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40. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. April 1986 i.S. Frau K.-S. gegen Vormundschaftsbehörde Küsnacht und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Gewaltentrennung und Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen, Art. 4 BV (Rechtsgleichheit), Art. 2 ÜbBest. BV; Alimentenbevorschussung. |
2. Diese Regelung, welche den wieder verheirateten Elternteil anders als den im Konkubinat lebenden Elternteil behandelt, verstösst nicht gegen das Gleichheitsgebot von Art. 4 BV (E. 4). |
3. Die Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Stiefelternteils für die Begrenzung der Alimentenbevorschussung steht mit dem Bundeszivilrecht (Art. 278 ZGB) nicht im Widerspruch (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Frau S. heiratete im Jahre 1984 Herrn K. Daraufhin stellte die Vormundschaftsbehörde die Alimentenbevorschussung ein. Sie führte zur Begründung an, die finanziellen Verhältnisse von Herrn und Frau K.-S. zusammen überschritten die Grenzen der Anspruchsberechtigung nach § 29 der Verordnung zum Jugendhilfegesetz. Frau K.-S. erhob gegen diesen Entscheid beim Regierungsrat des Kantons Zürich erfolglos Rekurs.
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Gegen den Entscheid des Regierungsrates reichte Frau K.-S. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie macht geltend, die Verordnungsbestimmungen, wonach für die Grenze der Anspruchsberechtigung auf Alimentenbevorschussung sowohl ihre eigenen finanziellen Verhältnisse als auch diejenigen ihres Ehemannes berücksichtigt werden, hätten keine genügende Grundlage im Jugendhilfegesetz; die Regelung verstosse überdies gegen Bundeszivilrecht und verletze das Gleichheitsgebot nach Art. 4 BV.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen: | |
2. Der Regierungsrat rechnete das Einkommen und das Vermögen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten K. aufgrund von § 31 Abs. 2 und § 32 der Verordnung zum Jungendhilfegesetz vom 21. Oktober 1981 zusammen und bezifferte das massgebliche Einkommen auf Fr. 69'800.-- und das massgebliche Vermögen auf Fr. 147'000.--. Er stellte fest, dass bei diesen finanziellen ![]() | 5 |
Für die Beurteilung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen sind folgende Bestimmungen massgebend:
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Jugendhilfegesetz
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§ 20 Abs. 1
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Kommen Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, bevorschusst die Wohngemeinde des Kindes gegen Abtretung der Forderung die im massgeblichen Rechtstitel festgelegten Unterhaltsbeiträge.
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§ 21 Abs. 1
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Die Bevorschussung erfolgt bis zu einem durch Verordnung festgelegten Höchstbetrag unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Kindes sowie des nicht verpflichteten Elternteils.
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§ 30
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Der Regierungsrat erlässt eine Verordnung. Soweit sie sich auf die §§ 21 und 26 des Gesetzes bezieht, bedarf sie der Genehmigung durch den Kantonsrat.
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Verordnung zum Jugendhilfegesetz
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§ 26
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Die Unterhaltsbeiträge werden höchstens bis zu Fr. 500.-- je Kind und Monat bevorschusst und nur soweit, als die Grenzen der Anspruchsberechtigung gemäss § 29 nicht überschritten werden.
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§ 29
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Kein Anspruch auf Bevorschussung der Unterhaltsbeiträge besteht, wenn folgende Einkommens- bzw. Vermögensgrenzen überschritten sind:
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a) beim Kind Fr. 9'600.-- Einkommen im Jahr
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b) beim nicht verpflichteten alleinstehenden Elternteil:
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Fr. 32'000.-- Reineinkommen pro Jahr zuzüglich
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Fr. 3'000.-- für jedes von ihm unterhaltene Kind;
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Fr. 100'000.-- Reinvermögen;
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Von dem Fr. 30'000.-- übersteigenden gesamten Familienvermögen wird 1/15 dem Reineinkommen zugerechnet;
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Fr. 42'000.-- Reineinkommen pro Jahr zuzüglich
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Fr. 3'000.-- für jedes von ihm unterhaltene Kind;
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Fr. 120'000.-- Reinvermögen;
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Von dem Fr. 40'000.-- übersteigenden gesamten Familienvermögen wird 1/15 dem Reineinkommen zugerechnet.
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Ergeben die einer Familie monatlich insgesamt zu bevorschussenden Unterhaltsbeiträge weniger als Fr. 50.--, entfällt eine Bevorschussung.
