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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Juni 1983 i.S. Haus zum Gold AG gegen Finanzdepartement und Appellationsgericht (Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; das zur Bemessung der Ertrags- und Kapitalsteuer massgebliche Eigenkapital. |
2. Die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher Betrachtungsweise bei der Interpretation einer Steuernorm, die mit wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten arbeitet, und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei Steuerumgehung, wo in Abweichung von einer Steuernorm, die mit zivilrechtlichen Kriterien operiert, auf das wirtschaftliche Verhältnis zurückgegriffen wird, ist u.a. wesentlich für die unterschiedliche Handhabe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Bereich der Unterkapitalisierung (E. 2). |
3. Keinerlei Verfassungsrecht gebietet dem Gesetzgeber, bei der steuerlichen Behandlung des Eigenkapitals von Handelsgesellschaften ausschliesslich auf den obligationenrechtlichen Eigenkapitalbegriff abzustellen oder vom Risikokapital auszugehen. Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum in der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in der Wahl der Mittel zu deren steuerlicher Erfassung (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Auf Grund der Bilanz per 31. Dezember 1976 errechnete die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt ein verdecktes Eigenkapital der Beschwerdeführerin von Fr. 398'059.-- (nebst dem offen ausgewiesenen Eigenkapital). Die darauf entfallenden Passivzinsen wurden für die Ertragssteuer pro 1976 nicht anerkannt, sondern mit Fr. 25'964.-- zum deklarierten Ertrag aufgerechnet. Diese Korrekturen ergaben ein steuerbares Kapital von Fr. 566'741.-- und einen steuerbaren Reinertrag von Fr. 172'665.--. Die Steuerforderung von Fr. 50'998.-- wurde von der Beschwerdeführerin erfolglos mit Einsprache sowie mit Rekursen an die Steuerrekurskommission und an das Appellationsgericht Basel-Stadt angefochten.
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Die gegen den Entscheid des Appellationsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde richtet sich materiell gegen die ![]() | 3 |
"nicht erkannt hat, dass § 71a des Steuergesetzes BS durch das unwiderlegbare Abstellen auf den "Buchwert" in einer Weise, die vom angestrebten Zweck (Verhinderung übermässiger Fremdkapital-Finanzierung bei Immobiliengesellschaften) in keiner Weise mehr gedeckt wird, sinn- und zwecklos ist und die sachlich erforderlichen Unterscheidungen nicht trifft, indem mindestens ein erheblicher Teil der als "verdecktes Eigenkapital" behandelten Darlehen kein Risikokapital ist und von Dritten jederzeit im gleichen Umfang unter marktüblichen Bedingungen als Fremdkapital beschafft werden könnte."
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Für Kapitalgesellschaften (...), denen von ihren Gesellschaftern (...) oder diesen nahestehenden Personen Fremdkapital zur Verfügung gestellt worden ist, erhöht sich das nach § 71 steuerbare Eigenkapital um dieses Fremdkapital, bis der Gesamtbetrag bei Grundstücken 1/5 und bei den übrigen Aktiva 1/6 der steuerlich massgebenden Buchwerte ausmacht."
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b) Es ist nicht bestritten, dass § 71a auf den vorliegenden Fall richtig angewendet wurde. Hingegen wird geltend gemacht, diese Bestimmung selbst verstosse gegen Art. 4 BV. Diese Rüge kann bei Anwendung der fraglichen Norm mit der Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid über die Steuerveranlagung erhoben werden; sie führt zu einer inzidenten Normenkontrolle (BGE 104 Ia 87 E. 5, BGE 101 Ia 194 /5 E. 1a mit Hinweisen).
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2. a) Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei der Interpretation einer Steuernorm, die mit wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten arbeitet, ist zu unterscheiden von der ![]() | 9 |
b) Der Wehrsteuerbeschluss enthält bezüglich der Aktiengesellschaften keine Bestimmung über das Verhältnis, das zwischen Eigenkapital (Grundkapital und Reserven) und Fremdkapital bestehen sollte (BGE 102 Ib 154 E. 2). Deshalb kann die Wehrsteuerbehörde formell in der Bilanz erscheinendes Fremdkapital nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als zum Eigenkapital gehörend behandeln, es sei denn, die besondern Voraussetzungen einer Steuerumgehung seien gegeben (BGE 102 Ib 155 E. 3a; BGE 106 Ib 322). Eine Steuerumgehung liegt aber nur vor, wenn eine ungewöhnliche, den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht angemessene Form gewählt wird, die lediglich zum Ziel hat, Steuern zu sparen, welche bei der üblichen Form zu bezahlen wären. Nun geschieht aber die normale Finanzierung der Aktiengesellschaft in dem Ausmass, als sie nicht mit Darlehen von Dritten erfolgen kann, durch das Grundkapital und nicht durch Darlehen der Aktionäre (BGE 102 Ib 156 E. 4a). Wird trotzdem das letztere gewählt, liegt nach der Praxis eine Steuerumgehung vor. In welchem Umfang aber Darlehen von Dritten erhältlich sind, hängt u.a. vom Verkehrswert der Liegenschaften ab. Die Unterkapitalisierung besteht daher in dem Umfang, in welchem die Fremdgelder den Betrag überschreiten, den eine Gesellschaft bei Dritten ohne andere Garantien als ihre Aktiven erhalten kann (BGE 102 Ib 157). Da es bei der Ausgangslage des Wehrsteuerbeschlusses um die Feststellung des Risikokapitals geht, muss auf den Verkehrswert der Liegenschaften und nicht auf deren Buchwert abgestellt werden.
