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4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Januar 1986 i.S. T. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren. | |
Sachverhalt | |
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Erwägungen: | |
2. Gemäss § 204 Abs. 1 des luzernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (vom 3. Juli 1972; G XVIII 193) befreit die Behörde eine bedürftige Partei auf ihr begründetes Gesuch ganz oder teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht. Indessen geht - wie der angefochtene Entscheid unter Hinweis auf die kantonale Rechtsprechung (LGVE 1980 III Nr. 8) festhält und ![]() | 2 |
Nun hat aber der Regierungsrat des Kantons Luzern dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege überhaupt verweigert, ihn also auch von der Bezahlung der Verfahrenskosten nicht befreit, weil nach der Meinung der Regierung das materielle Rechtsbegehren des Beschwerdeführers als aussichtslos erscheint. Ob der Regierungsrat sich auf kantonales Recht stützen kann oder ob dieses durch den angefochtenen Entscheid in willkürlicher Weise verletzt worden ist, kann offenbleiben, wenn unmittelbar aus Art. 4 BV ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege abgeleitet werden kann. Auf diesen Standpunkt stellt sich der Beschwerdeführer.
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Entgegen der Meinung, die offenbar beim Beschwerdeführer besteht, ist es jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts keineswegs selbstverständlich, dass von Bundesrechts ![]() | 5 |
b) Ein unentgeltlicher Rechtsvertreter ist in Verwaltungssachen bisher vor allem deshalb als entbehrlich betrachtet worden, weil das Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren von der Offizialmaxime beherrscht werden. Hiebei wird aber übersehen, dass dies auch auf das Strafverfahren zutrifft und dass auch in Zivilprozessen, die ganz oder teilweise der Offizialmaxime unterstellt sind - so in Scheidungs-, Ehelichkeitsanfechtungs- und Vaterschaftsprozessen sowie in bezug auf die Kinderzuteilung und in Verfahren auf Abänderung des Scheidungsurteils -, ein Anspruch auf unentgeltliche Prozessvertretung der bedürftigen Partei besteht. Das Bundesgericht hat denn auch bezüglich des Zivilprozesses erkannt, dass die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes in Verfahren, welche von der Offizialmaxime beherrscht werden, nicht von vorneherein ausgeschlossen sein könne (BGE 104 Ia 77 E. 3b).
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Man mag auch argumentieren, dass in einem reinen Zweiparteienverfahren, in welchem die eine Seite durch einen Anwalt vertreten ist, ein grösseres Bedürfnis bestehe, der nicht vertretenen Partei unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit einen unentgeltlichen Rechtsbeistand beizugeben, als in einem nur mit Verwaltungsbehörden ausgetragenen Rechtsstreit (BGE 111 Ia 7 E. 2). Doch zeigt gerade der vorliegende Fall, dass tatsächlich ein anderer Privater am Ausgang des Verfahrens unmittelbar interessiert sein mag, obwohl prozessual lediglich eine Behörde als Gegenpartei in Erscheinung tritt. Davon abgesehen, wird die Unparteilichkeit ![]() | 7 |
Es ist auch nicht zu übersehen, dass das (materielle) Verwaltungsrecht an Umfang und Komplexität stark zugenommen hat. Damit ist nicht nur das Bedürfnis des Bürgers gewachsen, in Verwaltungsstreitigkeiten von einem sachkundigen Rechtsbeistand beraten und vertreten zu werden. Vielmehr besteht auch auf seiten der Verwaltungsbehörden ein Interesse daran, in schwierigen Fällen für die Rechtsprechung auf die Unterstützung eines Rechtsbeistandes zählen zu können, der den Bürger sach- und rechtskundig vertritt. Wo der Bürger aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Rechtsanwalt beizuziehen, soll ihm dies daher - auch im Interesse von Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten - durch Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ermöglicht werden.
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Rechtfertigt sich aus den dargelegten Gründen die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, so lässt sich vollends keine Erklärung dafür finden, weshalb der bedürftige Bürger im Zivilprozess von der Bezahlung der Verfahrenskosten sollte befreit werden können, während dies in Verwaltungsstreitigkeiten nicht möglich ist. Das Bedürfnis des unbemittelten Bürgers, der einen Rechtsstreit auszutragen hat, auf Entlastung von den Kosten ist in allen Verfahren das gleiche. Gerade in den Grenzgebieten von Zivilrecht und Verwaltungsrecht - die vorliegende Auseinandersetzung um den Namen der Kinder des Beschwerdeführers ist eines von vielen Beispielen - darf es nicht vom Zufall des vom Gesetzgeber gewählten Verfahrensweges abhängen, ob ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht oder nicht.
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c) Nach dem Gesagten ist ein unmittelbar aus Art. 4 BV fliessender Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren anzuerkennen, wie er in jüngerer Zeit auch von der Lehre befürwortet wird (ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 180 f.; BLAISE KNAPP, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Basel und Frankfurt am Main 1983, N. 403; ALFRED KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, N. 9 zu § 16 unter Bezugnahme auf die zürcherische Praxis; PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, ![]() | 10 |
Wie schon im erwähnten Bundesgerichtsurteil vom 8. März 1985 festgehalten, ist - ausser der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Partei - Voraussetzung, dass das Rechtsbegehren nicht zum vorneherein aussichtslos erscheint und die verlangten Prozesshandlungen nicht offensichtlich prozessual unzulässig sind (BGE 110 Ia 27 E. 2, BGE 104 Ia 73 E. 1, mit Hinweis). Der Entscheid muss ausserdem für die gesuchstellende Partei von erheblicher Tragweite sein. Schliesslich kann der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nur in den Fällen bejaht werden, wo sich die aufgeworfenen Fragen nicht leicht beantworten lassen und die das Gesuch stellende Partei selber nicht rechtskundig ist (BGE 104 Ia 77 E. 3c, mit Hinweisen).
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