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19. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. April 1983 i.S. Frau M. gegen K. und Verwaltungsgericht des Kantons Wallis (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 88 OG; Legitimation. |
Der Ehefrau des Eigentümers einer Liegenschaft, wo die beiden in Hausgemeinschaft wohnen, fehlt die Legitimation, gegen ein vom Nachbarn ausgeschriebenes Bauprojekt in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zu führen. | |
Sachverhalt | |
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Frau M. hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht mit dem Antrag, es aufzuheben.
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Erwägungen: | |
Nach Art. 88 OG steht Bürgern das Recht zur Führung einer staatsrechtlichen Beschwerde u.a. bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch sie persönlich treffende Verfügungen erlitten haben. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und frei, unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren die Beschwerdebefugnis zuerkannt worden ist (BGE 106 Ia 63).
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a) Eigentümer der Liegenschaft, wo die Beschwerdeführerin wohnt, ist ihr Ehemann M. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, von ihrem Ehemann zur Beschwerdeführung beauftragt und bevollmächtigt worden zu sein, nicht einmal, sie handle mit seinem Einverständnis. Die Akten enthalten keinerlei Erklärung des Ehemanns zur vorliegenden Beschwerde. Dagegen geht aus ihnen hervor, dass M. als Gemeindepräsident am Beschluss der Gemeindebehörde auf Erteilung der Baubewilligung mitgewirkt und nicht etwa den Ausstand genommen hat. Unbestritten ist auch, dass er die Vernehmlassung der Gemeinde vom 26. November 1980 an die kantonale Baukommission unterzeichnet hat, mit der die Abweisung der Einsprache seiner Ehefrau beantragt wird.
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Die Beschwerdeführerin führt zudem nicht im Namen ihres Ehemanns, sondern in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde. In der Beschwerdeschrift begründet sie ihre Legitimation in keiner Weise. Vom Verwaltungsgericht wurde sie in jenem Verfahren als Nachbarin, die ihre eigenen persönlichen Interessen verficht, zur Beschwerdeführung zugelassen. In der Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde vertritt das Verwaltungsgericht aber die Auffassung, es sei nicht einzusehen, in welchen persönlichen, rechtlich geschützten Interessen die Beschwerdeführerin hier betroffen werde, weshalb die Legitimation nach Art. 88 OG zu fehlen scheine.
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b) Im Unterschied zum Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a OG setzt die Befugnis zu einer auf Art. 4 BV gestützten staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung in rechtlich geschützten Interessen voraus. Ein solches Interesse billigt die Rechtsprechung dem Nachbarn zu, sofern er geltend macht, der angefochtene Entscheid verletze Bauvorschriften, die ![]() | 7 |
c) Näher zu prüfen ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin unabhängig von ihrem Ehemann, allenfalls sogar gegen dessen Willen, als beschwerdeberechtigter Nachbar im Sinne der Rechtsprechung zu betrachten ist. Als solcher gilt in der Regel der Eigentümer der Nachbarliegenschaft. Unter gewissen Voraussetzungen wird jedoch auch der Mieter zur staatsrechtlichen Beschwerde zugelassen, da durch eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung nicht nur der Eigentümer, sondern mittelbar auch der Mieter in seiner Rechtsstellung betroffen werden kann (BGE 105 Ia 46). Dies ergab sich im erwähnten Fall aus der erfolgreichen Anrufung der Eigentumsgarantie durch den Mieter.
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In BGE 106 Ia 409 ff. hat das Bundesgericht die massgebende Regel hervorgehoben, dass die staatsrechtliche Beschwerde weder die Wahrung einfacher faktischer Interessen noch die Geltendmachung allgemeiner Interessen zum Ziele haben kann. Es hat seine Rechtsprechung dahin präzisiert, dass ein Mieter nur dann zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist, wenn er die Verletzung eines Rechtssatzes dartut oder hochwahrscheinlich macht, der in erster Linie oder hilfsweise seine persönlichen Interessen schützt.