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§ 31 Abs. 2
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Als Einkommen des nicht verpflichteten Elternteils gemäss § 29 gilt sein nach steuerrechtlichen Grundsätzen errechnetes Reineinkommen bzw. das steuerrechtliche Reineinkommen des Stiefelternteils.
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§ 32
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Als Vermögen des nicht verpflichteten Elternteils gemäss § 29 gilt sein nach steuerrechtlichen Grundsätzen errechnetes Reinvermögen bzw. das steuerrechtliche Reinvermögen des Stiefelternteils.
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a) Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten die Grundsätze über den Gesetzesvorbehalt und die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation nicht nur für Eingriffe in Grundrechte, sondern auch bei der sog. Leistungsverwaltung (BGE 104 Ia 309, BGE 103 Ia 376, BGE 103 Ia 402). Danach ist die Delegation rechtssetzender Befugnisse an die Verwaltungsbehörde zulässig, wenn sie nicht durch das kantonale Recht ausgeschlossen ist, wenn sie auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt wird und das Gesetz die Grundzüge der Regelung selbst enthält - soweit sie die Rechtsstellung der Bürger schwerwiegend berührt - und wenn sie in einem der Volksabstimmung unterliegenden Gesetz enthalten ist (BGE 106 Ia 257, BGE 104 Ia 117, 199, 310, BGE 103 Ia 374 E. 3a, 404 E. bb, mit Hinweisen). Soweit eine Delegation vom Volk an das Parlament, das unter Ausschluss des Referendums legiferiert, in Frage steht, können die strengen Voraussetzungen herabgesetzt werden (BGE 102 Ia 460, vgl. auch BGE 106 Ia 204, mit Hinweisen). Im folgenden ist zu prüfen, ob diese Delegationsgrundsätze erfüllt sind und ob der Regierungsrat gestützt auf diese Delegation die beanstandeten Bestimmungen erlassen durfte.
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Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, das kantonale Verfassungsrecht verbiete grundsätzlich eine Delegation rechtssetzender Befugnisse vom Parlament an den Regierungsrat. Die zürcherische Rechtsprechung verlangt lediglich, dass keine grundsätzlichen und primären Rechtssätze an die Exekutive delegiert werden. Das Bundesgericht hat denn auch anerkannt, dass eine derartige Delegation nicht ausgeschlossen sei (BGE 102 Ia 64, mit ![]() | 36 |
b) Eine wörtliche Auslegung von § 21 des Jugendhilfegesetzes ergibt, dass nebst dem Einkommen und Vermögen des Kindes auch dasjenige des nicht verpflichteten Elternteils mitzuberücksichtigen ist. Der Regierungsrat führt aus, dass es sich dabei keineswegs um eine abschliessende Aufzählung bzw. um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers handle. Vielmehr entspreche es dem Zweck und der Funktion der Alimentenbevorschussung, darüber hinaus auch Einkommen und Vermögen des Stiefelternteils ![]() | 37 |
Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, der Regierungsrat habe seine Kompetenz überschritten und die § 31 und § 32 der Verordnung hätten keine hinreichende Grundlage im formellen Gesetz. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkte als unbegründet.
