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19. Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1982 i.S. Sch. gegen B. und Kantonsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. |
Art. 4 BV. |
1. Die Kantone dürfen die Vertretung bei der Strafantragsstellung bestimmten Formerfordernissen unterstellen, soweit diese die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts nicht vereiteln (E. 3a). |
2. Die Formvorschriften der Zivilprozessordnung des Kantons Schwyz über die Vertretung auf die Strafantragsstellung des Geschädigten analog anzuwenden, ist zulässig (E. 3a). Eine Verletzung von Art. 4 BV liegt aber vor, wenn nicht sämtliche entsprechenden Bestimmungen der ZPO angewendet werden, wie das Nachbesserungsrecht bei mangelhafter Klageeinleitung (§ 97 SZ/ZPO) und bei fehlender oder ungenügender Vollmacht (§ 35 SZ/ZPO; E. 3b). | |
Sachverhalt | |
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Am 17. März 1981 sprach das Bezirksgericht March B. der fortgesetzten üblen Nachrede und der fortgesetzten Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 700.-- und zur Bezahlung einer Genugtuungssumme von Fr. 500.-- an den Verletzten.
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Mit Beschluss vom 21. Januar 1982 hob das Kantonsgericht des Kantons Schwyz in Gutheissung einer Berufung des Verurteilten den Entscheid des Bezirksgerichts auf und stellte das Verfahren gegen B. betreffend Ehrverletzung ein, weil der Vertreter des Verletzten nicht innert der Antragsfrist von drei Monaten seine Vollmacht entsprechend den Vorschriften des kantonalen Verfahrensrechts schriftlich bei der zuständigen Behörde eingereicht habe, bzw. eine solche Vollmacht nicht innert der genannten Frist vom Vertretenen zu Protokoll erklärt worden sei.
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B.- Sch. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Er beantragt, den Beschluss des Kantonsgerichts vollumfänglich aufzuheben.
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B. beantragt kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz hat sich im gleichen Sinne vernehmen lassen.
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Die Verletzung eines solchen Rechts wird hier gerügt, indem geltend gemacht wird, das Kantonsgericht habe den dem Beschwerdeführer nach kantonalem Prozessrecht zustehenden Anspruch auf nachträgliches Beibringen der Vollmacht versagt und sei dabei in überspitzten Formalismus verfallen.
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2. Das Kantonsgericht hat in Anwendung kantonalen Verfahrensrechts entschieden, der vom Vertreter des Verletzten gestellte Strafantrag sei innert der Frist des Art. 29 StGB nicht formgültig gestellt worden. Es ist dabei zutreffend von der Überlegung ausgegangen, dass die Art. 28-31 StGB, die den Strafantrag regeln, keine Formvorschriften enthalten und dass nach der Praxis des Bundesgerichts ein gültiger Strafantrag vorliegt, wenn der Antragsberechtigte innert Frist bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde und in der ebenfalls vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form seinen bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Täters so erklärt, dass das Strafverfahren ohne ![]() | 8 |
In Berücksichtigung des § 19 Abs. 1 SZ/StPO, demzufolge sich der Geschädigte im Strafverfahren vertreten lassen kann, nahm das Kantonsgericht an, diese Bestimmung sage nicht ausdrücklich, in welcher Form dies zu geschehen habe; sie sei deshalb auslegungsbedürftig und müsse gemäss § 1 Abs. 2 SZ/StPO nach der Regel interpretiert werden, welche der StPO am besten entspreche. Unter Hinweis auf ein von ihm am 4. Februar 1981 gefälltes Urteil entschied es, dass die Bestimmungen der SZ/ZPO über die Parteivertretung analog anzuwenden seien, weil die StPO selbst zur konkreten Ausgestaltung eines Rechtsinstituts regelmässig auf zivilprozessuale Verfahrensvorschriften verweise (s. §§ 19 Abs. 2, 47, 104, 142, 157 u.a.m. StPO) und deren Anwendung sachlich auch hier angezeigt sei. In analoger Anwendung des für das ordentliche Verfahren geltenden § 32 SZ/ZPO fand es, dass der von einem Vertreter gestellte Strafantrag nur formgültig sei, wenn jener innert Frist eine schriftliche Vollmacht einreiche oder diese vom Vertretenen innert Frist zu Protokoll erklärt werde. Solange es daran fehle, sei der gestellte Strafantrag mangelhaft und nicht rechtswirksam.
