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37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juni 1984 i.S. Kappeler gegen Politische Gemeinde Bassersdorf und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG; obligatorisches Finanzreferendum, einmalige und jährlich wiederkehrende Ausgaben. | |
Sachverhalt | |
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"Antrag des Gemeinderates betreffend Bruttokredit von Fr. 827'000.-- für den Umbau des 'Freihof'-Saales in einen Gemeindesaal und Genehmigung des entsprechenden Mietvertrages.
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- Aufhebung der Gemeindeversammlungsbeschlüsse vom 23. Juni 1972 und 31. Oktober 1975."
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Zur Einsichtnahme durch die Stimmberechtigten lagen neben den Plänen für den Umbau auch der zwischen der politischen Gemeinde Bassersdorf und den Eigentümern des Restaurants "Freihof" geschlossene Vertrag über die Miete der "Räumlichkeiten des ehemaligen Saales" als Gemeindesaal auf. Das Mietverhältnis sollte am 1. Januar 1983 beginnen und auf unbestimmte Zeit dauern, jedoch frühestens auf den 31. Dezember 2002 mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten kündbar sein. Der Mietzins wurde auf jährlich Fr. 36'000.-- festgesetzt, zahlbar in monatlichen Raten von je Fr. 3'000.--. In einem Anhang zum Mietvertrag wird die politische Gemeinde Bassersdorf berechtigt erklärt, am Mietobjekt bauliche Massnahmen auszuführen, damit es als Gemeindesaal benützt werden könne. Bei Ablauf des Mietverhältnisses sollen sämtliche durch die Mieterin erstellten Bauten und festen Einrichtungen am Mietobjekt entschädigungslos ins Eigentum des Vermieters übergehen. Für die Zeit nach dem Ablauf der festen Mietdauer von zwanzig Jahren wird der Mieterin ein Vormietrecht eingeräumt.
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Die Gemeindeversammlung wurde am 3. Mai 1983 durchgeführt und das Traktandum "Gemeindesaal" behandelt. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Antrag des Gemeinderates zu.
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Der Bezirksrat Bülach wies den Rekurs Kappelers im Oktober 1983 ab. Dieser gelangte hierauf an den Regierungsrat des Kantons Zürich und schliesslich an das Bundesgericht, das die Beschwerde in folgendem Punkte gutgeheissen hat:
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Aus den Erwägungen: | |
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"1. Anträge der Gemeindevorsteherschaft über Krediterteilungen für neue jährlich wiederkehrende oder neue einmalige Ausgaben oder entsprechende Ausfälle in den Einnahmen, sofern sie einen durch die Gemeindeordnung zu bestimmenden Betrag übersteigen; ..."
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Die Gemeinde Bassersdorf hat dementsprechend in § 8 ihrer Gemeindeordnung (GO) bestimmt:
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"Folgende Geschäfte werden der Urnenabstimmung unterstellt:
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1. Die Gemeindeordnung und ihre Abänderungen;
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2. Anträge der Gemeindebehörden über Kreditbegehren
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a) für neue einmalige Ausgaben oder entsprechende Ausfälle an Einnahmen im Betrage von mehr als Fr. 1'000'000.--,
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b) für neue jährlich wiederkehrende Ausgaben oder entsprechende Ausfälle an Einnahmen im Betrage von mehr als Fr. 50'000.--.
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Diese Geschäfte unterstehen einer Vorberatung und Bereinigung in der Gemeindeversammlung."
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund von § 8 GO hätte das Saalbau-Projekt unter Zusammenrechnung der Bau- und ![]() | 17 |
c) Das Bundesgericht prüft bei der Behandlung von Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, soweit diese mit dem Stimm- und Wahlrecht eng zusammenhängen oder dessen Inhalt und Tragweite umschreiben (BGE 108 Ia 39 E. 2, 163 E. 6a 167 E. 2a mit Hinweisen). Als "kantonale Vorschriften" gelten in diesem Zusammenhang auch solche des kommunalen Rechts (BGE 108 Ia 39 E. 2; BGE 105 Ia 369 E. 2 mit Hinweisen). Demnach ist im vorliegenden Falle die Auslegung und Anwendung von § 8 GO frei zu prüfen.