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3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 31 Abs. 2 und § 32 der Verordnung zum Jugendhilfegesetz auferlegten dem Stiefelternteil eine Unterhaltspflicht, was mit Art. 278 Abs. 2 ZGB nicht vereinbar sei und somit den Grundsatz des Vorrangs des ![]() | 39 |
Nach Art. 278 Abs. 2 ZGB hat jeder Ehegatte dem anderen in der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern in angemessener Weise beizustehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stehen die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung mit dieser Bestimmung des Bundeszivilrechts nicht in Widerspruch. Diese legen nicht fest, dass der Stiefvater für den Unterhalt der Stiefkinder ganz oder teilweise aufzukommen habe. Die Beschwerdeführerin verkennt das Wesen der Alimentenbevorschussung. Diese regelt nämlich nicht die Frage, wer für den Unterhalt aufzukommen habe. Die Bevorschussung gehört vielmehr zum öffentlichen Sozialhilferecht, weshalb der Bundesgesetzgeber sich darauf beschränkt hat, diese Aufgabe im Sinne eines Vorbehalts des kantonalen öffentlichen Rechts gemäss Art. 6 ZGB festzuhalten (BBl 1974 II 66f.; CYRIL HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 2. A. 1983, S. 129). Die Kantone sind nicht verpflichtet, die Alimentenbevorschussung einzuführen (BGE 106 II 286 E. 3); sie sind daher auch in der Ausgestaltung einer solchen frei. Mit der Festlegung von Einkommens- und Vermögensgrenzen wird eine Begrenzung der Anspruchsberechtigung gezogen, in der Meinung, dass der Staat nur dort helfend eingreifen solle, wo dies notwendig ist. Wenn der Kanton Zürich auch das Einkommen und Vermögen des Stiefelternteils für diese Abgrenzung beizieht, so hat er damit keineswegs verpflichtend festgelegt, dass und in welchem Umfange der Stiefelternteil für den Unterhalt des betreffenden Kindes aufzukommen habe. Wie der Regierungsrat in seinem Entscheid ausgeführt hat, gehen § 31 Abs. 2 und § 32 der Verordnung zum Jugendhilfegesetz davon aus, dass ab einem gewissen Familieneinkommen und -vermögen es möglich sein sollte, den Verlust von Alimenten auszugleichen, sei es durch Einsparungen im Haushalt, Beiträge des Ehepartners oder mittels eigener Erwerbstätigkeit. Es kann nicht bestritten werden, dass dies somit zur Folge haben kann, dass auch der Stiefelternteil de facto in einem höheren Masse zum Unterhalt des Kindes beiträgt. Dies liegt jedoch durchaus im Einklang mit Art. 278 Abs. 2 ZGB, wonach jeder Ehegatte den andern in der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern in angemessener Weise beizustehen hat. Besorgt beispielsweise der nicht verpflichtete verheiratete Elternteil den Haushalt, so kommt der andere Ehegatte für den ![]() | 40 |
Die vorliegende Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkte als unbegründet.
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b) Ein Erlass verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen (BGE 110 Ia 13 E. 2b, BGE 106 Ib 188 E. 4a, mit Hinweisen). Die Rechtsgleichheit ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (BGE 110 Ia 13 E. 2b, BGE 101 Ia 200 E. 6 mit Hinweisen).
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Es ist unbestreitbar, dass Konkubinatspaare bei gleichen Verhältnissen die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie Ehepaare haben. Steuerrechtlich drängt sich daher eine Gleichbehandlung auf (vgl. BGE 110 Ia 7 ff.). Zivilrechtlich bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. Das Konkubinat ist kein Institut des Familienrechts; den Partnern steht es frei, die Beziehungen unter sich durch vertragliche Vereinbarungen zu regeln. Dem Konkubinatspartner stehen im Unterschied zum Ehepartner keine Unterhalts- und Beistandsansprüche gegen den andern Partner zu (vgl. FRANK/GIRSBERGER/VOGT/WALDER/WEBER, die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, ![]() | 44 |
c) Zwar geht aus dem Antrag des Regierungsrates vom 13. Juni 1979 (S. 28) hervor, dass beabsichtigt war, den in eheähnlichen Verhältnissen lebenden Elternteil gleich zu behandeln wie den verheirateten. Bei der Beratung für die Genehmigung der Verordnung zum Jugendhilfegesetz durch den Kantonsrat am 21.12.1981 begründete Regierungsrat Dr. Gilgen die Nichtverwirklichung dieser Idee damit, dass nicht nachgeprüft werden könne, wer im Konkubinat lebe und wer nicht (Protokoll des Kantonsrates der Jahre 1979-1983, S. 8328). Dieser Auffassung ist beizupflichten. Wie im Steuerrecht wegen der praktischen Schwierigkeiten ihrer Erfassung Konkubinatspaare keine eigene Kategorie sein können (BGE 110 Ia 19 E. 3d), können Einkommen und Vermögen von Konkubinatspartnern auch bei der Alimentenbevorschussung aus den nämlichen Gründen nicht als Faktoren bei der Bemessung der Grenzen der Anspruchsberechtigung bei der Alimentenbevorschussung herangezogen werden. Anders als im Steuerrecht fehlt es jedoch offenbar an geeigneten Möglichkeiten, eine Gleichbehandlung zwischen nicht verpflichtetem verheiratetem Elternteil und demjenigen, welcher in einem Konkubinatsverhältnis lebt, zu verwirklichen. Die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkte als unbegründet.
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