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26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. April 1986 i.S. Königreich Spanien gegen die Firma X. S.A., das Betreibungsamt Bern und den Gerichtspräsidenten IV von Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Völkerrechtliche Immunität; Arrestbefehl. |
Für ein vom fremden Staat in der Schweiz beabsichtigtes Zentrum, dem die soziale und kulturelle Betreuung seiner Angehörigen obliegt, überwiegt der öffentliche, einem hoheitlichen mindestens vergleichbare Zweck, weshalb die Immunität, beschränkt auf die Zwangsverwertung der diesem Zentrum dienenden Liegenschaften, dennoch zu bejahen ist (E. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
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Am 25. Oktober 1985 liess das Königreich Spanien durch einen schweizerischen Rechtsanwalt gestützt auf Art. 84 lit. c und d OG staatsrechtliche Beschwerde erheben, mit welcher - soweit hier wesentlich - beantragt wird:
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"Es sei der Arrestbefehl des Gerichtspräsidenten IV des Amtsgerichtes Bern (Einzelrichter im summarischen Verfahren) vom 4. Juni 1985 infolge völkerrechtlicher Immunität des Beschwerdeführers als ungültig zu erklären, und es seien der gestützt auf diesen Arrestbefehl erfolgte Arrestbeschlag Nr. 2362 des Betreibungsamtes Bern sowie der Zahlungsbefehl Nr. 51002 vom 13. Juni 1985 des Betreibungsamtes aufzuheben."
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Aus den Erwägungen: | |
3. a) Zwischen der Schweiz und Spanien besteht kein Staatsvertrag über die gegenseitige Immunität der beiden Staaten und allenfalls der mit ihnen verbundenen öffentlichrechtlichen Körperschaften im Zwangsvollstreckungsverfahren. Der Beschwerdeführer spielt zwar auf das Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 an (SR 0.273.1), das vom Bundesgericht schon als auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten bis zu einem gewissen Grade beachtlicher Ausdruck neuerer völkerrechtlicher Tendenzen gewürdigt worden ist (BGE 111 Ia 56 f.; BGE 110 Ia 45; BGE 104 Ia 372); ![]() | 4 |
b) Damit bleibt es bei der bisherigen ständigen schweizerischen Rechtsprechung, wonach dem ausländischen Staat sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren dann Immunität zukommt, wenn er in der streitigen Sache eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt, also iure imperii gehandelt hat. Ist er dagegen als Träger von Privatrechten aufgetreten, hat er mithin iure gestionis gehandelt, so lässt die bundesgerichtliche Rechtsprechung sowohl eine Klage als auch Vollstreckungsmassnahmen gegen ihn zu, sofern das zu beurteilende Rechtsverhältnis eine ausreichende Binnenbeziehung zur Schweiz aufweist (BGE 111 Ia 57 /58 und 65/66 mit zahlreichen Hinweisen).
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Es ist unbestritten, dass sich die streitige Forderung, für die ein Arrest bewilligt wurde, auf Renovationsarbeiten an zwei dem Beschwerdeführer gehörenden, in Bern gelegenen Liegenschaften bezieht. Derartige Forderungen aus Werkvertrag, evtl. Auftrag, sind klarerweise nicht hoheitlicher Natur, sondern werden iure gestionis eingegangen. Die Funktion des Staates als Besteller gegenüber dem Unternehmer unterscheidet sich nicht von derjenigen eines Privaten (BGE 106 Ia 145 ff.; BGE 104 Ia 369 ff.; BGE 86 I 29 f.; vgl. ferner das sehr einlässlich begründete, Reparaturarbeiten an einem Botschaftsgebäude betreffende Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 16, Nr. 5, S. 27 ff.).
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Zwar hat sich der Beschwerdeführer vorbehalten, die hoheitliche Natur des Rechtsverhältnisses "in einem späteren Zeitpunkt darzutun"; doch wären solche nachträgliche Vorbringen einerseits ![]() | 7 |
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b) Der Standpunkt der Parteien hinsichtlich der hoheitlichen oder nichthoheitlichen Zweckbestimmung der beiden mit Arrest belegten Häuser lässt sich wie folgt zusammenfassen:
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Der Beschwerdeführer macht geltend, Gegenstände des Verwaltungsvermögens seien nicht arrestierbar; es genüge, wenn die Sache einer öffentlichen Aufgabe gewidmet sei, ohne dass diese ![]() | 10 |
- allgemeine Information;
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- Ausstellungen;
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- Saal für Theater und Musik;
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- Lesebereich und Treffpunkt;
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- Versammlungssaal;
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- Büro des Direktors;
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- Bibliothek;
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- eventuell für den spanischen Attaché für Arbeits- und Sozialfragen bestimmte Wohnung;
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- Materialarchiv.