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4. Der Regierungsrat hat zur Frage der Auslegung von § 8 GO im angefochtenen Entscheid nur in knapper Form Stellung genommen. Er hat ausgeführt, die Annahme des Beschwerdeführers, im vorliegenden Fall hätten die einmaligen und die wiederkehrenden Ausgaben zusammengefasst werden müssen, sei unzutreffend. Müssten wiederkehrende Ausgaben wie Mietzinse grundsätzlich kapitalisiert werden, so hätte die verfassungsmässige Regelung, ![]() | 19 |
Auszugehen ist bei der abstimmungsrechtlichen Prüfung dieses Sonderfalls vom Zweck der in § 8 GO getroffenen Unterscheidung zwischen Ausgaben, die von der Gemeindeversammlung beschlossen werden können, und solchen, die der Abstimmung an der Urne zu unterstellen sind. Nach dieser Regelung unterstehen der obligatorischen Urnenabstimmung nur besonders wichtige Geschäfte, nämlich die Änderung der Gemeindeordnung und die Bewilligung von Ausgaben, die über bestimmten, relativ beträchtlichen Beträgen liegen. Diese Regelung für Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern hat ihren Grund offensichtlich darin, dass in grösseren Gemeinden der Besuch der Gemeindeversammlungen oft verhältnismässig schwach ist; die Urnenabstimmung soll ein zuverlässigeres Bild des Volkswillens vermitteln (vgl. dazu ULLIN STREIFF, Die Gemeindeorganisation mit Urnenabstimmung im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1959, S. 39/40 und METTLER/THALMANN, Das Zürcher Gemeindegesetz, 3. A. 1977, S. 270 ff.). Daraus folgt, dass Kreditvorlagen, deren Bedeutung im gesamten die von der Gemeindeordnung gezogenen Grenzen erreicht, der Urnenabstimmung nicht entzogen werden dürfen.
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Dass im vorliegenden Falle die Krediterteilung für den Ausbau des "Freihof"-Saales und der Abschluss eines Mietvertrages über den auszubauenden Saal auf die Dauer von mindestens zwanzig Jahren sachlich eine Einheit bilden, bedarf kaum einer näheren Begründung. Weder hätte die Gemeinde ein Interesse am Ausbau, wenn ihr nicht gleichzeitig die Miete auf längere Zeit zugesichert würde, noch käme die langfristige Miete der unausgebauten alten Saalräumlichkeiten in Betracht. Das Gesamtgeschäft läuft, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, auf die Errichtung eines provisorischen Gemeindesaals hinaus. Als solcher wird der geplante ![]() | 21 |
Es steht somit fest, dass die Gemeindeversammlung von Bassersdorf am 3. Mai 1983 einem einheitlichen Projekt zugestimmt hat, das sowohl (einmalige) Bau-Aufwendungen im Betrage von Fr. 827'000.-- zuzüglich Teuerung als auch vorläufig auf zwanzig Jahre befristete, jährlich wiederkehrende Ausgaben von je Fr. 36'000.-- für Mietzinsen umfasste. In einem Fall dieser Art, in dem die einen Ausgaben ohne die anderen nicht denkbar sind, muss sich das bei der Kreditgenehmigung einzuschlagende Verfahren nach den Gesamtaufwendungen richten (vgl. für die Unzulässigkeit der Kumulation der Finanzkompetenzen auch den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich in einem zwar nicht in tatsächlicher, wohl aber in rechtlicher Hinsicht vergleichbaren Fall betreffend die Gemeinde Zollikon, vom 19. Dezember 1963, ZBl 65/1964 S. 294 ff.). Davon, dass die Bestimmungen der Kantonsverfassung, des Gemeindegesetzes und der Gemeindeordnung über die Unterscheidung zwischen einmaligen und wiederkehrenden Ausgaben durch eine solche Auslegung ihren Sinn verlören, kann keine Rede sein. Es geht nicht darum, dass inskünftig im Kanton Zürich jährlich wiederkehrende Ausgaben bei der Bestimmung der Zuständigkeitsgrenze regelmässig zu kapitalisieren wären, sondern handelt sich einzig um die finanz- und abstimmungsrechtliche Behandlung von Sonderfällen wie dem vorliegenden.
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Bei dieser Sachlage kann die Frage offenbleiben, ob bei gegenseitig bedingten einmaligen und wiederkehrenden Ausgaben die wiederkehrenden Ausgaben zu kapitalisieren oder die einmaligen Ausgaben in Annuitäten umzurechnen seien. Im einen wie im anderen Falle ist hier die Grenze, von der an eine Urnenabstimmung zu erfolgen hat, klar überschritten. Die Beschwerde ist daher im Hauptpunkt gutzuheissen.
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