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Dieser letzte Schluss des Beschwerdeführers hilft jedoch nicht über die Tatsache hinweg, dass auf dem Gebiet des Straf- wie des Zivilrechts die Regelung des gerichtlichen Verfahrens Sache der Kantone ist (Art. 64 Abs. 3 und 64bis Abs. 2 BV) und dass diese deshalb befugt sind, die Vertretung vor ihren Gerichten bestimmten Formerfordernissen zu unterstellen, die über diejenigen des materiellen Bundesrechts hinausgehen (s. BGE 106 IV 245; LEUCH, Die ZPO für den Kt. Bern, 3. Aufl., N. 1 zu Art. 84). Sie sind in dieser Befugnis bloss insoweit eingeschränkt, als sie nicht Formvorschriften erlassen dürfen, welche die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts ohne sachlichen Grund erschweren und sich durch keine schutzwürdigen Interessen rechtfertigen lassen (BGE 105 Ia 53 mit Verweisungen). Das aber kann von einer kantonalen Verfahrensvorschrift, die vom Vertreter des Antragstellers verlangt, dass er innert der Frist des Art. 29 StGB sich durch Einreichung einer schriftlichen Vollmacht legitimiere, und die formelle Gültigkeit des Antrags davon abhängig macht, nicht gesagt werden (P.R. GILLIÉRON, etc., Procédure pénale vaudoise, 1969, S. 47 unten C; WAIBLINGER, Das Strafverfahren des Kts. BE, N. 1 zu Art. 45; LEUCH, a.a.O., N. 1 zu Art. 84). Einmal wird dadurch die Durchsetzung des materiellen Rechts nicht in rechtlich erheblichem Masse erschwert, und zum andern besteht ein durchaus legitimes Bedürfnis auf seiten des Gerichts wie auf seiten der Gegenpartei, von Anbeginn des Strafprozesses an zu wissen, ob der von einem Vertreter gestellte Strafantrag als Ausdruck eines höchstpersönlichen Rechts des Verletzten auch tatsächlich dessen Willen entspreche (s. etwa BGE 99 IV 2; R. HAUSER, Kurzlehrbuch des schweiz. Strafprozessrechts, S. 95 § 40).
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b) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, für den Fall der analogen Anwendung des Zivilprozesses gehe es nicht an, noch strengere Formvorschriften aufzustellen, als sie in der ZPO vorgezeichnet seien. So sei es völlig unangängig, die in der ZPO als ![]() | 14 |
Der vom Kantonsgericht analog zur Anwendung gebrachte § 32 SZ/ZPO lautet wie folgt:
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"Wer eine Partei vertritt, bedarf einer schriftlichen oder zu Protokoll erklärten Vollmacht.
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Das Gericht kann verlangen, dass die Unterschrift des Vertretenen beglaubigt wird."
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Diese Bestimmung schreibt bloss vor, dass der Vertreter einer schriftlichen Vollmacht bedarf. Freilich wäre es wenig sinnvoll, einen schriftlichen Beleg zu verlangen, nicht aber zugleich dessen Einreichung beim Gericht. Wenn das Gesetz schon den Besitz einer schriftlichen Vollmacht verlangt, so zum Zweck des Nachweises der Bevollmächtigung bei der zuständigen Behörde. Damit ist aber noch keineswegs gesagt, dass dieser Nachweis auch innert der Frist erfolgen müsse, der für die vom Vertreter vorgenommene Prozesshandlung vorgeschrieben ist. Insbesondere lässt sich aus § 32 SZ/ZPO nichts dafür entnehmen, dass eine Vollmacht innerhalb einer für die Klageeinreichung vorgesehenen Frist beizubringen sei. Für einen solchen Schluss bietet § 32 SZ/ZPO keinen sachlichen Anhalt, noch führt das Kantonsgericht eine andere Bestimmung an, auf die sich eine entsprechende Annahme stützen liesse. Der von ihm selber erwähnte § 97 SZ/ZPO, demzufolge "nach Einreichung der Klage" u.a. die Berechtigung des Vertreters zur Prozessführung von Amtes wegen zu prüfen ist und zur Verbesserung allfälliger Mängel das Geeignete angeordnet "wird", spricht vielmehr entschieden gegen eine solche Schlussfolgerung, zumal die einem Kläger für die Einreichung seiner Klage allenfalls vorgeschriebene Frist - und das gilt auch für die Strafantragsfrist des Art. 29 StGB - voll zur Verfügung steht, er jene Prozesshandlung also auch erst am letzten Tag derselben ohne Rechtsnachteil vornehmen darf. Dadurch, dass er nicht zugleich auch die Vollmacht beibringt, wird - sofern das Gesetz nicht ausdrücklich das Gegenteil vorsieht, was hier nicht zutrifft - die Klage nicht rechtsunwirksam. Es wird auf sie bloss nicht eingetreten, wenn die Partei oder ihr Vertreter der von der Behörde gemäss § 97 SZ/ZPO getroffenen Anordnung zur Verbesserung des Mangels nicht nachkommt (s. auch BGE 106 IV 245). Diese Lösung entspricht sowohl dem Postulat, dass auf strenge Gültigkeitsvorschriften bloss ![]() | 18 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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