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Der erwähnte Attaché werde in den Gebäuden hoheitliche Funktionen ausüben. Jedenfalls stelle die Betreuung der spanischen Auswanderer in der Schweiz eine eminent öffentliche Aufgabe dar. Eine Vermietung von Räumen an Dritte sei nicht vorgesehen.
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Dem hält die Beschwerdegegnerin entgegen, die "Casa de Espaņa" solle nicht nur ein Begegnungszentrum für spanische Staatsangehörige werden, sondern ein solches für Angehörige aller spanisch sprechenden Länder. Im übrigen stelle der Betrieb eines Versammlungszentrums keine hoheitliche Funktion des Staates dar. Schliesslich habe der Beschwerdeführer auch bereits versucht, die beiden Liegenschaften an einen Berner Unternehmer zu verkaufen, was gegen die Annahme von Verwaltungsvermögen spreche.
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c) Es scheint zweckmässig, an dieser Stelle auch den Entscheid des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten vom 12. November 1981 betreffend den Erwerb des einen der beiden Grundstücke, Kirchenfeldstrasse 73, zu erwähnen. Es wurde dort ausgeführt, der spanische Staat beabsichtige, die Liegenschaft ![]() | 22 |
In seiner Vernehmlassung zu dieser Verfügung bringt der Beschwerdeführer vor, sie bestätige seine These, wonach die fraglichen Grundstücke für öffentliche Zwecke bestimmt seien und daher nicht mit Arrest belegt werden dürften; ein abweichender Entscheid im vorliegenden Verfahren würde zu einem Widerspruch führen. Anderseits hält auch die Beschwerdegegnerin an ihrem Standpunkt fest und betont, die Schaffung eines Versammlungszentrums für ideelle und gesellige Veranstaltungen sei keine Aufgabe des Staates und jedenfalls keine solche hoheitlicher Art.
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5. a) In rechtlicher Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass der Beschwerdeführer seinen Standpunkt, wonach ein Arrest auf den fraglichen Liegenschaften nicht zulässig sei, vor allem damit begründet, diese gehörten zu seinem Verwaltungsvermögen. Mit der Verwendung dieses Begriffs und dem Hinweis auf das Urteil BGE 103 II 227 ff. nimmt er Bezug auf die Regelung des internen schweizerischen Rechts über Betreibungen gegen öffentlichrechtliche Körperschaften (Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947, ![]() | 24 |
b) Zieht man die hier gegebenen konkreten Verhältnisse in Betracht, so liegt ein Grenzfall vor. Einerseits lässt sich nicht sagen, der Betrieb eines als Treffpunkt, Bildungs- und Erholungsstätte dienenden Zentrums, wie es hier vorgesehen ist, stelle ein Verhalten dar, dem die Ausübung staatlicher Hoheitsmacht im engeren Sinne zugrunde läge; anderseits kann aber offensichtlich auch von einer wirtschaftlichen Betätigung, wie sie regelmässig den sogenannten acta iure gestionis zugrunde liegt (vgl. etwa BGE 111 Ia 63 und BGE 110 Ia 43 ff.), nicht die Rede sein. Sieht man von der durch nichts belegten Behauptung der Beschwerdegegnerin ab, der Beschwerdeführer habe bezüglich der Liegenschaften schon Verkaufsgespräche geführt, und lässt man weiter die spanisch sprechenden Angehörigen südamerikanischer Staaten, die das Institut möglicherweise ebenfalls besuchen werden, wegen ihrer verglichen mit den spanischen Staatsangehörigen offenbar geringen Zahl ausser acht, so scheint doch der öffentliche, mit einem hoheitlichen mindestens vergleichbare Zweck zu überwiegen. Die Wahrung der Interessen der Angehörigen des ausländischen Staates im Inland stellt eine typische konsularische Aufgabe dar ![]() | 25 |
Aus allen diesen Gründen erscheint es als gerechtfertigt, anzuerkennen, dass die beiden mit Arrest belegten Liegenschaften hoheitlichen Zwecken dienen sollen. Demgemäss ist die Beschwerde gutzuheissen, und es sind der Arrestbefehl, der Arrestbeschlag und der gestützt darauf ergangene Zahlungsbefehl aufzuheben.
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