BGE 112 Ia 25 | |||
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6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. April 1986 i.S. G. AG gegen S. und Obergericht des Kantons Glarus (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Moderation einer Anwaltsrechnung. |
Art. 50 Abs. 2 der Glarner Zivilprozessordnung gibt dem Richter nur die Kompetenz, die Höhe der Kostennote zu überprüfen; über den Bestand der Forderung wird im Moderationsentscheid nicht befunden (E. 1bb). | |
Sachverhalt | |
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B.- Die beklagte G. AG focht das Urteil des Zivilgerichts mit Berufung und staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. Zudem legte sie dagegen kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ein. Der Obergerichtspräsident und am 23. Mai 1984 auch das Obergericht des Kantons Glarus erklärten diese als unzulässig.
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Das Bundesgericht trat am 23. Oktober 1984 auf die Berufung nicht ein, weil das Zivilgericht als untere und einzige, aber nicht als vom Bundesrecht als solche bezeichnete Instanz entschieden hatte (Art. 48 Abs. 2 lit. b OG). Die gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichts geführte staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten hiess es am selben Tag gut und trat auf die gegen das Zivilgerichtsurteil gerichtete Beschwerde mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht ein.
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Am 29. April 1985 behandelte das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten materiell. Aufgrund von Art. 345 Abs. 1 ZPO/GL reduzierte es das von der Beklagten zu zahlende Honorar auf Fr. 84'000.-- zuzüglich Fr. 5'000.-- Barauslagen.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Entsteht zwischen einer Prozesspartei und ihrem Anwalt über dessen Kostennote Streit, so entscheidet darüber der Richter, der das Endurteil gefällt hat, oder, mangels eines solchen, der Richter, bei dem der Prozess anhängig war. Die beiden Parteien werden ohne besondere Prozesseinleitung vor den Richter geladen. Er setzt nach Anhörung der Parteien in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze den Betrag der Anwaltsrechnung endgültig fest."
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a) Das Obergericht hält mit dem Zivilgericht daran fest, dass der Moderationsrichter nach Glarner Recht ein Leistungsurteil fälle. Andernfalls wäre nach dem angefochtenen Urteil nicht einzusehen, weshalb ein ausgedehntes Verfahren mit Beweisabnahmen durchgeführt werden müsste. Die Beschwerdeführerin habe selbst umfangreiche Ausführungen gemacht und entsprechende Beweise angeboten. Dem Wortlaut von Art. 50 Abs. 2 ZPO/GL könne jedenfalls nichts Gegenteiliges entnommen werden. Soweit allerdings Schadenersatzansprüche gegen den Anwalt den Honoraranspruch überstiegen, seien sie in einem besonderen Prozess abzuklären, für den das Moderationsverfahren nicht präjudizierend sein dürfe. Davon abgesehen nehmen beide Instanzen zumindest sinngemäss an, dass im Moderationsverfahren auch die Einrede der Schlechterfüllung des Auftrags materiell zu prüfen sei.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach herrschender Auffassung werde im Moderationsverfahren nur über die Tarifmässigkeit der Honorarrechnung, nicht aber über die Schuldpflicht des Auftraggebers entschieden. Das müsse auch für den Kanton Glarus gelten. Es gehe weit über den Gesetzeswortlaut hinaus und sei deshalb willkürlich, wenn das Obergericht im Moderationsverfahren sich nicht darauf beschränke, die Übereinstimmung der Honorarrechnung mit der Gebührenordnung des Glarner Anwaltsverbandes (im folgenden: Anwaltstarif) zu untersuchen.
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Der Beschwerdegegner meint, das Bundesgericht habe im früheren Beschwerdeverfahren verbindlich festgestellt, das Glarner Moderationsverfahren führe zu einem Leistungsurteil. Das trifft nicht zu. Es hat vielmehr entschieden, dass jedenfalls, wenn es sich so verhalte, die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen werden müsse. Sache des Obergerichts ist es dann gewesen, zur entsprechenden Rüge der Beschwerdeführerin Stellung zu nehmen.
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c) Das Bundesgericht prüft nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür, ob Art. 50 Abs. 2 ZPO/GL verletzt ist (BGE 105 Ia 174 E. 2b mit Hinweisen). Willkür im Sinne von Art. 4 BV liegt bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzesnormen nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene. Das Bundesgericht greift erst dann ein, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 107 Ia 12 und 106 Ia 62 je E. 2 mit Hinweisen).
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aa) Wie das Bundesgericht schon früher festgestellt hat, werden nach wohl überwiegender und für die meisten Kantone geltender Ansicht Anwaltsrechnungen im Moderationsverfahren auf ihre Übereinstimmung mit dem Gebührentarif untersucht, während andere Streitigkeiten im ordentlichen Verfahren auszutragen sind; der Moderationsrichter spricht sich dabei nicht über den Bestand der Forderung aus und sein Entscheid stellt daher auch keinen Rechtsöffnungstitel dar (BGE 106 Ia 339 E. 3 mit Hinweisen). Auch GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 643 Anm. 45) bezeichnet das als allgemeine Regel, nennt aber immerhin zwei Kantone, wo im Moderationsverfahren auch über den Bestand der Forderung entschieden werde.
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Das hat offenbar früher für Graubünden gegolten, worauf sich der zitierte Bundesgerichtsentscheid bezogen hat, in welchem jedoch nicht über die Zulässigkeit einer solchen Regelung zu entscheiden war (zur älteren Bündner Praxis PKG 1956 Nr. 106, anders nunmehr PKG 1970 Nr. 52 E. 4, 1972 Nr. 69). Entsprechendes trifft offenbar auf Neuenburg zu (Recueil 1953-57 I, S. 268). Beispiele für die häufigere gegenteilige Lösung, die eine materielle Beurteilung der Honorarforderung ausschliesst, sind etwa Zürich (BACHTLER in SJZ 73/1977, S. 313 ff.), Aargau (HEUBERGER in Brennpunkt 1983, S. 93 ff.), Waadt (JOMINI in JdT 130/1982 III, S. 4 E. 6); derartige Moderationsentscheide enthalten kein Leistungsurteil und berechtigen nicht zu definitiver Rechtsöffnung, wie das auch entschieden wurde für Genf (BGE 93 I 120 E. 1) und für Bern (BGE 38 I 507).
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Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, dass das Bundesrecht eine umfassende Prüfung und Beurteilung des Honoraranspruchs in einem besonderen Moderationsverfahren ausschliesse. Es ist das Teil der den Kantonen zustehenden Autonomie in der Gerichtsorganisation und im Verfahrensrecht. Welche Lösung zweckmässig ist, hat daher der kantonale Gesetzgeber zu entscheiden.
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bb) Die Beschwerdeführerin stellt entscheidend darauf ab, dass im Glarner Moderationsverfahren zwischen Prozesspartei und Anwalt ein Streit "über dessen Kostennote" zu beurteilen ist, wobei der "Betrag der Anwaltsrechnung" festgesetzt wird. Das Obergericht meint, das schliesse auch eine Reduktion der Kostennote wegen schlechter Mandatsführung ein. Gegen diese Auslegung bestehen erhebliche Bedenken. Art. 50 Abs. 2 ZPO entspricht mit seinem Wortlaut durchaus den Formulierungen des Moderationsverfahrens im engeren, häufigeren Sinn (z.B. Art. 161 OG). Der Wortlaut legt daher eine ausdehnende Interpretation keineswegs nahe.
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Dass der mit der Hauptsache befasste Richter zur Moderation der Anwaltsrechnung berufen wird, steht zwar einer solchen Auslegung nicht entgegen. Auch der Verzicht auf besondere Prozesseinleitung (Vermittlung) fällt kaum ins Gewicht. Dagegen ist zu beachten, dass das Rechtsbegehren des Beschwerdegegners ausschliesslich auf "Normierung" seiner Honorarrechnung und nicht auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung gelautet hat. Bemerkenswert ist sodann, dass der Richter nach Anhörung der Parteien in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze den geschuldeten Betrag endgültig festsetzt. Das Verfahren wird nach der Vernehmlassung des Zivilgerichts ohne besondere Prozesskautelen, aber unter Gewährung des rechtlichen Gehörs geführt. Die Ansicht des Obergerichts, der Moderationsrichter müsse ein umfangreiches Verfahren mit Beweisabnahmen durchführen, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze; dieser schreibt ein vereinfachtes Verfahren vor (formlose Prozesseinleitung, Anhörung der Parteien, Honorarbestimmung in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze). Das ist nur erklärlich als Abweichung von den Erfordernissen eines ordentlichen Prozesses. Die Beschwerdeführerin rügt denn auch, dass ihren zahlreichen Beweisanträgen nicht entsprochen worden ist.
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Der Glarner Richter moderiert Anwaltsrechnungen somit in einem vereinfachten Verfahren, das ohne weiteres angeht, wo es ausschliesslich um die Prüfung der Tarifmässigkeit geht, das indes durch nichts gerechtfertigt ist, wenn über die Honorarschuld als solche unter auftragsrechtlichen Gesichtspunkten entschieden wird (BGE 106 Ia 340 f.). Verstärkt wird dieses Sonderverfahren noch dadurch, dass der Moderationsentscheid als endgültig bezeichnet wird. Das schliesst nicht nur die Berufung aus, sondern nach dem früheren Entscheid des Obergerichts sogar die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 336 ff. ZPO/GL). Selbst wenn aufgrund des Beschwerdeentscheides des Bundesgerichts vom 23. Oktober 1984 die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zu gewähren ist, entfällt damit das ordentliche Rechtsmittel der Appellation, das grundsätzlich Leistungsurteilen gegenüber gegeben wäre (Art. 300 ff. ZPO/GL). Es kann offenbleiben, ob eine derartige Sonderbehandlung bundesrechtlicher Ansprüche aus Anwaltsmandat wirksam statuiert werden kann; jedenfalls liegt darin eine derartige Abweichung von allgemeinen Grundsätzen, wie sie auch dem Glarner Prozessrecht innewohnen, dass es dafür einer klaren gesetzlichen Grundlage bedürfte. Eine solche kann etwa in Art. 31 ZPO Neuenburg gesehen werden, nicht aber in Art. 50 Abs. 2 ZPO/GL. Das Obergericht hat deshalb im Ergebnis gegen den Wortlaut des Gesetzes entschieden, ohne dass es sich dafür auf triftige Gründe berufen kann (BGE 108 Ia 297, II 151 mit Hinweisen); zumindest hat es dem Gesetz einen Sinn gegeben, den es unmöglich haben kann.
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cc) Die Beschwerde erscheint mithin insoweit begründet, als sich das Obergericht nicht darauf beschränkt hat, das Honorar des Beschwerdegegners samt Auslagen auf seine Tarifmässigkeit zu überprüfen, sondern in Übereinstimmung mit dem Zivilgericht auf die Frage der gehörigen Mandatserfüllung eingetreten ist und zudem die Beschwerdeführerin zur Zahlung des ermittelten Betrages verurteilt hat. Soweit mit der Beschwerde eine willkürliche Beurteilung der Mandatsführung beanstandet wird, erweist sie sich jedoch als gegenstandslos.
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