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34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. April 1985 i.S. M. gegen Staatsrat des Kantons Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 31 BV; Beschränkung des Medikamentenverkaufs durch Ärzte. | |
Sachverhalt | |
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"Ist die Praxis eines Arztes in der Regel 5 Kilometer von einer öffentlichen Apotheke entfernt, so kann ihm von der Direktion bewilligt werden, im Zusammenhang mit seiner Praxis eine Privatapotheke einzurichten und zu führen."
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Am 24. September 1968 erteilte die Sanitätsdirektion des Kantons Freiburg M. die Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke in seiner Arztpraxis in T. Die Bewilligung wurde am 21. Dezember 1978 erneuert, wobei in Art. 5 der Bewilligungsverfügung einschränkend festgehalten wurde, dass die Bewilligung dahinfalle, falls im Umkreise von 5 km der Arztpraxis eine öffentliche Apotheke eröffnet werde.
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Am 3. Mai 1983 wurde M. mitgeteilt, dass am 1. November 1983 in T. eine Apotheke eröffnet werden würde und die Bewilligung zur Selbstdispensation mit Wirkung ab diesem Datum hinfällig werde. Am 21. September 1983 hielt die Gesundheits- und Sozialfürsorgedirektion (Sanitätsdirektion) des Kantons Freiburg diesen Standpunkt in einer formellen Verfügung fest. Eine gegen diese Verfügung erhobene Verwaltungsbeschwerde wies der Staatsrat des Kantons Freiburg am 3. Juli 1984 ab.
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Am 8. August 1984 gelangte M. fristgerecht mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt Aufhebung des Widerrufs der Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke, d.h. sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Staatsratsbeschlusses. Er macht geltend, der Beschluss verletze Art. 4, 22ter und 31 BV.
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Der Staatsrat des Kantons Freiburg beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die kantonalen Behörden verböten ihm (und den Ärzten generell) zu Unrecht, abgesehen von besonderen Fällen selber Medikamente an die Patienten abzugeben. Anders als im kantonalen Verfahren macht er nicht mehr geltend, dies widerspreche ![]() | 8 |
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b) Die Kantone dürfen die Handels- und Gewerbefreiheit im öffentlichen Interesse beschränken, denn Art. 31 Abs. 2 BV behält "kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe" vor. Nicht erlaubt sind aber Massnahmen, mit denen in den freien Wettbewerb eingegriffen wird, um einzelne Gewerbegenossen oder Unternehmensformen zu bevorteilen und das Wirtschaftsleben nach einem festen Plan zu lenken (BGE 109 Ia 122 E. 4b). Im Bereich des Gesundheitswesens vermögen darum standespolitische Überlegungen (wie die wirtschaftliche Sicherung der Angehörigen einzelner Medizinalberufe) keine Eingriffe zu begründen (BGE 91 I 462 E. 3). Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, wie polizeilich motivierte Eingriffe zum Schutze von Ruhe und Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, Sittlichkeit und Sicherheit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (BGE 109 Ia 122 E. 4b; BGE 106 Ia 269; BGE 104 Ia 475 E. 2) oder sozialpolitisch begründete Einschränkungen (BGE 103 Ia 596; BGE 99 Ia 373 E. 2 mit Hinweis).
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c) Da im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wird, das kantonale Recht sei falsch ausgelegt worden, hat sich das Bundesgericht nur damit zu befassen, ob die Beschränkung der Selbstdispensation durch ein öffentliches Interesse begründet ist und sich der Eingriff als verhältnismässig erweist. Die Fragen nach dem öffentlichen Interesse und der Verhältnismässigkeit prüft es grundsätzlich frei (BGE 106 Ia 303 E. aa; für Beschwerden wegen Verletzung von Art. 31 BV: BGE 106 Ia 269 BGE 104 Ia 475 E. 1). Es auferlegt sich jedoch eine gewisse Zurückhaltung, wenn es in erster Linie den kantonalen Behörden zusteht, die als notwendig erachteten Massnahmen zu ergreifen (BGE 106 Ia 269 /70 E. 1 mit Hinweisen). Dies gilt gerade im Bereich der Gesundheitspolizei und -politik, die primär Sache der Kantone sind. Zudem hält sich das Bundesgericht bei der Beurteilung einer Beschwerde eher zurück, wenn die Streitfrage auch Gegenstand umfangreicher politischer Diskussionen ist (BGE 103 Ia 278).
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3. Die Selbstdispensation, deren Reglementierung durch den Kanton Freiburg hier umstritten ist, ist nach der Gesundheitsgesetzgebung der welschen Kantone sowie der Kantone Aargau, Basel-Stadt, Schaffhausen, Zürich und des Kantons Tessin im ![]() | 13 |
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in einem Entscheid festgehalten, dass das Verbot der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur verfassungswidrig sei. In einem Entscheid vom 15. September 1982 erachtete das Verwaltungsgericht des Kantons Schaffhausen die kantonalrechtliche Bestimmung als verfassungswidrig, die den Ärzten die Führung einer Privatapotheke nur in solchen Gemeinden gestattet, in denen es weniger als zwei öffentliche Apotheken gibt. Umgekehrt hielt das Verwaltungsgericht des Kantons Neuenburg am 25. November 1981 fest, dass die Bestimmungen des neuenburgischen Rechts, die die Selbstdispensation dem Grundsatz nach verbieten, mit der Bundesverfassung vereinbar seien.
