur in seltenen Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. In der Regel werden nämlich die Baupolizeibehörden bei ihrer überwachenden Tätigkeit Baugesetzwidrigkeiten rasch feststellen, da diese meistens von aussen her ersichtlich sind. Nur dort, wo sich die Rechtswidrigkeit auf das Gebäudeinnere beschränkt, wird es oft längere Zeit dauern, bis der rechtswidrige Zustand von den Behörden wahrgenommen wird. Ein Vorbehalt ist analog wie im Forstpolizeirecht (vgl. dazu BGE 105 Ib 272) für Fälle zu machen, in denen die Baupolizeibehörden zwar vor Ablauf der dreissigjährigen Frist einschreiten, die rechtswidrigen Gebäude oder Gebäudeteile aber über Jahre hinaus duldeten, obschon ihnen die Gesetzwidrigkeit bekannt war oder sie diese bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten kennen müssen. Hier müsste allenfalls der aus Art. 4 BV folgende Schutz von Treu und Glauben Platz greifen. In der Regel verwirken aber die Behörden ihren Anspruch, den Abbruch baugesetzwidriger Gebäude oder Gebäudeteile anzuordnen, erst nach dreissig Jahren.
| 9 |
2. Die kantonalen Instanzen und die Beschwerdeführerin gehen davon aus, die streitige Galerie sei in den zwanziger Jahren ![]() | 10 |
Die fragliche Galerie ist in dreifacher Hinsicht baugesetzwidrig, mit Bezug auf die Geschosszahl (sie bildet ein unzulässiges siebentes Geschoss), hinsichtlich der lichten Höhe (diese beträgt unter und über dem Galerieteil 1,95 m bzw. 2,0 m anstatt 2,4 m oder 2,5 m und bezüglich der Fensterfläche (2,2 m2 anstatt 4,1 m2). Zwar verstösst sie damit gegen Vorschriften, die gesundheitspolizeilich und wohnhygienisch motiviert sind. Dieser Umstand allein genügt indes nicht, um eine Verwirkung des Anspruchs der Behörden, die Beseitigung eines rechtswidrigen Gebäudeteiles zu verlangen, auszuschliessen. Erforderlich ist ausserdem, dass durch den gesetzwidrigen Zustand eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Bewohner oder der Passanten geschaffen wird. Dies lässt sich hinsichtlich der hier in Frage stehenden Galerie nicht sagen. Da sie in einen Raum eingebaut ist, der eine Höhe von 4 m sowie ein beachtlich grosses Fenster aufweist, besteht weder wohnhygienisch noch gesundheitspolizeilich eine Gefährdung der Bewohner, auch wenn unter und über dem Galerieteil die gesetzlich vorgeschriebene Höhe um ca. 40 cm unterschritten wird. Die Berufung der Behörden auf die Feuersicherheit, mit der die Auflage betreffend Erstellung einer feuerhemmenden Trennwand begründet wird, geht ebenfalls fehl. Es verhält sich entgegen den Erwägungen im Entscheid der Baurekurskommission nicht so, dass im Galerieteil, der über Küche und Abort liegt, Räume mit verschiedener Benützungsart aneinandergrenzen, denn der Estrichraum soll ja - durch die zu errichtende Trennwand - erst geschaffen werden. Feuerpolizeilich gerechtfertigt war einzig die Verfügung, die vorhandenen Türen zum Estrich seien feuerhemmend zu erstellen. Diese Auflage war jedoch vor Verwaltungsgericht nicht mehr streitig, sondern die Beschwerdeführerin hat sie in ihrer Beschwerde an jene Instanz ausdrücklich anerkannt.
| 11 |
Es liegt demnach kein Fall vor, in welchem die Beseitigung des rechtswidrigen Gebäudeteiles ohne Rücksicht auf den Zeitablauf ![]() | 12 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |