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29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Mai 1984 i.S. W. gegen Kanton Solothurn und Kantonale Rekurskommission Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Ausschöpfung des Instanzenzuges nach Art. 87 OG bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV. |
2. Die "Besondere Revision" gemäss § 121bis des solothurnischen Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern vom 29. Januar 1961, mit der die unrichtige Tatsachenwürdigung und die Verletzung klaren Rechts gerügt werden können, bildet einen Bestandteil des Instanzenzuges im Sinne von Art. 87 OG (E. 3). |
3. Keine Praxisänderung, obwohl viele Kantone in ihren Steuergesetzen kassatorische Revisionsgründe kennen (E. 4). | |
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2. Gemäss Art. 87 OG sind staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV nur gegen letztinstanzliche ![]() | 1 |
a) Ein kantonaler Entscheid ist letztinstanzlich, wenn gegen ihn auf kantonaler Ebene kein weiterer Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Als Rechtsmittel im Sinne von Art. 87 OG gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes jeder Rechtsweg, der dem Beschwerdeführer persönlich einen Anspruch auf einen Entscheid der angerufenen Behörde gibt und der geeignet ist, den behaupteten rechtlichen Nachteil zu beheben (BGE 104 Ia 124; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 281, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Kein Rechtsmittel nach Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG ist die Revision im eigentlichen prozessrechtlichen Sinne, mit der als Rügegründe die strafbare Einwirkung auf einen Entscheid sowie die nachträgliche Entdeckung wesentlicher Tatsachen oder Beweismittel geltend gemacht werden können (vgl. dazu allgemein GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 529-532), weil sie nicht erlaubt, den Entscheid als solchen als falsch anzufechten (KÄLIN, a.a.O., S. 283; LUDWIG, Endentscheid, Zwischenentscheid und Letztinstanzlichkeit im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, ZBJV 110 (1974) S. 189/190; LEVI, Zum Zeitpunkt der Anfechtung von Entscheiden des zürcherischen Verwaltungsgerichtes mittels staatsrechtlicher Beschwerde, ZBl 79 (1978) S. 245; ähnlich derselbe, Verfahrensrechtliche Aspekte der staatsrechtlichen Beschwerde, SJZ 76 (1980) S. 244). Anders verhält es sich, wenn in kantonalen Gesetzen Tatbestände als Revisionsgründe angeführt werden, die kassatorischer Natur sind. So ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes gegen Entscheide des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zürich grundsätzlich die Revision gemäss § 67 lit. a VRG ZH wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften oder gemäss § 67 lit. b VRG wegen versehentlicher Nichtberücksichtigung sich aus den Akten ergebender erheblicher Tatsachen einzulegen, bevor entsprechende ![]() | 3 |
b) Die Beschwerdeführer werfen der Kantonalen Rekurskommission vor, im angefochtenen Entscheid in verschiedener Hinsicht Art. 4 BV verletzt zu haben. Es ist daher vorab zu prüfen, ob die Beschwerdeführer den kantonalen Instanzenzug im Sinne dieser Ausführungen ausgeschöpft haben.
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b) Die sehr weit gefassten Rügegründe in § 121bis StG SO sind kassatorischer Natur. Es ist anzunehmen, dass mit der besonderen Revision jene rechtlichen Nachteile im wesentlichen beseitigt werden können, die bei Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür oder Rechtsverweigerung ebenfalls beseitigt würden. Zudem hat jeder Beschwerdeführer einen Anspruch darauf, dass die Kantonale Rekurskommission auf ein Revisionsgesuch eintritt, in dem fristgerecht eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder eine Verletzung klaren Rechts gerügt wird. Etwas anderes lässt sich dem kantonalen Recht nicht entnehmen und wird auch von der Rekurskommission in ihrer Stellungnahme vom 28. November 1983 nicht behauptet.
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Unter diesen Umständen handelt es sich bei der besonderen Revision nach § 121bis StG SO um ein Rechtsmittel im Sinne von Art. 87 OG, welches grundsätzlich ergriffen werden muss, bevor eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zulässig ist. In einer allfälligen staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Revisionsentscheid kann dann ein Beschwerdeführer auch das ![]() | 7 |
c) Die Beschwerdeführer haben die besondere Revision gemäss § 121bis StG SO nicht eingelegt, obwohl mit diesem Rechtsmittel grundsätzlich die mit der staatsrechtlichen Beschwerde erhobenen Rügen hätten geltend gemacht und allfällige Mängel des Urteils hätten beseitigt werden können. Auf die vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerden ist daher nicht einzutreten.
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5. Obwohl das solothurnische Steuergesetz die besondere Revision nach § 121bis schon seit dem Jahre 1971 kennt, ist das Bundesgericht in der Zwischenzeit auf zahlreiche staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV gegen Entscheide der solothurnischen Rekurskommission eingetreten, ohne dass die Beschwerdeführer jeweils vorgängig dieses Rechtsmittel ergriffen hätten. In BGE 105 Ia 56 hat das Bundesgericht sogar beiläufig ![]() | 10 |
Es kann unter diesen Umständen nicht verkannt werden, dass der vorliegende Nichteintretensentscheid, der sich zwar auf eine langjährige Praxis im Zusammenhang mit ausserordentlichen Rechtsmitteln anderer Kantone stützt, für die Beschwerdeführer eine gewisse Härte mit sich bringt. Die Kantonale Rekurskommission wird daher zu prüfen haben, ob die Beschwerdeführer nach kantonalem Recht oder unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV einen Anspruch auf Restitution der von ihnen versäumten Frist für die Einlegung der besonderen Revision haben (vgl. § 89 ff. ZPO SO i.V.m. § 58 Abs. 1 VRG SO; speziell die Frist von 10 Tagen gemäss § 89 ZPO; Grundsätzliche Entscheide der Solothurnischen Kantonalen Rekurskommission in Steuersachen aus dem Jahre 1978 Nr. 6 E. 1). Es ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass im vorliegenden Fall Anspruch auf eine Restitution besteht. Jedenfalls dürfte unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV die Frist zur Einreichung eines Restitutionsgesuches im heutigen Zeitpunkt nicht als verwirkt betrachtet werden.
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