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In der Doktrin ist die Frage umstritten, wie die zahlreichen von Ärzte- und Apothekergesellschaften in Auftrag gegebenen Gutachten zeigen.
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4. a) Die Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Freiburg basiert auf einer strikten Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen medizinischen Berufsarten. Den Apothekern und Ärzten sind nicht bloss unterschiedliche Rechte eingeräumt, sondern auch den Fähigkeitsausweisen entsprechende unterschiedliche Pflichten aufgegeben (Botschaft des Staatsrats des Kantons Freiburg vom 31. August 1940 an den Grossen Rat, Bulletin der Novembersession, S. 137). Im Interesse einer optimalen medizinischen Versorgung der Bevölkerung werden für die einzelnen medizinischen Berufsgattungen in Gesetz und Verordnung die Aufgabenkreise genau umschrieben (Art. 39 ff. SanG für Ärzte, Art. 54 ff. für Apotheker). Dem Apotheker wird vorgeschrieben, in seiner öffentlichen Apotheke jederzeit die in der geltenden Pharmakopöe aufgeführten Arzneimittel in genügenden, den laufenden Bedürfnissen entsprechenden Mengen zu führen (Art. 28 Abs. 1 SanV); diese ![]() | 16 |
Der freiburgische Gesetzgeber legt damit offensichtlich Wert auf ein Netz gut ausgestatteter Apotheken. Dazu passt, dass er den Verkauf von Medikamenten (jedenfalls der IKS-Listen A bis C) den Apotheken vorbehalten will. Es ist jedoch zu fragen, ob diese Massnahme, soweit sie dem Beschwerdeführer als Arzt die wirtschaftliche Tätigkeit des Medikamentenverkaufs untersagt, sich auf ein genügendes öffentliches Interesse stützen kann.
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b) Der Staatsrat macht in seinem Entscheid geltend, mit dem Verbot der Selbstdispensation solle eine breitere Streuung von Apotheken sichergestellt werden. Nur mit einem dichten Netz von Apotheken könne der Bevölkerung der Zugang zu den unzähligen Medikamenten ermöglicht werden, die in der Pharmakopöe aufgezählt sind.
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Es ist davon auszugehen, dass die Selbstdispensation zu einer Verminderung der Zahl der öffentlichen Apotheken führt. Es besteht klarerweise ein Zusammenhang zwischen Selbstdispensation und Dichte des Apothekennetzes in dem Sinn, als in Kantonen mit Selbstdispensation die Zahl der Apotheken pro Einwohnerzahl geringer ist (PIERRE GYGI/HEINER HENNY, Das Schweizerische Gesundheitswesen, 2. Aufl. 1977, S. 110/11). Wohl hat die Selbstdispensation für den Patienten den Vorteil, dass er nach dem Arztbesuch nicht noch die Apotheke aufsuchen muss, um zu den verordneten Medikamenten zu gelangen; dieser Vorteil verliert jedoch an Bedeutung, wenn sich eine öffentliche Apotheke in der näheren Umgebung befindet. Viel mehr ins Gewicht fällt der Hauptnachteil der Selbstdispensation: der selbstdispensierende Arzt hat nur eine beschränkte Auswahl an Medikamenten am Lager. In allen Fällen, wo er das notwendige Medikament nicht zur Verfügung hat, ist der Patient auf die öffentliche Apotheke angewiesen. Das Argument des Beschwerdeführers, die Ärzte in ihrer Gesamtheit verfügten über das gleich grosse Spektrum von Medikamenten wie eine öffentliche Apotheke, ist nicht stichhaltig.
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Wenn der Kanton Freiburg durch das grundsätzliche Verbot der Selbstdispensation eine geographische Streuung der Apotheken gewährleisten will, kommt dies daher der Gesamtheit der Bevölkerung zugute und liegt im öffentlichen Interesse (vgl. BGE 99 Ia 376 /7 E. a).
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Als weiteres Argument nennt der Staatsrat die Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker. Auf die Doppelkontrolle wird in Art. 31 Abs. 2 und 3 SanV ausdrücklich hingewiesen, und dem Apotheker werden entsprechende Sorgfaltspflichten auferlegt. Die Doppelkontrolle allein vermöchte das Verbot der Selbstdispensation kaum zu rechtfertigen, verdient aber im Rahmen der oben gegebenen Begründung der Grundrechtsbeschränkung Beachtung. Auch wenn die meisten Medikamente konfektioniert und fertig abgepackt sind, bleibt die Überwachungsrolle des Apothekers wichtig. So etwa bei der Kontrolle der Dosierung (Art. 31 Abs. 3 SanV) oder bezüglich der Beurteilung von Interaktionen zwischen mehreren Medikamenten in der gleichen ärztlichen Verordnung. Die Doppelkontrolle hat ihren Sinn gerade auch angesichts der sich deutlich unterscheidenden Ausbildungen von Arzt und Apotheker.
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