BGE 113 Ia 17 | |||
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3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. April 1987 i.S. Eheleute X. gegen Eheleute Z., Bauinspektorat des Kantons Basel-Stadt und Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung einer Baubewilligung. | |
Sachverhalt | |
Die Eheleute X. sind Eigentümer einer Liegenschaft in Riehen. Die Eheleute Z. als Eigentümer der Nachbarliegenschaft planen die Erstellung eines erdgeschossigen Anbaus auf der Südseite des bestehenden Wohnhauses. Gemäss ihrem am 14. November 1984 eingereichten Baubegehren sahen sie ausserdem auf der nördlichen Seite des Hauses an der Grenze gegen die Liegenschaft der Eheleute X. eine Parkplatzüberdeckung vor. Doch verzichteten sie auf diese aufgrund der von den Eheleuten X. erhobenen Einsprache, wovon das Bauinspektorat in seinem Baubewilligungsentscheid vom 29. März 1985 ausdrücklich Kenntnis nahm. Die Einsprache der Eheleute X., in welcher diese auch weitere angebliche Gesetzwidrigkeiten des Projektes beanstandeten, wies es ebenfalls am 29. März 1985 ab.
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Hiergegen reichten die Eheleute X. bei der Baurekurskommission des Kantons Basel-Stadt einen Rekurs ein, in dem sie u.a. geltend machten, das Bauvorhaben verletze die massgebenden Freiflächenvorschriften und verstosse auch gegen die Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften gegenüber der östlichen Parzellengrenze zur Liegenschaft Nr. 2276 sowie zur überbauten Parzelle 2772. Die Rekurskommission trat auf den Rekurs ein, wies ihn jedoch mit Entscheid vom 25. Oktober 1985 als materiell unbegründet ab. Die Eheleute X. wandten sich hierauf mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das baselstädtische Appellationsgericht als Verwaltungsgericht. Gemäss ihrer Rekursbegründung vom 23. Juni 1986 beschränkten sie sich auf die Anfechtung des Entscheides der Baurekurskommission hinsichtlich der nach ihrer Auffassung unzulässigen Höhe des Bauprojektes sowie der Verletzung der öffentlichrechtlichen Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften. Auf die vor der Baurekurskommission umstrittene Frage der Bebauungs- bzw. Nutzungsziffer gingen sie gemäss ausdrücklicher Erklärung nicht ein.
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Mit Urteil vom 12. Dezember 1986 trat das Verwaltungsgericht auf den Rekurs nicht ein. Das Gericht verneinte, dass die Beschwerdeführer gemäss § 13 Abs. 1 des baselstädtischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) durch den angefochtenen Entscheid berührt seien und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hätten.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde werfen die Eheleute X. dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vor, es habe eine formelle Rechtsverweigerung begangen, indem es auf ihre Beschwerde nicht eingetreten sei. Sie sind der Meinung, das Verwaltungsgericht hätte ihre Legitimation zur Beschwerde in gleicher Weise anerkennen müssen, wie dies die Baurekurskommission getan habe. Insbesondere machen sie geltend, das Verwaltungsgericht verkenne die präjudizierende Vorwirkung des Anbauprojektes. Dieses ziehe zwangsläufig die Erweiterung der Heizungsanlage in der bestehenden Garage und damit einen neuen Garagebau an der Grenze zu ihrer Liegenschaft nach sich. Hieraus ergebe sich ihr schutzwürdiges Interesse zur Bekämpfung des Vorhabens, auch wenn der Anbau von ihrer Liegenschaft nicht einsehbar sei.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Auch wenn die kantonalen Instanzen - was zu begrüssen ist - bei der Anwendung der Regeln über die Berechtigung zur Verwaltungsbeschwerde und zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die bundesgerichtliche Praxis zu Art. 103 lit. a OG berücksichtigen, so ändert dies nichts daran, dass es in der vorliegenden Sache ausschliesslich um die Anwendung von Vorschriften des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts geht. Die Vorschrift von Art. 33 des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes, wonach die Kantone gegenüber Nutzungsplänen einen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht entsprechenden Rechtsschutz gewährleisten müssen, kommt auf das Baubewilligungsverfahren nicht zur Anwendung, auch wenn Art. 22 RPG die Baubewilligungspflicht als bundesrechtliches Gebot vorschreibt.
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Geht es somit ausschliesslich um die Anwendung einer Regel des kantonalen Verwaltungsverfahrens- und Prozessrechts, so hat das Bundesgericht deren Anwendung nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür zu überprüfen (BGE 112 Ia 122 E. 3 mit Hinweis; ALFRED KUTTLER, Fragen des Rechtsschutzes gemäss dem Bundesgesetz über die Raumplanung, ZBl 83/1982 S. 334 f.). Der Ausgang der Sache hängt somit davon ab, ob das Verwaltungsgericht in willkürlicher Anwendung von § 13 VRPG die Legitimation der Beschwerdeführer zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verneint hat. Nach der Rechtsprechung liegt Willkür nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht weicht nur vom Entscheid der kantonalen Behörde ab, wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 112 Ia 27 E. 1c; BGE 111 Ia 19, 178, je mit Hinweisen). Von Willkür im dargelegten Sinne kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer klarerweise nicht die Rede sein.