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c) Anders ist die Situation, wenn ein kantonales Steuergesetz selber bestimmt, in welchem Umfang bei Handelsgesellschaften zur richtigen steuerlichen Erfassung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit deren Fremdkapital steuerlich wie Eigenkapital zu behandeln ist. Dann bedient sich eben der Gesetzgeber selbst ![]() | 11 |
d) Diese Methode hat den doppelten Vorteil, dass nicht in jedem Einzelfall die wirtschaftliche Situation (insbesondere die Möglichkeit der Beschaffung von Fremdkapital) untersucht werden muss und dass gleichzeitig steuerpolitische Postulate erfüllt werden. Der Steuergesetzgeber stellt gewissermassen eine praesumptio iuris et de iure auf darüber, was er steuerrechtlich als "Eigenkapital" betrachtet. Mit der Wahl der steuerlich massgebenden Buchwerte als Bezugspunkt wird ein einfaches Veranlagungskriterium geschaffen, das übrigens für den Steuerpflichtigen günstiger ist als der Verkehrswert. Das steuerpolitisch Entscheidende ist aber, dass nicht bloss - wie bei der Steuerumgehung - auf das Risikokapital abgestellt wird. Es soll nicht nur jene Unterkapitalisierung getroffen werden, die in der Form vorliegt, dass die Werte der Gesellschaft in einem Umfang mit Fremdmitteln erworben wurden, der den Marktverhältnissen nicht entspricht, sondern auch jene, die darin besteht, dass die der Gesellschaft effektiv zur Verfügung stehenden Werte im Gesellschaftskapital (bzw. in den versteuerten Reserven) gar nicht in Erscheinung treten, dafür aber mit Darlehen der Gesellschafter "belehnt" werden. In diesem Fall wird nicht bloss die Besteuerung des wirtschaftlich vorhandenen "Eigenkapitals" umgangen, sondern auch dessen Ertrag entgegen den ![]() | 12 |
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b) Wesentlich bei der Lösung des Kantons Basel-Stadt ist, dass nicht auf das Risikokapital abgestellt, sondern eine feste Relation des "Eigenkapitals" zu den Aktiven der Gesellschaft verlangt wird. Dabei stellt sie mit dem Bezug auf den Buchwert in zulässiger Weise auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ab (vgl. BGE 103 Ia 540 E. 3: Le Tribunal fédéral "a ainsi déclaré conforme à la constitution la règle adoptée par l'autorité fiscale et selon laquelle les fonds propres de la société immobilière doivent atteindre un certain montant par rapport à la valeur comptable des actifs"). Die Kritik der Beschwerdeführerin richtet sich im Grunde nicht gegen die Wahl des Bezugspunktes, sondern gegen das System, das nicht an das Risikokapital anknüpft. Hätte der Kanton Basel-Stadt das von ihm gewählte System mit dem Bezugspunkt des Verkehrswerts oder eines Steuerwerts, der höher ist als der Buchwert, verbunden, wäre dies für die Beschwerdeführerin übrigens ungünstiger, da anhand des höheren Bezugspunktes ![]() | 14 |
c) Die Beschwerdeführerin macht geltend, überall dort, wo der Buchwert einer Liegenschaft auf einem alten, niedrigen Stand bleibe, die Steuerwerte oder Verkehrswerte aber höher liegen, werde die Hingabe von Hypotheken (zu marktüblichen Bedingungen, unter Einhaltung der marktüblichen Belehnungsgrenze) durch den Aktionär oder nahestehende Personen drastisch erschwert. Eine direkte Einschränkung (und Einmischung in das Zivilrecht) findet natürlich nicht statt. Der Aktionär hat durchaus die Wahl, ob er selber Aktiven der Gesellschaft, die in deren Bilanz nicht zum vollen Wert in Erscheinung treten, belehnen will. Tut er dies, so wird mit gutem Grund in wirtschaftlicher Betrachtungsweise seine Geldhingabe wie eine Eigenfinanzierung und der entsprechend darauf entfallende Zins als Gewinnausschüttung erachtet. Anders liegen die Verhältnisse, wenn entsprechende Darlehen durch Dritte, z.B. Banken gegeben werden. Die Unterscheidung, welche der Kanton Basel-Stadt - im Gegensatz zum Kanton Freiburg - macht, ist sinnvoll; sie beruht auf der unterschiedlichen Behandlung unterschiedlicher Tatbestände und verstösst daher in keiner Weise gegen das Prinzip der Rechtsgleichheit.
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