![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
16. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 21. Juni 1983 i.S. H. c. Schweiz. Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (Beschwerde gegen Kostenerkenntnis) | |
Regeste |
1. Art. 62 Abs. 2 und 70 Abs. 2 VStrR. |
2. Art. 6 Ziff. 2 EMRK. |
Wird ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, ist die auf eine Schuldvermutung gestützte Kostenauflage mit Art. 6 Ziff. 2 EMRK unvereinbar (E. 2b). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Mit Eingabe vom 6. Juni 1983 führt H. gegen den Kostenentscheid der KTD Luzern bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei im Kostenpunkt aufzuheben und es sei ihm eine vom Bundesgericht zu bemessende "Kostenentschädigung" zuzusprechen.
| 2 |
Aus den Erwägungen: | |
3 | |
a) Eine mutwillige Erschwerung oder Verlängerung des Verfahrens wurde in der angefochtenen Verfügung nicht zur Last gelegt. Erst in der Vernehmlassung enthaltene Gründe, mit denen eine unnötige Erschwerung bzw. Verlängerung des Verfahrens nachträglich darzutun versucht wird, sind unbeachtlich. Nach Art. 70 Abs. 2 VStrR sind Einstellungsverfügungen, die aufgrund einer ![]() | 4 |
b) Aus dem Umstand, dass eine Widerhandlung des Beschwerdeführers gegen Art. 42 TVG - auch wenn sie nicht hinreichend bewiesen werden konnte - "aufgrund der vorhandenen Tatsachen und Indizien... wahrscheinlich" sei, scheint die KTD Luzern zu schliessen, H. habe die Untersuchung schuldhaft verursacht. Sollte dem so sein, dann hätte die Vorinstanz mit der Kostenauflage ein auf eine Schuldvermutung gestütztes und von der vorgenannten Strafbestimmung erfasstes Verhalten geahndet, was nach der neuesten Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mit Art. 6 Ziff. 2 EMRK unvereinbar ist. Wie dieser Gerichtshof am 25. März 1983 i.S. Minelli (6/1981/ 45/73 S. 15) entschieden hat, liegt ein Verstoss gegen die im genannten Artikel verankerte Unschuldsvermutung vor, wenn ohne vorgängigen gesetzmässigen Nachweis der Schuld ("sans établissement légal préalable de la culpabilité") und namentlich ohne dass der Beschuldigte Gelegenheit zur Verteidigung hatte, ein Entscheid ergeht, der den Eindruck vermittelt, der Betroffene sei schuldig. Dafür genügt, dass die Erwägungen nahelegen, der Richter halte diesen für schuldig ("il suffit d'une motivation donnant à penser que le juge considère l'intéressé comme coupable"); einer formellen Feststellung der Schuld ("constat formel") bedarf es nicht.
| 5 |
Im vorliegenden Fall ist kein Schuldspruch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR) oder einer Strafverfügung (Art. 70 VStrR) ergangen, wurde doch das Verfahren mangels Beweises einer strafbaren Handlung eingestellt. Bei der im vorgenannten Sinne verstandenen Begründung des angefochtenen Kostenentscheides läge jedoch der Gedanken nahe, ![]() | 6 |
c) Sollte jedoch die Kostenauflage nicht auf der genannten Schuldvermutung beruhen, wäre sie mangels Begründung aufzuheben.
| 7 |
Demnach erkennt die Anklagekammer:
| 8 |
9 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |