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22. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. März 1985 i.S. Spinnerei X. AG gegen Kanton St. Gallen und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 46 Abs. 2 BV; Buchgewinne auf Kapitalanlageliegenschaften. | |
Sachverhalt | |
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Die Kantonale Steuerverwaltung St. Gallen veranlagte die Spinnerei X. AG aufgrund des Rechnungsabschlusses vom 31. Dezember 1977 mit einem im Kanton St. Gallen steuerbaren Liegenschaftsertrag von Fr. ..., in dem die reaktivierten Abschreibungen mitberücksichtigt waren. Eine dagegen gerichtete Einsprache wurde abgewiesen, ebenfalls der gegen den Einspracheentscheid gerichtete Rekurs. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen verwarf die Ansicht der Steuerpflichtigen, wonach die Besteuerung der vom Kanton Zürich zulasten des Betriebsergebnisses in den Jahren 1961 bis 1973 zugelassenen Abschreibungen bei der Reaktivierung dem Sitzkanton zustehe. Sie entschied, die wiedereingebrachten Abschreibungen auf den beiden st. gallischen Liegenschaften der Steuerpflichtigen unterlägen vollumfänglich der Besteuerung durch den Kanton St. Gallen.
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1. Es sei der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission St. Gallen vom 24. November 1983 aufzuheben und dem Kanton St. Gallen sei zur Besteuerung des infolge reaktivierter Abschreibungen realisierten Buchgewinnes auf den Kapitalanlageliegenchaften in Flawil/SG von insgesamt Fr. ... lediglich der Betrag von Fr. ... zuzuweisen. Der Kanton St. Gallen sei demgemäss anzuweisen, den für das Jahr 1977 steuerbaren Reinertrag von Fr. ... um Fr. ... auf Fr. ... herabzusetzen.
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2. Eventualiter sei der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission St. Gallen vom 24. November 1983 aufzuheben und festzustellen, dass der auf den im Kanton St. Gallen gelegenen Kapitalanlageliegenschaften infolge reaktivierter Abschreibungen realisierte Buchgewinn quotenmässig nach Lage der Aktiven zu besteuern sei. Der Kanton St. Gallen sei demzufolge anzuweisen, den auf der Liegenschaft realisierten Buchgewinn quotenmässig zu veranlagen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Erwägungen: | |
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c) Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Besteuerung der Buchgewinne der Beschwerdeführerin auf ihren Liegenschaften im Kanton St. Gallen durch den Liegenschaftskanton. Der Kanton Zürich als Sitzkanton hat die Beschwerdeführerin für die wiedereingebrachten Abschreibungen auf ihren Liegenschaften mangels hinreichenden Unternehmensertrages definitiv nicht besteuert. Es ist daher zu prüfen, ob der Kanton St. Gallen mit der Besteuerung der Buchgewinne seine Steuerhoheit verletzt und ein Steuersubstrat erfasst hat, das der Besteuerung durch den Sitzkanton unterliegt (vgl. BGE 108 Ia 253 E. 2).
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a) Das Grundeigentum und sein Ertrag unterstehen der Steuerhoheit des Kantons der gelegenen Sache (BGE 94 I 41, BGE 83 I 333 E. 2, vgl. auch BGE 108 Ia 257 E. 6). Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass das Grundeigentum als einziges der Gebietshoheit unentziehbar unterliegendes Gut dem Träger dieser Gebietshoheit zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten sein soll (BGE 91 I 397 mit Hinweisen). Im System der Reineinkommens- und Reinvermögensbesteuerung hat der Liegenschaftskanton vom Liegenschaftsbruttovermögen und -ertrag des ausserkantonalen Eigentümers nebst den Abzügen für Unterhalt und Verwaltung der Liegenschaft einen proportionalen Abzug der Schulden und Schuldzinsen entsprechend dem Anteil der besteuerten Liegenschaften an den gesamten Aktiven des Steuerpflichtigen zuzulassen (BGE 104 Ia 261). Im übrigen hat der Liegenschaftskanton das Gesamteinkommen und -vermögen des Steuerpflichtigen nicht heranzuziehen, sondern darf dieses höchstens zur Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, d.h. ![]() | 11 |
b) Die Besteuerung des Wertzuwachses auf Liegenschaften ist insoweit, als er nicht Folge einer gewerblichen Tätigkeit ist, stets dem Liegenschaftskanton vorbehalten worden (BGE 79 I 31 f., 139 f.).
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In BGE 79 I 145 wurden sodann auch die Grundstücksgewinne der Liegenschaftshändler und der Bauunternehmer in Abänderung der bisherigen Rechtsprechung (BGE 49 I 46, BGE 54 I 241) dem Liegenschaftskanton zur ausschliesslichen Besteuerung zugewiesen. Vorbehalten wurde lediglich der Fall, da das Grundstück zu einer vom Steuerpflichtigen unterhaltenen Betriebsstätte gehört, sowie der Fall des blossen Buchgewinnes, wo der Verkaufserlös nur den abgeschriebenen Buchwert übersteigt, die Gestehungskosten aber nicht erreicht (BGE 79 I 148 /49).
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Der erste dieser Vorbehalte wurde in BGE 83 I 257 ff. auf den Gewinn aus der Veräusserung von Geschäftsliegenschaften im Betriebsstättekanton einer interkantonalen Unternehmung anderer Art (Handelsgärtnerei) nicht anwendbar bezeichnet. Das Bundesgericht entschied, dass Veräusserungsgewinne zufolge Wertzuwachs auf Geschäftsliegenschaften, die ohne Zutun des Eigentümers entstanden sind, dem Kanton der gelegenen Sache zur ausschliesslichen Besteuerung zustehe und dass sich die Annahme hier nicht rechtfertige, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit des steuerbaren Einkommens interkantonaler Unternehmungen stets den Vorrang verdiene vor dem andern Grundsatz, wonach Grundstücke sowohl für ihren Wert wie für den Ertrag (mit Einschluss des Wertzuwachses) der Steuerhoheit des Kantons der gelegenen Sache unterstehe. In diesem Urteil wurde anderseits auch für (interkantonale) ![]() | 14 |
c) Das in BGE 83 I 266 zitierte Urteil vom 7. Oktober 1953 i.S. Jenny betrifft ebenfalls den Fall eines auf einer Betriebsstätte-Liegenschaft erzielten Buchgewinnes. Dass der auf Betriebsstätteliegenschaften erwirtschaftete Buchgewinn Teil des Geschäftserfolges der Gesamtunternehmung bildet und grundsätzlich - unter Vorbehalt quotenmässiger Beteiligung des Betriebsstätte-Kantons am Unternehmensgewinn - dem Sitzkanton zur Besteuerung zuzuweisen ist, hat das Bundesgericht im Urteil vom 15. Oktober 1982 i.S. Nyffeler, Corti AG (E. 3a, publiziert bei LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, § 7 I D Nr. 35) ausdrücklich bestätigt. Das in BGE 83 I 266 erwähnte zweite Urteil vom 9. Mai 1951 i.S. Papierfabriken Landquart (LOCHER, a.a.O., § 7 I D Nr. 6) betrifft zwar den Buchgewinn auf einer Kapitalanlage-Liegenschaft, den die Steuerpflichtige beim Verkauf - dessen Erlös die Anlagekosten nicht erreichte - realisierte. Die Steuerpflichtige hatte hier jedoch die Liegenschaft bis kurz vor dem Verkauf als Betriebsstätte genutzt und die Abschreibungen während der Dauer ihrer Geschäftstätigkeit auf dieser Liegenschaft vorgenommen. Der Liegenschaftskanton hatte denn auch die Abschreibungen - ebenso wie der Sitzkanton - als Geschäftsgewinn zur Besteuerung beansprucht. Das Bundesgericht mass daher dem Umstand, dass das Unternehmen die Geschäftsniederlassung im Liegenschaftskanton kurz vor der Veräusserung aufgegeben hatte und seither dort nur noch als Grundeigentümerin steuerpflichtig war, keine entscheidende Bedeutung zu. Die Folge, dass der Liegenschaftskanton an der Besteuerung des buchmässigen Verkaufsgewinnes überhaupt nicht mehr teilnahm, obwohl sein Anteil am Reingewinn früherer Jahre durch Abschreibungen verkürzt worden war, vermochte eine andere Zuweisung nicht zu rechtfertigen (vgl. auch das erwähnte Urteil i.S. Nyffeler, Corti AG, E. 3a, sowie das Urteil vom 15. Oktober 1969 in ASA 40, 67 ff.).
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d) Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ihre Liegenschaften im Kanton St. Gallen nie zum Betrieb einer ![]() | 16 |
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c) Es besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, in Abweichung von den dargelegten Grundsätzen die Besteuerung des Buchgewinns teils dem Sitzkanton und teils dem Liegenschaftskanton zuzuweisen, wie es die Beschwerdeführerin verlangt. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hat in dieser Hinsicht zu Recht erwogen, dass die - unter Umständen Jahrzehnte umfassende - Prüfung, in welchem Masse frühere Abschreibungen auf einer Liegenschaft zu Lasten des Liegenschaftsertrages bzw. in welchem Umfange sie umgekehrt zu Lasten des Unternehmenserfolges vorgenommen wurden, mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden wäre. Im Interesse der Einfachheit und Praktikabilität muss der Buchgewinn auf einer Liegenschaft vielmehr ohne Rücksicht auf dessen Entstehung im konkreten Fall der Steuerhoheit eines der beteiligten Kantone zugewiesen werden können. Dabei liegt die Zuweisung der Besteuerung an den Liegenschaftskanton - wie dargetan - näher als die Besteuerung des Buchgewinns durch den Sitzkanton. Dies hat freilich zur Folge, dass der Sitzkanton unter Umständen zu Lasten des Unternehmensertrages Abschreibungen auf ausserkantonalen Kapitalanlageliegenschaften anerkennen muss (vgl. BGE 93 I 241 f., BGE 107 Ia 43 E. 2), ohne dass er später am entsprechenden Buchgewinn partizipiert (HÖHN, a.a.O., S. 460 Anm. 25). Man könnte sich in dieser Hinsicht fragen, ob es richtig ist, vom Sitzkanton in jedem Falle die Berücksichtigung der auf einer Kapitalanlageliegenschaft entstandenen Defizite zu verlangen, nachdem heute die meisten Kantone die Verlustverrechnung wenigstens über einige Jahre kennen. Die Frage braucht indessen nicht näher geprüft zu werden, da der Kanton Zürich die ![]() | 19 |
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Die Beschwerdeführerin übersieht indes, dass Abschreibungen auf reinen Kapitalanlageliegenschaften in erster Linie den der Besteuerung des Belegenheitskantons unterliegenden Reinertrag der Liegenschaft schmälern. Buchgewinne auf solchen Liegenschaften bilden demzufolge den Ausgleich für früher vom Pflichtigen und den Steuerbehörden übereinstimmend (wenn auch übersetzt) geschätzte Wertverluste, welche den im Belegenheitskanton steuerbaren Liegenschaftenreinertrag schmälerten. Sie sind insoweit Ausdruck einer Wertsteigerung, deren Besteuerung dem Liegenschaftskanton vorbehalten bleibt. Entgegen der Beschwerdeauffassung trifft es nicht zu, dass das Bundesgericht in jüngsten Urteilen die unterschiedliche Behandlung von Betriebsstätteliegenschaften einerseits und Kapitalanlageliegenschaften anderseits in Frage gestellt hat. In dem von der Beschwerdeführerin zitierten Urteil vom 15. Juli 1982 i.S. Denner AG (publiziert bei LOCHER, a.a.O., § 7 I B Nr. 32, und in ASA 53, 444 ff.) wurde im Gegenteil ausgeführt, dass die konsequente Anwendung der für die Kapitalanlageliegenschaften entwickelten Regeln eigentlich dazu führen müsste, auch den Ertrag von Kapitalanlageliegenschaften in Betriebsstättekantonen der ausschliesslichen Steuerhoheit des Belegenheitskantons vorzubehalten (E. 4c a.E., vgl. auch BGE 109 Ia 317).
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Eine quotenmässige Beteiligung des Belegenheitskantons, in dem sich keine Betriebsstätte befindet, am Gesamtreinertrag des Unternehmens im Hinblick auf einen bei der Veräusserung erzielten Buchgewinn würde von den dargestellten Grundsätzen völlig abweichen (viel mehr als in der Literatur gemachte Vorschläge für interkantonale Unternehmungen, vgl. das zitierte Urteil vom 15. Juli 1982 i.S. Denner AG, E. 4d). Sie würde praktisch wohl auf das gleiche hinauslaufen wie der Hauptantrag. Auch dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin kann daher nicht gefolgt werden.
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