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b) Das Bundesgericht hat bereits wiederholt anerkannt, dass die kantonalen Rekursinstanzen eine mit Art. 103 lit. a OG übereinstimmende Regel des kantonalen Prozessrechts in einem gegenüber seiner eigenen Rechtsprechung engeren Sinne anwenden dürfen, ohne deswegen in Willkür zu verfallen. So hat es einen Entscheid des Luzerner Verwaltungsgerichts, mit dem in Anwendung einer mit Art. 103 lit. a OG übereinstimmenden kantonalen Regel ein Nachbar lediglich befugt erklärt wurde, sich auf die Verletzung von Grenz- und Gebäudeabständen gegenüber seiner eigenen Parzelle zu berufen, nicht jedoch eine Verletzung dieser Abstände auf dem Baugrundstück sowie gegenüber anderen Grenzen geltend zu machen, als nicht willkürlich bezeichnet (BGE vom 26. Februar 1982, ZBl 83/1982 E. 2b S. 302 f.; s. auch BGE 112 Ia 122 f. E. 3/4). Das Bundesgericht hat zwar zum Ausdruck gebracht, dass man sich fragen könne, ob der Nachbar nicht mehr als irgendein Dritter beeinträchtigt sei, da nur zwei statt drei geplante Häuser gebaut werden könnten, falls die Einwendungen bei materieller Prüfung als begründet erachtet worden wären (ZBl 83/1982 E. 3b S. 304 oben). In der vorliegenden Sache sind entsprechende Zweifel nicht angebracht. Die Beschwerdeführer erklären in ihrer Rekursbegründung an das Verwaltungsgericht ausdrücklich, sich auf die Anfechtung des Entscheides der Baurekurskommission hinsichtlich der Höhe des Bauprojektes und der Verletzung der öffentlichrechtlichen Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften zu beschränken. Auf die Frage der Bebauungs- bzw. Nutzungsziffer gehen sie nicht ein (S. 2 der Rekursbegründung). Es ist somit davon auszugehen, dass unter dem Gesichtspunkt des Nutzungsmasses der vorgesehene erdgeschossige Anbau eines Wohnraumes nicht zu beanstanden ist. Die behauptete Verletzung der Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften betrifft die Beschwerdeführer nicht, beziehen sich doch die fraglichen Abstände auf die benachbarten Parzellen 2276 und 2772. Desgleichen berührt die Gebäudehöhe des erdgeschossigen Anbaues von rund 2,50-4,50 m die Beschwerdeführer nicht. Der Anbau ist - was unbestritten ist und sich auch aus den Plänen ergibt - vom Haus der Beschwerdeführer aus nicht einsehbar. Auch wenn sich im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Nachbarn ebenfalls auf Normen berufen können, die nicht speziell ihren Schutz bezwecken, so ist es keineswegs willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dies genüge nicht zur Begründung ihrer Legitimation. Die Verwaltungsrechtspflegeinstanzen sind nämlich nicht Aufsichtsbehörden, welche ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein Beschwerdeführer in schutzwürdigen Interessen verletzt ist, die objektiv richtige Rechtsanwendung durch die Verwaltung zu überprüfen haben. Die Beschwerdeführer scheinen zu übersehen, dass es sich bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht um eine Popularbeschwerde handelt.
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c) Dass die Baurekurskommission auf die Beschwerde eingetreten ist, ändert nichts daran, dass das Verwaltungsgericht die Prozessvoraussetzung der Beschwerdelegitimation unabhängig und umfassend zu prüfen hat. Der Gedanke, das Gericht habe nicht "ohne Not" von der Rechtsauffassung der Vorinstanz abzuweichen, ist abwegig. Im übrigen war vor der Baurekurskommission, worauf die privaten Beschwerdegegner zutreffend hinweisen, auch die Frage des Nutzungsmasses umstritten, was zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Legitimationsfrage führen konnte.
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d) Als schutzwürdiges Interesse machen die Beschwerdeführer, wie bereits vor Verwaltungsgericht, einzig geltend, die Bewilligung des Vorhabens ziehe zwangsläufig die Einrichtung einer neuen Heizung im bestehenden Garagebau und damit die ursprünglich geplante Überdeckung der Autoabstellplätze entlang ihrer Nachbargrenze nach sich. Wenn das Verwaltungsgericht diese Hypothese nicht als ausreichend bezeichnet hat, um das für die Rekursberechtigung verlangte schutzwürdige Interesse anzunehmen, so kann ihm keineswegs Willkür vorgeworfen werden. Selbst wenn mit einer Änderung der Heizungsanlage gerechnet werden muss, so steht keineswegs fest, dass hiefür der bestehende Garagebau in Anspruch genommen werden muss. Es ist nicht auszuschliessen, dass ein anderes Heizsystem gewählt wird, das mit einem geringeren Platzbedarf auskommt. Abgesehen hievon ist entscheidend, dass die Verwirklichung einer überdeckten Abstellfläche oder eines Garagegebäudes entlang der Nachbargrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer ein neues Baubegehren voraussetzt. Im Bewilligungsverfahren erhalten die Beschwerdeführer erneut Gelegenheit, ihre Recht zu wahren. Wenn das Verwaltungsgericht verlangt, dass ein Bauvorhaben die Nachbarn unmittelbar berühren muss, um ihre Rekursberechtigung zu begründen, so steht dies durchaus mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG in Übereinstimmung. Nur in diesem Falle ist ein Beschwerdeführer persönlich und mehr als jedermann daran interessiert, dass die angefochtene Verfügung aufgehoben oder geändert und somit das Rechtsverhältnis gegenüber dem Adressaten anders geregelt wird (BGE 112 Ia 122 f. E. 4 mit Hinweisen; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 158).
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