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Nach diesen Kriterien könnte ein Mieter im Haus M. die Beschwerdebefugnis gemäss Art. 88 OG nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er unter Berufung auf die Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV darzutun vermöchte, dass er durch das Bauvorhaben in seinem Besitz der Mietsache oder in seinem Recht auf Abwehr übermässiger Immissionen rechtserheblich betroffen ![]() | 10 |
d) Die Beschwerdeführerin ist nicht Mieterin, sondern die Ehefrau des Hauseigentümers. Sie hat sich nicht auf die Eigentumsgarantie gestützt. Ebensowenig macht sie aus dem ehelichen Güterrecht hergeleitete Vermögensansprüche und deren Verletzung durch das angefochtene Bauvorhaben geltend. Vor Verwaltungsgericht hatte sie sich auf Art. 160 Abs. 2 ZGB berufen und vorgebracht, da der Ehemann die häusliche Wohnung bestimme, sei die Ehefrau nach Gesetz gezwungen, in der von ihm ausgewählten Wohnung zu verweilen; sie sei daher mehr noch als ein Mieter als "Nachbarin" anzusehen.
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Aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Wirkungen der Ehe im allgemeinen geht hervor, dass die Ehegatten vom Gesetzgeber als Lebensgemeinschaft betrachtet werden, die nach aussen in der Regel als solche auftritt. Vertreter der ehelichen Gemeinschaft ist gemäss Art. 162 Abs. 1 ZGB der Ehemann, die Ehefrau lediglich im beschränkten, hier nicht genügenden Rahmen von Art. 163 ZGB. Eine Sonderregelung gilt, wenn die Ehegatten gerichtlich getrennt worden sind, wenn ein Scheidungs- oder Trennungsprozess hängig ist oder wenn der Richter zum Schutz der Gemeinschaft Massnahmen nach Art. 169 ff. ZGB zu treffen hat.
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Die Ehegatten M. leben in Hausgemeinschaft, und es wird keiner der erwähnten Sondertatbestände geltend gemacht. Demzufolge bestimmt in der Tat der Ehemann die eheliche Wohnung und regelt nach aussen die Fragen, die damit im Zusammenhang stehen. Er darf dies freilich nicht ohne Rücksichtnahme auf die Ehefrau tun, die regelmässig einen erheblich grösseren Teil des Tages in der ehelichen Wohnung verbringt als der Ehemann. Seine Rücksichtspflicht ergibt sich klar aus Art. 160 Abs. 2 ZGB. Meist gelingt es der Ehefrau, ihre Vorstellungen in dieser Hinsicht mit den seinigen in Übereinstimmung zu bringen. Kommt jedoch der Ehemann seiner Pflicht, der Ehefrau eine den Lebensumständen der Ehegatten angemessene und genügend gesunde Wohnung zur Verfügung zu stellen, nicht nach, so hat die Ehefrau gemäss Art. 169 ff. ZGB das Recht, den Richter anzurufen und gegebenenfalls den gemeinsamen Haushalt aufzuheben. Ein Recht, anstelle des Ehemanns, unabhängig von diesem, allenfalls sogar wider dessen Willen gegen ein vom Nachbarn ausgeschriebenes Bauprojekt vorzugehen, lässt sich daraus nicht ableiten. Die Ehefrau ![]() | 13 |
Die Beschwerdeführerin beruft sich lediglich auf Art. 4 BV, indem sie willkürliche Anwendung des örtlichen Baureglements betreffend die Ausnützungsziffer und damit den zulässigen Baukubus geltend macht. Sie vermag nach dem Gesagten nicht darzutun, dass diesbezüglich ein gesetzliches Recht, das ihr persönlich dem bauwilligen Nachbarn gegenüber zustünde, verletzt worden wäre. Handelt es sich aber nur um die Wahrung faktischer oder die Geltendmachung öffentlicher Interessen, so ist die Legitimation im Sinne von Art. 88 OG nicht gegeben.
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